Korak hatte die beiden Flüchtigen schnell aufgespürt: Sie hatten sich auf der Strasse nach Westen geschlagen – weshalb auch immer. Weit waren sie jedoch noch nicht gekommen und so hatten wir sie schnell eingeholt. Iliane war mehr als erleichtert, als sie mich sah und nur zu gern bereit, sich mit ihrem Sohn auf das Pferd zu setzen. Bereitwillig überliess sie sich meiner Führung, bis ihr klar wurde, dass ich selbst mich von einem Raben führen liess. Doch trotzdem ich es ihr anbot, wollte sie nicht zurückbleiben und fügte sich in ihr Schicksal mir folgen zu müssen, wie ich mich in meines, welches mir ihre lästige Gesellschaft und die des zweijährigen Andwins aufbürdete. Ich musste einen Weg finden, die beiden wieder loszuwerden.
Korak und ich hatten den Grünweg nach Süden genommen und ein schnelles Tempo angeschlagen. Die Breeländer würden Suchtrupps nach uns ausschicken, die uns nicht einholen durften. Mein Körper fand schnell wieder in seinen alt vertrauten Rhythmus zurück, auch wenn ich spätestens am nächsten Morgen jeden einzelnen in den letzten Jahren vernachlässigten Muskel spüren würde. Iliane ritt inzwischen mit dem kleinen Andwin hinter sich auf dem gestohlenen Pferd neben mir her – oder versuchte es zumindest. Sie war nie zuvor auf einem Pferd geritten, nur ein oder zwei Mal auf einem Pony. Nachdem wir gerade einmal drei Stunden unterwegs waren, begann Iliane über Schmerzen zu klagen und der kleine Andwin schrie wie am Spiess. Nur widerwillig gestand ich den beiden eine kurze Rast zu. Wir konnten uns eigentlich keine einzige Pause leisten und ich verfluchte die beiden im Stillen dafür, dass sie mich aufhielten. Nach einer Viertelstunde trieb ich die beiden wieder an.
«Cal. Können wir bitte anhalten?», jammerte Iliane zwei Stunden später. «Ich kann einfach nicht mehr.»
Mit hochgezogenen Augenbrauen sah ich mich zu ihr um. «Du kannst nicht mehr? Du hast doch gar nichts gemacht ausser auf dem Ross zu sitzen? Wenn dann ist es das Pferd, das nicht mehr kann, aber der gute Junge scheint mir noch ganz fit zu sein.»
Leidend sah sie mich an. «Im Gegensatz zu dir bin ich eine Frau und Andwin ist ein kleines Kind. Das ist einfach zu viel für uns.»
Ich liess mich nicht erweichen: «Wir gehen weiter, bis die Sonne untergeht.»
Iliane starrte nach Westen, wo die Sonne sich langsam dem Horizont näherte. Eine Stunde würde uns noch bleiben, bevor die Lichtverhältnisse uns dazu zwangen, Halt zu machen. Wütend biss Iliane die Zähne zusammen.
«Ich habe einen Lagerplatz gefunden», liess Korak mich etwas später wissen. Die Sonne berührte jetzt bereits den Horizont, die Stunde war fast vorbei.
«Wo?», fragte ich den Raben.
«Was?», fragte Iliane. «Sind wir da?»
«Eine Meile südwärts von hier, wo die Strasse auf ein Wäldchen trifft. Es gibt dort eine kleine Lichtung, umgeben von dichtem Gestrüpp und einigen Felsen. In der Nähe ist auch eine Quelle», erklärte Korak.
Ich nickte dem Raben zu: «Danke mein Freund. Iliane, wir sind fast da.»
«Wo da?», fragte meine Begleiterin müde.
«An unserem Lagerplatz.»
«Hier sollen wir schlafen?!», empörte sich Iliane und sah sich auf der Lichtung um. Das Gestrüpp um uns war so dick, dass wir mindestens eine Viertelstunde gebraucht hatten, um uns zur Lichtung durchzukämpfen. An einem Ende wurde die Lichtung von ein paar überhängenden Felsbrocken begrenzt, unter denen wir bei einem allfälligen Wetterumschwung Zuflucht suchen konnten. Die Lichtung selbst war mit weichem Gras überwachsen. Alles in allem ein sehr guter Lagerplatz.
«Was hast du denn erwartet?», fauchte ich Iliane an. «Ein Gasthaus mit bequemen Federbetten?»
Ihre wutblitzenden Augen und der unzufriedene Ausdruck auf ihrem Gesicht waren ein überdeutliches Ja.
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Die blaue Zauberin (LotR FF)
FanfictionEine Herr der Ringe Fanfiction einmal anders Cal wird von ihrem Vater, dem blauen Zauberer Alatar, aus Cuivienen fortgeschickt nach Westen, um dort eine Istari zu werden. Doch die Reise verläuft nicht wie geplant: aus den Fängen der Orks geht es dir...