«Was?» Blinzelnd sah ich nach oben, hin zu dem hoch oben gelegenen und vergitterten Loch im Fels, durch den ein Strahl Sonnenlicht in die Zelle fiel.
«Kroa, kro korar, kra karo kroak krok», kam es von ausserhalb der Gitter.
«Ich soll geduldig dasitzen und warten? Was glaubst du denn, was ich hier mache? Ferien?», antwortete ich.
«Ko krokaro!», kam es wieder von dem Loch her. Plötzlich fiel ein Schatten über das Loch und dann streckte ein grosser, schwarzer Vogel den Kopf herein. Es war ein Rabe, genauer gesagt der Rabe, der mich seit ein paar Tagen in den Wahnsinn trieb, wortwörtlich, immerhin sprach ich mit dem Vogel und er verstand mich. Obwohl ich doch eigentlich noch nicht lange genug in diesem Loch hier sass, um wahnsinnig zu werden. Oder hatte es vorher schon angefangen, auf meinem langen, langen Weg nach Westen?
«Kroak korar!», machte der Rabe wieder auf sich aufmerksam. Er hiess Korak, hatte er zu mir gesagt, als wir uns kennenlernten, also vor ein paar Tagen. «Kro kroa krar kroka», sagte er und stiess mit seiner Klaue etwas in die Zelle hinein, das mit einem silbernen Klirren über den Felsboden hüpfte. Ich fing dass Ding ein, bevor es durch die vergitterte Tür nach draussen in den Gang rollen konnte. Es war ein Schlüssel und ich war mir ziemlich sicher, dass er in die Tür zu meiner Zelle passen würde.
«Danke, mein Freund», rief ich zum Raben hinauf, was Korak mit einem lauten «Kroak!» erwiderte. Bis später.
Metallbeschlagene Stiefel näherten sich jetzt der Tür meiner Zelle und nur Sekunden später guckte das bärtige Gesicht des Zwerges durch die Gitterstäbe, der momentan Dienst hatte. Ich kannte ihn schon und starrte ihn jetzt genauso entnervt an, wie er mich. Schliesslich machte er sich schlurfend auf den Rückweg zur Wachstube. Die Wachen mussten mich allesamt für übergeschnappt halten, doch sei's drum. Jetzt hatte ich einen Schlüssel und bald war ich hier raus. Und dann würde mich dieses einsame, vermutlich dunkelste Loch im einsamem Berg nie wieder sehen – nach drei Monaten war das höchste Zeit.
Ich setzte mich wieder in die Ecke meiner Zelle und wartete ab, wie Korak es mir empfohlen hatte. Es dauerte Stunden bis endlich die Sonne hinter dem Horizont versank und meine Zelle in vollkommene Dunkelheit tauchte. Das einzige Licht, das ich jetzt noch sehen konnte, der Schein der Laterne in der Wachstube, wo zwei Zwerge zusammensassen, hin und wieder nach den Gefangenen sahen und sonst würfelten. So leise wie ich es vermochte, was sehr leise war, schlich ich zur Zellentür und schob den Schlüssel ins Schloss, was gar nicht so einfach war, wenn man selbst auf der Seite der Tür ohne Schloss stand. Dann drehte ich ihn und ein leises 'Klick' erklang, als der Riegel zurückschnappte. Ich hielt inne und lauschte. Hatten die Wachen etwas gehört? Aber keiner der Zwerge machte Anstalten aufzustehen und herzukommen. Sehr gut, jetzt durfte einfach die Tür nicht quietschen. Aber auch diese Befürchtung stellte sich als unnötig heraus, die Zwerge vom Erebor hielten ihre Türen gut instand, auch die zu den Zellen. Ich schlüpfte hinaus und schloss hinter mir ab, dann steckte ich mir den Schlüssel in die Tasche meines Wams. Vielleicht konnte ich ihn ja noch einmal gebrauchen. Nun kam der schwierige Teil: Ich musste unbemerkt an den Wachen vorbeikommen und gleichzeitig meine Habe aus der Wachstube holen. Ich brauchte eine Ablenkung, nur was für eine? Unterdessen hatte ich mich immer weiter der Wachstube genähert und konnte jetzt, selbst immer noch im Dunkeln verborgen, den Raum einblicken. Ein Tisch, drei Stühle, zwei davon besetzt, ein deckenhohes Regal, in dem alles mögliche lag, darunter auch mein Hab und Gut. Vermutlich gehörte der Rest den anderen bedauerlichen Gästen in den Zellen. Nur wie kam ich da ran? Ich drückte mich so nah wie möglich an die Wand, während ich nachdachte. Vielleicht konnte ich die beiden Wachen aus der Wachstube locken, wenn es in den Zellen Radau gab? Wahrscheinlicher war jedoch, dass ... Plötzlich kam mir eine Idee, ob sie gut war, würde sich noch zeigen, aber gefährlich war es auf jeden Fall.
DU LIEST GERADE
Die blaue Zauberin (LotR FF)
FanficEine Herr der Ringe Fanfiction einmal anders Cal wird von ihrem Vater, dem blauen Zauberer Alatar, aus Cuivienen fortgeschickt nach Westen, um dort eine Istari zu werden. Doch die Reise verläuft nicht wie geplant: aus den Fängen der Orks geht es dir...