Krieg oder Frieden

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Ich hatte noch lange Zeit mit Wrod gesprochen, über mögliche Folgen und Maßnahmen. Die Chancen, dass einfach alles so blieb, wie es war, standen gar nicht so schlecht.

Wenn man es optimistisch betrachtete.

Zwar warnte die Göttin immer wieder, doch mit jeder weiteren Minute wurden meine Zweifel doch ungewollt kleiner. Und das beunruhigte mich sehr, denn trotz allem sollten wir wachsam sein.

Nach einer guten Stunde, in der wir vieles besprochen und eine ungefähre Karte der Route, wie Wrod sie noch in Erinnerung hatte angefertigt hatten, kam Tjør durch das Dickicht und stellte sich neben mich. Alle fünf hatten sich um die Ruinen herum positioniert und hielten Wache.

Ich sah ihn auffordernd an. "Eure Majestät, wir haben in der Nähe des Schlosses einen Mann gesichtet. Er hatte einen grauen Mantel an und sein Gesicht war verdeckt. Er war auf dem Weg hierher."

Ich warf Wrod einen Blick zu. "Erwartest du Besuch?" Sie schüttelte langsam den Kopf, jedoch, als ob sie noch zögerlich nachdachte.

"Wo ist er jetzt?", fragte ich Tjør.

"Wir haben ihn verloren, nicht mal eine Meile von hier entfernt. "

"Großartig, wozu habe ich eigentlich eine Leibgarde?" Ich verdrehte die Augen und Tjør sah geknickt zu Boden.

"Geh zurück auf deinen Posten, ich komme gleich zu euch." Er verbeugte sich tief vor mir und verschwand.

Ich sah wieder zu Wrod. "Also, ist alles soweit geregelt? Denn dann würde ich mich wieder auf den Weg zurü..."

Ich verstummte, als ein Rascheln im Gebüsch zu hören war und zog aus Reflex einen meiner Dolche. Wrod war aufgestanden und stellte sich vor mich. Mein Blick schweifte über die Lichtung und ich beschwor meine Magie herauf, hielt sie jedoch noch unter der Oberfläche.

"Wer wünscht mit der Göttin dieser Lande zu reden, der möge sich zeigen und nicht im Schatten bleiben!", rief sie gebieterisch aus. Ein wenig übertrieben, aber sie war nun mal eine Gottheit.

Plötzlich kam ein Mann aus dem Dickicht, genau der, den meine ach so tolle Leibgarde verloren hatte. Sein Gesicht war von einer dunkelgrauen Maske verdeckt, die die Form eines Wolfskopfes hatte und er sah nach unten.

Dann nahm er sie ab und lächelte, während er auf uns zukam und die Maske ohne aufzublicken in seine Tasche packte.

Der Dolch fiel mir aus der Hand.

"Soo... da bin ich mal wieder. War gar nicht so einfach diesmal aus dem Schlo..."

Er hob den Blick und sah mich an.

Ich sah ihn an.

Sein Gesicht zeigte pure Verblüffung und eine Spur...Sehnsucht.

Mein Gesicht zeigte eine Maske ohne jegliche Emotionen, die ich so gut es ging aufrecht erhielt.

So sehr ich dagegen ankämpfte, bei dem Anblick der schwarzen Augenklappe und der langen hellen Narbe, die sich quer durch sein Gesicht zog, kamen sofort die Erinnerungen hoch.

Seine blonden Haare waren länger geworden, aber auch ein wenig dunkler, während seine sonst leicht gebräunte Haut nun blasser war. Es schien fast, als wäre er im letzten Jahr nicht mehr oft aus dem Schloss gekommen. Was bestimmt auch so war.

Sein verbliebenes Auge leuchtete immer noch in demselben hellen Blau.

Zander sah mich weiterhin an, während ich versuchte nicht an meine Albträume über ihn zu denken und mich schließlich an Wrod wandte.

"Noch eine eingefädelte Überraschung von dir?", fragte ich spitz durch zusammengebissene Zähne.

