★Kapitel 6.2★

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Das Esszimmer war der lange Saal mit dem ellenlangen Holztisch, den Yvaine zuvor schon gesehen hatte. Varden lief bis zum Kopfende und zog einen Stuhl zurück und bedeutete ihr, Platz zu nehmen, was Yvaine auch tat.
«Ich bin gleich wieder da.»
Damit war er auch schon wieder verschwunden.
Yvaine saß allein in dem stillen Saal, den Blick auf die Felder gerichtet, die durch das große Fenster an der Seite zu sehen waren.

Nach ein paar Minuten kamen Varden und Eddrick mit einigen Tellern herein. Sie platzierten sie auf der oberen Hälfte des Tisches und als Yvaine sie so beobachtete, fühlte sie sich schlecht.

Warum hat der Blödmann mir nicht Bescheid gesagt? Für Yvaine bot sich gerade das Bild eines verwöhnten, kleinen Mädchens, dass von allen bedient wurde und es gefiel ihr gar nicht.
Es war ihr sichtlich unangenehm und dieses Gefühl verstärkte sich zusätzlich, als sie Eddricks Gesichtsausdruck sah.
Er meidete ihren Blick und schaute grimmig drein.

Yvaine wollte am liebsten im Boden versinken. Wenn sich jetzt unter ihr ein Loch aufgetan hätte, das sie verschlang, hätte sie es dankend hingenommen.
Die beiden nahmen jeweils an ihrer Seite Platz und begannen damit, ungestört ihre eigenen Teller zu füllen.
Frisches Obst, Brot, Butter, Wurst und Käse standen auf dem Tisch aus Wallnussholz.
Yvaine blieb im Moment nichts anderes übrig, als sich auch etwas auf den Teller zu tun und zu essen.
In dem Raum hing eine unangenehme Stille in der Luft, doch keiner machte sich die Mühe, etwas zu sagen. Schweigend nahmen sie ihr Mittagessen ein.

Als sich Yvaine anbot, beim Abräumen zu helfen, wurde sie von Eddrick abgewimmelt.
«Lass nur.»
Er stellte die Teller zusammen und trug sie hinaus. Varden und Yvaine blieben allein zurück.
«Ed ist etwas schwierig, aber er meint es gut.» Er hatte gesehen, wie Yvaine ihm nachsah. In ihrem Blick lag eine Art Besorgnis.
«Warum wohnt er hier, wenn das Schloss doch meinen Eltern gehört hat?»

Varden lehnte sich nach vorn und legte die Unterarme auf der Tischplatte ab. «Soviel ich weiß, haben deine Eltern Avalon zu einer Art Hauptquartier für den Blaumondzirkel gemacht. Der Gang, in dem wir unsere Zimmer haben, war ständig belegt von ihren Freunden und Bekannten. - Sie waren eben richtige Anführer und haben sich um ihre Leute gekümmert.»
Yvaine schmunzelte.
Dieser Gedanke machte sie glücklich, auch wenn sie im Moment gar nicht verstehen konnte, wie Eddrick zu den Freunden ihrer Eltern gehört haben konnte.

Sie hatte noch viel mehr Fragen und wollte noch so viel über ihre Eltern erfahren, einfach um sie besser kennenzulernen, um ihnen näher zu sein. «Aber falls du es genau wissen willst, solltest du ihn selbst fragen.
Er lebt hier schon seit vielen Jahren und kann dir sicher auch mehr über deine Eltern erzählen. Ich bin erst vor kurzem hierher gezogen. Kurz bevor ich nach Burhollow kam, um dich zu finden.» Yvaine sah wieder zur Tür, durch die Eddrick verschwunden war.
«Falls du es dir überlegst -
Abends ist er immer im Musikzimmer.»
Nun stand auch Varden auf und ging seiner Wege.

Yvaine war kurz nach ihm zurück in ihr Zimmer gegangen und überlegte den ganzen Nachmittag lang, ob sie Eddrick am Abend im Musikzimmer aufsuchen sollte oder nicht. Sie wollte unbedingt mehr über ihre Eltern erfahren, aber bisher hatte dieser Mann nicht den Eindruck gemacht, dass er sehr gesprächig war, noch dass er sie leiden konnte.

Er hatte, seit sie hier war, diesen verbitterten Gesichtsausdruck und in seinen Augen sah sie eine brennende Wut.
Warum sollte er wütend auf mich sein?
Er kennt mich doch gar nicht.
Doch wenn er schon so lange hier war, wie Varden sagte, dann kannte er ihre Eltern. Vielleicht sah er sie mit diesem hasserfüllten Blick an, weil er auf sie wütend war und nicht direkt auf Yvaine. Wenn das allerdings der Grund war, dann musste sie einfach herausfinden, wieso.

Ich gehe hin und frage ihn.

Als Yvaine die Stufen empor stieg, hörte sie ein Geräusch. Es war so leise wie ein Flüstern. Mehrere Töne schlichen sich in ihr Ohr, eine Melodie, die ihr vorkam, wie aus einem Traum.
Zögernd ging Yvaine weiter und langsam erkannte sie, woher diese Melodie kam.
Das Musikzimmer.

Federn aus PechWo Geschichten leben. Entdecke jetzt