Ein Plan für das Ungewisse

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Ein großer, abgedunkelter Raum und überall liegen Sachen. Ich, oder besser gesagt...ja, wer? Ich hatte schon einige solcher Visionen gehabt, aber diesen Raum erkenne ich nicht. Bücher stapeln sich auf der einen Seite, unordentlich zusammengelegte Kleidung auf der anderen und Papierberge liegen um einen großen, staubigen Schreibtisch verteilt. Inmitten dieses Chaos steht ein großes Bett, ebenfalls aus Zedernholz, wie die meisten Möbel hier, mit edlen Verzierungen und eingravierten Schriftzeichen. Erst jetzt erkenne ich es wieder und augenblicklich will ich einen Schritt zurück machen, doch es geht nicht. Zander bleibt, wo er ist. Warum? Warum er? Und warum diese Unordnung? Früher war sein Zimmer auch nicht das Beste gewesen. Es hatte hier und da Wäscheberge gegeben und unsere, seine Mutter hatte dem Geruch nach immer gesagt, es würde wie in einer Bärenhöhle riechen, denn Zander hatte nie auch nur einen Hauch frische Luft in sein Zimmer gelassen. Aber so ein Chaos? Zander geht nun langsam auf seinen Schreibtisch zu und lässt sich in den üppig gepolsterten Sessel fallen, der ebenfalls von Papierbergen verdeckt wird. Pergamente, Schriftrollen und Briefe wirbeln zu allen Seiten, doch Zander ignoriert das alles. Ein großer Spiegel hängt an der Wand neben ihm und zeigt sein erschöpftes und ausgelaugtes Abbild. So fertig hatte ich ihn noch nie gesehen. Sein goldblondes Haar fällt ihm in nassen Strähnen ins Gesicht und seine Haut glänzt ebenfalls feucht, er hat wohl erst vor Kurzem ein Bad genommen. Ein helles Tuch ist um sein zerstörtes Auge gebunden und sein verbliebenes, hellblaues sieht traurig in den Spiegel und er seufzt kurz. "Was für ein Tag", murmelt er leise und steht wieder auf. Er geht zu einer Komode und öffnet die oberste Schublade mit einem Knarren. Zum Vorschein kommt eine lange Reihe an Augenklappen in den verschiedensten Formen, Farben und Größen. Daneben sammeln sich glitzernde Anstecknadeln und ich erkenne das Wappen Galdjas erst beim zweiten Hinsehen, denn auch Zander hat es ein wenig verändert. Es zeigt nun das Profil eines brüllenden Löwen. Seine Mähne schimmert golden und zwei Schwerter sind hinter ihm gekreuzt. Früher hatte es eine Krone gegeben, durch die ein Schwert führte, doch Zander hatte genau wie ich eine neue Zeit unter einem neuen Herrscher verdeutlichen wollen. Zander nimmt das weiße Tuch ab und greift nach einer purpurfarbenen Klappe, die an den Rändern schwarz umrahmt ist. Das Tuch lässt er achtlos zu Boden gleiten und zieht eine weitere Schublade darunter auf. Auch dort reihen sich ordentlich gefaltete Schals und andere Textilien aneinander und weiter hinten liegt, gut versteckt ein Siegelring, mit demselben Wappen darauf. Zander steckt ihn sich an den Finger und schließt die Kommode wieder, die im Gegensatz zu seinem Zimmer fast millimetergenau geordnet ist. Aber warum? Warum ist sein ganzes Zimmer ein einziges Chaos? Und warum ausgerechnet diese Vision? Was will sie mir sagen? Plötzlich klopft es an der Tür und kein geringerer als Gunskav, Zanders Leibwächter, tritt nach einer tiefen Verbeugung ein. Seine etwas rundliche Gestalt mit dem langen roten Bart und den wilden lockigen Haaren, die auch mal wieder ein Bad vertragen konnten, bewegt sich auf mich - Zander - zu. "Majestät, Ihr habt gerufen. Es tut mir außerordentlich leid, nicht sofort gekommen zu..." Zander dreht sich nun ganz zu ihm um und erst jetzt bemerke ich, dass Zander die Augenklappe noch immer in der Hand hält und Gunskav versteift sich kaum merklich. Zander entblößt ihm sein blindes Auge und für einen Moment starrt der Diener auf die lange Narbe, fasst sich danach aber schnell wieder und räuspert sich, auch wenn seine Wangen ein wenig rot werden. "Wie gesagt, ähm..." "Gunskav?" Der Leibwächter steht bei Zanders rauer Stimme, die plötzlich so erschöpft klingt, wie er aussieht, sofort wieder stramm da. "Ja, Majestät?"
"Wird sie mich für immer hassen?" Sein Blick wandert zu dem großen Fenster, was seltsamerweise komplett geöffnet ist. Er hatte sein Fenster früher nie geöffnet, außer wenn Morrigan ihn dazu gezwungen hatte, weil sie den Gestank nicht mehr ertrug."Wie meinen, Majestät?" Gunskav folgt seinem König, bis beide direkt an der marmornen Fensterbank stehen. Zander sieht abermals zu seinem treuen Wächter und lächelt traurig. "Du weißt, wen ich meine." Sichtliches Unbehagen erfüllt Gunskav und er zwingt sich, seinem König in das verbliebene Auge zu sehen. "Niemand kann einen Menschen auf ewig hassen, Majestät. Entweder, beide Parteien vergeben oder vergessen einander, oder sie bringen einander um. So wird es zumindest in meiner Familie geregelt." Zander lacht wehmütig auf und murmelt dann: "Hoffen wir auf Ersteres. Aber bei Revon kann man sich nie sicher sein."

Who am I? | Teil 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt