Das gespaltene Land

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Ich werde immer bei dir sein

Hastig öffnete ich meine Augen und blinzelte kurz gegen die Sonnenstrahlen, die bereits durch das Fenster meines Zimmers fielen, an.

Mein Atem ging angestrengt und ich rief mir deutlich in Erinnerung, dass ich nicht mehr im Thronsaal vor einem Jahr war.

Das alles war Vergangenheit.

Es war schon spät, im Innenhof herrschte geschäftiges Treiben, doch heute standen keine Sitzungen oder andere Termine an, sodass ich den Tag ganz für mich allein hatte.

Ein Luxus in letzter Zeit, die Berater und Generäle meines Vaters vertrauten mir noch nicht vollständig und das versuchte ich mit eiserner Autorität und Stärke zu ändern, denn trotz allem verstand ich all diese Männer.

Auch für sie war der Tod ihres Königs ein Schlag gewesen. Nur hatte niemanden das so sehr getroffen, wie mich.

Heute würde keiner an meine Tür kommen, um etwas zu verlangen. Höchstens die Botin, die meine Briefe an die Bergbauer im Westen überbringen sollte, doch sie erwartete ich erst gegen späten Nachmittag.

Langsam setzte ich mich auf und zog den mit Spitze besetzten, ockerfarbenen Morgenmantel, der über einer kleinen Bank vor meinem Bett hing, über und schlüpfte in die dunklen Pantoffeln aus Seide.

Vieles hatte sich verändert.

Kurz nach den Ereignissen an jenem Tag war ich zu Wrod gegangen, nicht um sie um Hilfe zu bitten, sondern um ihr die Treyjårnebücher zu geben. Bei ihr waren sie in den besten Händen.

Die Göttin hatte versucht mit mir zu reden, über das, was vorgefallen war, aber ich hatte nur abwehrend die Hand gehoben, gesagt, alles wäre in Ordnung und war dann so schnell, wie möglich wieder gegangen.

Auch wenn das eine glatte Lüge war.

Dieser Tag hatte sich in meinen Kopf gebrannt. Bilder von Zander mit blutendem Gesicht und einem hässlichen Grinsen, welches seine farblosen Lippen verzerrte, suchten mich oft genug heim. Ich sollte ihn nicht so in Erinnerung haben, aber jedes Mal, wenn ich an ihn dachte, erschien dieses Bild vor meinem inneren Auge.

Also dachte ich nicht mehr an ihn.

Nicht an ihn, nicht an Wrod, nicht an Niran oder meinen Vater.

Letzteres war das schwierigste.

Manchmal bildete ich mir ein, dass er zu mir sprach, dass er neben mir saß und mich in meinen Kräften unterrichtete.

Alles nur alberne Sehnsüchte einer schwächeren Frau der Vergangenheit, welche immer noch tief in mir drin war.

Ich war zu schwach gewesen, ihn zu retten, zu schwach Zander aufzuhalten, zu schwach...

Diese Tatsache verfolgte mich am meisten. Diese leise Stimme in meinem Kopf.

Ich bemerkte meine fest zusammen gebissenen Zähne und lockerte meinen Kiefer.

Schon öfters hatte ich nicht mitbekommen, wie ich am Tag wegdriftete, zurück in die Vergangenheit.

Nur meine geballten Fäuste, verspannten Muskeln und die angehaltene Luft waren Beweise für meine Albträume unter der Sonne.

Ich ging auf den riesigen Balkon und atmete die frische Luft ein, während die Sonne die Stadt und die Felder dahinter erleuchtete. Hier oben war ich oft und betrachtete die Landschaft. Dann trat endlich etwas Ruhe in meinem Kopf ein und ich konnte für einen Moment jeden Gedanken vorbeiziehen lassen. Im Westen lagen die hohen Berge, die Mantora auf dieser Seite vom Meer abschnitten, im Osten der große Fluss, der sich seinen Weg durch den Wald und schließlich zu den Ausläufern der Sumpfgebiete bahnte. Und im Norden, Galdja. Die Türme des Schlosses waren selbst von hier zu sehen, obwohl das Schloss dicht an der südlichen Küste lag.

Who am I? | Teil 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt