15. Kapitel - Saruman, der Weisse

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Die folgenden Tage waren ganz anders als die bisherigen. Anfangs begegnete Iliane mir noch mit Misstrauen, doch bald begann sie mich auszufragen – woher ich kam; wer mir das Heilen und das Kämpfen beigebracht hatte; weshalb ich nach Bree gekommen war; wieso ich mich als Mann ausgab; und, und, und ... Meine sehr karg ausfallenden Antworten befriedigten sie in keiner Weise, was nur zu verständlich war, aber ich wusste nicht, was ich antworten sollte, ohne meine Identität aufzudecken und schliesslich sagte ich Iliane das auch. Sie war sehr enttäuscht, dass ich ihr nicht vertraute.

«Bitte, Iliane, frag nicht weiter, ich kann das niemandem sagen, gar niemandem.»

«Wieso nicht?», beharrte sie.

Ja, wieso eigentlich nicht? Ich war eine Magkylira – daran war nichts Schlimmes. Aber ich kam aus dem Osten. Für die Leute hier war ich ein Ostling und jeder weiss, dass man Ostlingen nicht vertrauen kann, dass sie böse sind, gefährlich und so weiter. Aber würde Iliane auch so denken? Aber was würde sie sagen, wenn sie wüsste, dass ich neun­und­neunzig Jahre alt war? Und kein Mensch war. Ausserdem wollte ich nicht, dass allgemein bekannt wurde, dass ich eine Magkylira war.

«Weil ...», begann ich zögernd. «Ich will mich damit schützen. Es gibt Dinge, die mich in Gefahr bringen, wenn jemand davon erfährt.» Auch diese Antwort war schwammig und konnte Ilianes Neugier nicht befriedigen, doch ich wusste mir nicht anders zu helfen und blockte jede weitergehende Frage ab, bis sie es schliesslich aufgab.

«Warst du schon einmal in Rohan, Calenna?», fragte Iliane als sich am Horizont die Ered Nimrais abzeichneten, die weissen Berge, die Rohan vom südlich gelegenen Gondor trennten.

Gondor ... Das Heer von Gondor kämpfte schon lange gegen Sauron – genau wie mein Volk es tat. An der Seite dieser Soldaten konnte ich vielleicht endlich etwas bewirken. Aber zuvor musste ich die Aufgabe erfüllen, wegen der mein Vater mich nach Westen geschickt hatte. Ich musste nach Isengard.

«Nein, ich war noch nie in Rohan», antwortete ich Iliane.

«Weshalb willst du denn da hin?»

«Ich habe hier einen ... Onkel – gewissermassen.»

«Gewissermassen?», fragte sie skeptisch.

«Er ist ein alter Freund meines Vaters und Vater will, dass ich ihn Besuche. Das ist überhaupt der Grund, weshalb ich nach Bree gekommen bin.»

«Das war vor mehr als zwei Jahren, Calenna», mahnte Iliane mich. «Du bist ziemlich spät dran.»

Mist. Schon hatte ich mich verplappert. Und jetzt?

«Es ist Saruman, der weisse Zauberer», gestand ich. «Er ist der alte Freund meines Vaters.»

Entsetzt sah Iliane mich an. «Ein Zauberer? Wie Gandalf? Und dein Vater ... ist er auch ein Zauberer? Bist du eine Zauberin, Calenna?», flüsterte Iliane.

Ich seufzte. Dumm war Iliane auf jeden Fall nicht.

«Es ist also war?», stellte sie noch leiser fest und schlang die Arme fester um Andwin, der vor ihr im Sattel sass, während ich zu Fuss die Strasse entlang schritt. Oder grösstenteils rannte, wenn der Untergrund es zuliess.

Nach diesem Vorfall vermied ich es, wann immer möglich, mit Iliane zu sprechen. Nur wenn es um die Nahrungsbeschaffung in der Wildnis ging, sprach ich mit ihr. Sie akzeptierte mein Schweigen, fragte dafür umso mehr, ob diese Beere oder jene Pflanze essbar war oder nicht und ging mir bei der blutigen Arbeit, ein Kaninchen zu häuten und auszunehmen zur Hand. Sie stellte sich bald ziemlich geschickt dabei an.

Tag für Tag wurden die Berge am Horizont grösser und wir näherten uns der Grenze Rohans. Wir erreichten Dunland und ritten, beziehungsweise liefen, an den Ausläufern des Nebelgebirges entlang. In Dunland lebten Menschen, doch Iliane wollte nicht bei ihnen bleiben und auch ich mochte mich nicht von ihr trennen. Irgendwann hatte ich diese anhängliche Frau liebgewonnen. Schliesslich bogen wir um die letzten Höhen des Nebel­gebirges und erreichten die Furten des Isen und damit die Pforte von Rohan. Sobald wir den Fluss überschritten, hatten wir unser Ziel erreicht. Dann waren wir in Rohan.

Die blaue Zauberin (LotR FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt