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Ich fühlte mich hintergangen. Verarscht. An der Nase herumgeführt. Leer. Während ich auf dem Boden saß, der Hörer neben mir lag und man dumpf das Tuten der Leitung hörte, rollten mir Tränen die Wangen runter, die heißer waren, als ich es eigentlich kannte. Ich fühlte mich, als hätte mir jemand gesagt, dass ein enger Familienangehöriger verstorben war. Eine seltsame Schwere machte sich in mir breit und ich wusste nicht, ob ich Schreien, Lachen oder Weinen sollte.

Ich war unmotiviert, wollte nicht mehr vom Boden aufstehen, wollte hier weiter sitzen bleiben und im besten Falle sogar einschlafen. Mein Kopf war voll, ich konnte mich nicht entscheiden, welchen Gedanken ich als erstes verarbeiten sollte und zeitgleich herrschte gähnende Leere. Noch nie hatte ich so etwas durchmachen müssen und ich hoffte, dass ich das auch zukünftig nie wieder musste. Innerhalb von ein paar Sekunden verwandelte sich der sonst so ereignisreiche und spaßige Tag, in einen Albtraum, aus dem ich so schnell nicht aufwachen konnte.

Mühsam stand ich auf, trottete in die Küche und durchsuchte unsere Schränke. Wieder suchte ich Beruhigung im Alkohol und hoffte, er würde den Schmerz erträglicher machen. Geistesabwesend kramte ich im Schrank herum, es fielen Cornflakes raus, Kekse, Doseneintöpfe, aber es war mir egal, es kam mir so vor, als würde ich alles um mich herum ausblenden.

Meine Finger ertasteten kühles Glas und voller Vorfreude und Sehnsucht, zog ich es heraus, als ich endlich wohlverdient eine Flasche mit halbleerem Vodka in der Hand hielt. Sofort schraubte ich den Deckel ab und setzte an, hatte den Mund voll von dem bitteren Zeug und tat mir schwer es Schluck für Schluck herunterzuwürgen. Es schmeckte Scheiße - keine Frage - und ich verstand nicht, wie einige es schafften mit Leichtigkeit und ohne Mischgetränke die hochprozentige Flüssigkeit zu trinken, aber solange es wirkte, war mir egal wie es schmeckte.

Ich nahm wieder einen kräftigen Schluck, stützte mich an der Küchentheke ab und konzentrierte mich wieder darauf, es nicht auszuspucken.

"Amy?", hörte ich jemanden rufen und mein Blick richtete sich auf den Gang, wartete darauf, dass die Person mich fand.

Steve blinzelte in die Küche, sah sofort die Vodkaflasche in meiner Hand und eilte zu mir.

"Was ist passiert?", fragte er mich aufgebracht, als er mein Gesicht in seine Hände nahm und mich dazu brachte ihm in die Augen zu schauen.

Normalerweise würde ich jetzt wieder in Tränen ausbrechen und ihm unter Schluchzen und Schniefen erzählen, was vorgefallen war, aber ich spürte nichts. Rein gar nichts.
Keine Wut, keine Trauer, kein Schmerz.

"Es war alles gelogen..", nuschelte ich leise und löste mich aus seinem Griff, schämte mich dafür, wie dumm ich war.

Steven ballte seine Hände zu Fäusten, seine Knöchel waren weiß angelaufen und er nahm seine typische Steve-Pose ein. Eine Hand in die Hüfte gestemmt, ein Bein etwas weiter vorne als das andere und sein Oberkörper etwas nach vorne gelehnt.

"Es war alles Bullshit. Das Leben ist Bullshit, unsere Freundschaft ist Bullshit..", lallte ich, merkte den Schwindel und die sich langsam senkende Hemmschwelle, verursacht durch den Alkohol im Blut.
"Wir.. sind Bullshit."

Ich setzte die Flasche ein weiteres Mal an und bevor ich meinen Mund voll laufen lassen konnte, nahm mir Steve den Vodka aus der Hand, woraufhin ich ihn augenblicklich wütend ansah und mich aufbauschte.

"Lass den Scheiß, das bringt doch nichts..", versuchte er mich zu beruhigen und wollte mich in eine Umarmung verwickeln.

Ich drückte ihn von mir weg, wollte im Moment weder körperliche Nähe, noch jemand, der mir sagte, was ich zu tun oder zu lassen habe. Wackelig ging ich an ihm vorbei, tat mir schwer geradeaus zu laufen und stützte mich an jedem Gegenstand ab, der in meiner Nähe war, um nicht hin- oder umzufallen. Ich hörte Steve's Schritte hinter mir, als ich ins Wohnzimmer torkelte und in der Schublade der Wohnwand nach den Zigaretten meines Vaters suchte. Ich wusste, dass es einen riesen Anschiss geben würde..

Wer nicht wagt, der nicht gewinnt | Billy HargroveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt