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Kilian

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Kilian

Langsam ballte ich die Hand zu einer Faust und zerknüllte das Stück Papier darin. Ich musste damit aufhören. Es ist inzwischen eine Woche vergangen seit Lia aufgewacht ist und ich saß hier und las immer noch ununterbrochen ihren Brief, den sie mir einen Tag später über ihren Cousin verabreicht hatte. Als hätte ich nichts Besseres zu tun. Warum tat ich mir das an?

Als sie nach dem Erwachen mit mir sprechen wollte und mich so neutral angesehen hat, hatte ich zunächst Zweifel, dass sie sich an ihre Träume und somit an mich erinnern konnte. Es hätte ja sein können, dass ich die Sache mit der Rune auf ihrem Körper irgendwie vermasselt habe. Als mir aber bewusst wurde, dass sie sich erinnern konnte und es auch nicht so schien, als wäre sie mir für die Lügen böse, war ich für einen kurzen Moment unglaublich erleichtert. Ich hatte mich aber getäuscht. Mit jeder Sekunde, die verstrichen ist, in der ihr alles immer klarer wurde, konnte ich in ihren Augen sehen, wie sehr es sie verletzt hat, bis sie mich schließlich gar nicht mehr ansehen konnte.

Ich hatte mit allem gerechnet. Dass sie wütend wäre, ihre Stimme gegen mich erheben würde, aber nicht, dass sie so ruhig und enttäuscht sprechen würde, als sie mir gesagt hat, dass ich gehen soll. Dabei hatte ich eigentlich nichts falsch gemacht. Sie konnte sich ja gar nicht vorstellen, was für Folgen es hätte geben können, wenn ich ihr vorher erzählt hätte, dass ihre Mutter lebte und alles nur ein Traum gewesen ist. Sie wäre nach dieser Erkenntnis sofort aufgewacht - im besten Fall ohne Erinnerungen an die letzten Jahre ihres Lebens oder ohne in der Lage zu sein, richtig zu denken und zu sprechen.

Und im schlimmsten Fall hätte sie direkt sterben können oder sich irgendwann selbst umgebracht, weil sie den Tod ihrer Schwester nicht zu Ende verarbeiten hätte können. Schließlich hat es genauso angefangen, als ich das erste Mal in ihren Traum eingedrungen bin und sie verletzt im Wald gefunden habe. Wäre sie nicht ins Koma gefallen, hätte sie das höchstwahrscheinlich auch im echten Leben mit sich getan. Es hat schon einen Grund, warum Menschen im Koma landen und erst nach einer bestimmten Zeit aufwachen. Zwar erinnern sie sich meistens nicht an ihre Träume, aber im Unterbewusstsein haben sie alles verarbeitet, was sie verarbeiten mussten.

Eigentlich hätten wir uns gar nicht einmischen dürfen, aber ohne uns läge sie vermutlich noch einige Monate im Tiefschlaf. Wenn man mich fragen würde, ob ich es bereute mich eingemischt zu haben, wüsste ich nicht, wie meine Antwort ausfallen würde. Zwar hatten wir ihr geholfen, doch was für einen Preis haben wir gezahlt? Ich habe sie kennengelernt, habe Gefühle für sie entwickelt, die für Engel im Himmel unmöglich waren, bin ihr näher gekommen nur, um sie am Ende wieder zu verlieren. Warum ich mich überhaupt dazu entschieden hatte, wusste ich selbst nicht. Vielleicht weil sie der erste Mensch ist, dem ich begegnet bin und ich neugierig war, was in ihrem Kopf vorgeht. Vielleicht war es aber auch einfach unser typischer Drang zur Hilfe zu eilen. Vor allem dann, als ich ihr zum ersten Mal in ihrem Traum begegnet bin und ich gesehen habe, wie schlecht es um sie stand. Von diesem Moment an ist mir klar geworden, dass ich ihr auch in ihrem Unterbewusstsein helfen möchte.

Fallen Twice ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt