So kam es, dass ich doch noch eine Anstellung als Heiler fand. Die Frau mit dem schlohweissen Haar, ihr Name war Viola Calendula, wie ich erfuhr, verkündete es vor den Dorfbewohnern von Schlucht und Archet und Max Birkenbaum, der Mann mit dem Schwert, der für die Bewohner von Schlucht sprach, hiess diese Anstellung gut. Er war der Meinung, dass die Schuld der Breeländer mir gegenüber damit beglichen sei und auch ich war damit zufrieden. Dennoch störte es mich, dass die Breeländer mich nur zu dulden schienen, mir jedoch nicht ganz vertrauten – sie liessen sich nur von mir behandeln, wenn Viola dabei war und auch dann nur, wenn es sich nicht um lebensbedrohliche Fälle handelte. Es war für mich kaum zu ertragen, zuzusehen, wenn jemand einer Verletzung oder einem Gebrechen erlag, das ich hätte behandeln können, wenn sie mich doch nur gelassen hätten. Und doch war ich froh darüber, dass ich jetzt im Breeland bleiben konnte, denn immer noch hoffte ich, Olórin hier anzutreffen. Wenn Viola und ich in Bree waren, suchte ich jeden Abend das Gasthaus Zum tänzelnden Pony auf und fragte den Wirt Butterblüm, ob Olórin – oder Gandalf, wie sie den alten Freund meines Vaters hier nannten – dagewesen sei. So tat ich es auch an einem Abend Ende Juni.
«Gandalf? Der sitzt da drüben, sehen Sie, Herr Cal? Der Alte mit Bart und grauem Mantel, der da bei den Zwergen», informierte mich Butterblüm. «Hab ihm Ihren Brief bereits übergeben.»
«Danke, Gerstel», bedankte ich mich beim Wirt und ging dann zu Gandalfs Tisch hinüber, nur um mich auf halbem Weg schnell an einen anderen, leeren Tisch zu setzten. Die Zwerge, Gandalfs Begleiter ... es waren alte Bekannte von mir. Es waren Ori und Nori, Bifur und sein Sohn Borin und der griesgrämige Dwalin, die ich alle bei meiner Überquerung des Nebelgebirges kennengelernt hatte. Dori und sein Sohn Glori waren nicht dabei, dafür aber ein paar andere Zwerge, die ich nicht kannte. Doch ob sie nun vollzählig waren oder nicht, ich hatte keine Lust meine Begegnung mit den Zwergen aufzufrischen.
Bob kam zu mir, um meine Bestellung aufzunehmen. Als er mir dann mein Bier brachte, hielt ich ihn auf. «Bob, wenn Sie das nächste Mal aus der Küche kommen, seien Sie bitte so freundlich und gehen Sie zu Gandalfs Tisch hinüber und richten Sie ihm aus, dass der Sohn eines ganz, ganz alten Freundes ihn in einer Stunde draussen sprechen möchte. Können Sie das für mich tun, Bob?», flüsterte ich dem Hobbit zu.
Bob nickte zögernd. «In Ordnung, ich richte ihm das von Ihnen aus, Herr Cal.»
«Nein, nicht von mir!», sagte ich hastig. «Sagen Sie einfach genau das: 'Herr Gandalf, der Sohn eines ganz, ganz alten Freundes möchte Sie in einer Stunde draussen sprechen.' Kein Wort von mir, Bob.»
Bob nickte wieder. «Also, ich sage: 'Herr Gandalf, der Sohn eines ganz, ganz alten Freundes möchte Sie in einer Stunde draussen sprechen.'»
Ich bestätigte und liess Bob dann weiter seine Arbeit verrichten. Unauffällig beobachtete ich, wie er, nachdem er eine Ladung Teller auf einem nahen Tisch abgegeben hatte, zu Gandalf hintrat und ihm die Botschaft übermittelte. Gandalf sah sich stirnrunzelnd um und nickte dann. Ich leerte langsam meinen Bierkrug und bestellte einen weiteren, wobei ich versuchte, möglichst unauffällig auszusehen. Dass sich einige Minuten später ein paar Männer aus Schlucht, unter ihnen Max Birkenbaum, zu mir an den Tisch setzten und mich fragten, was mich denn nach Bree führte – ein paar Kranke, die Violas Hilfe als beste Heilerin der Gegend in Anspruch nehmen wollten – und ich sie fragte, was sie ihrerseits hierhertrieb – der Markttag morgen, an dem sie Brot, Früchte und Getreide verkaufen wollten – half mir, den Zwergen und dem Zauberer nicht aufzufallen.
Als fast eine Stunde verstrichen war, erhob sich Gandalf von seinem Platz, wehrte die Angebote der Zwerge, ihn zu begleiten, ab und verliess die Schankstube. Ich wartete ein paar Minuten, bevor ich mich unter dem Vorwand, von Viola erwartet zu werden, von Max und seinen Freunden verabschiedete und Gandalf nach draussen folgte.
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Die blaue Zauberin (LotR FF)
FanfictionEine Herr der Ringe Fanfiction einmal anders Cal wird von ihrem Vater, dem blauen Zauberer Alatar, aus Cuivienen fortgeschickt nach Westen, um dort eine Istari zu werden. Doch die Reise verläuft nicht wie geplant: aus den Fängen der Orks geht es dir...