"Das gleiche könnte ich auch fragen." Ich erschrak innerlich bei dem Klang seiner Stimme. Als er das erste Mal gesprochen hatte, war es mir gar nicht aufgefallen, aber seine Stimme war viel tiefer geworden. Sie klang auch rauer und doch fester, als wäre er durch die Vergangenheit härter und ernster geworden.

Wrod sah abwechselnd von mir zu Zander. Dann seufzte sie.

"Nein, das war nicht von mir geplant. Zander, ich hatte vergessen, dass du noch kommen wolltest und habe Revon eine Nachricht geschickt, sie solle sofort hierherkommen."

Dann trat eine schwere, eiskalte Stille ein.

Zander setzte sich zu mir auf die umgestürzte Säule, doch ich stand sofort auf.

"Hier wäre zwischen uns ja nun alles geklärt. Ich verabschiede mich Wrod, es sei denn, du hast noch ein Anliegen?"

Die Göttin wusste, dass ich nicht bleiben wollte, nicht, wenn ER da war. Sie schüttelte den Kopf und ich drehte mich um und pfiff.

Meine Leibgarde kam zwischen den Bäumen hervor und wir gingen zurück zur Kutsche, an der der Kutscher bereits wartete.

~

"Du warst noch nie gut im hinterher schleichen."

"Wenn du mich einfach sitzen lässt."

Ich drehte mich ruckartig um und sah ihn so kühl wie nur möglich an.

"Wir haben uns nichts mehr zu sagen."

"Ach ja?!", rief er aufgebracht und wollte dann sanft meine Hand nehmen, zögerte jedoch und zog sie wieder zurück. "Du hast damit vielleicht abgeschlossen, aber ich nicht. Ich träume jede Nacht von dir, Revon."

Nun sah er mich fast flehend an.

"Bitte, lass uns reden."

"Nein."

Ich öffnete die Kutsche und stieg hinein, aber Zander ließ nicht nach. Er sprang hinterher und schloss die Tür.

"Was wird das?!" Ich sah ihn zornig an und versuchte von ihm abzurücken, doch die Kutsche war nicht gerade die Größte und so landete ich bei dem Versuch nur auf dem Boden. Schnell rappelte ich mich wieder auf und beließ es dabei, denn Zander versperrte mit seinem Körper den Ausgang. Er war breiter geworden, aber im guten Sinne, seine Muskeln zeichneten sich klar unter dem grauen Hemd ab.

"Verdammt, du bist immer noch so ein Sturrkopf, wie früher." Nun lachte Zander.

Er lachte, während ich versuchte, nicht an die Albträume über ihn zu denken.

"Das musst gerade du sagen."

Er verstummte wieder und fragte dann leise: "Was ist nur zwischen uns passiert, dass du mir nicht mal mehr richtig in die Augen sehen kannst?"

"Das weißt du ganz genau und jetzt raus hier!", zischte ich und versuchte nur mit Mühe, ihn nicht anzuschreien.

Er stöhnte." Weißt du was?", sagte er verbittert." Du hast dich verändert Revon und ich erkenne dich nicht wieder..."

Ich schluckte unauffällig.

"Verschwinde...", flüsterte ich scharf.

Zander ballte die Fäuste und war nun endgültig genervt. Gut. Sollte er kindisch verstimmt sein und mich endlich alleine lassen.

"Okay! Okay, ich verschwinde, aber glaub mir eins: Das, was mit dir geschehen ist war nicht ich, sondern Emilian. Dein Vater..."

Es knallte laut, als ich ihn schlug. Seine Wange wurde augenblicklich rot und er sah mich fassungslos und gleichzeitig wütend an.

"Gut."

Er verließ die Kutsche und knallte die Tür zu, so laut, dass ich zusammen zuckte.

Zum Glück konnte er die Träne nicht mehr sehen, die langsam meine Wange hinunter lief.

Who am I? | Teil 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt