T H I R T Y S E V E N

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Alle zusammen gingen wir rein. Lewis stellte meine Koffer im Eingangsbereich ab, überall hingen Bilder von früher. „Danke, Lewis." Ich schaute ihn lächelnd an und führte ihn dann ins Wohnzimmer, wo es sich mein Opa bereits auf einem Sessel gemütlich gemacht hatte. Wir setzten uns auf die altbackene Couch, die den Vorteil hatte, dass sie für immer extrem gemütlich bleiben wird. Ich weiß noch wie ich als Kind über die Lehne geklettert bin und versucht habe nicht auf der anderen Seite runter zu fallen, funktioniert hat das leider nicht immer... Während meine Oma in der Küche Kaffee aufsetzte, unterhielten sich mein Großvater und Lewis angeregt. Um was es ging bekam ich schon sehr bald nicht mehr mit, da ich mir die Kopfhörer aufsetzte und mich mit meinem Handy beschäftigte. Es war komisch, ungewohnt, hier zu sitzen, in der kompletten Stille und das Leben ohne Ton zu beobachten. Es wirkte so leer und lieblos.

Plötzlich stieg mir der Geruch von Oma's Kaffee in die Nase, mit einem Schlag waren alle negativen Gedanken vergessen und ich inhalierte den Geruch meiner Kindheit. Wenn wir uns hier als Familie zusammengefunden haben, meine Eltern Kaffee tranken und ich mir mit Kuchen den Magen voll schlug. Wie gerne ich zurück in diese Zeit möchte, noch einmal als Kind hier sitzen und meinen Eltern dabei zuschauen, wie sie stolz von meinem guten Zeugnis geredet haben. Und jetzt ist es Lewis der hier saß, sich mit meinem Opa über 'Männersachen' unterhielt und freudig lächelte als Oma ihm den Kaffee unter die Nase stellte. Ich nahm die Kopfhörer ab und nickte eifrig, als mir die ältere Dame ebenfalls Kaffee anbot.

„Na dann erzählt mal, wie habt ihr euch denn kennengelernt?" Mein Blick schwang zu Lewis, der mich ebenfalls kurz ansah und noch bevor er irgendwas sagen konnte, übernahm ich das antworten. „Über meinen Vater." Ich nahm die Tasse in beide Hände. In meinem Kopf spielten sich die Szenen ab, wie wir uns wirklich kennengelernt haben. Die Straße, das Geräusch der Bremsen, seine Unfreundlichkeit. „Und wie lange seit ihr schon, naja, ihr wisst schon..." Kicherte mein Opa, was mich etwas verwirrte. Ich sah zu meiner Oma, die ebenso gespannt auf eine Antwort wartete und dann verstand ich, auf was er hinauswollte. „Oh, ach so. Wir sind kein Paar, wir sind nur Freunde." Gab ich den beiden Senioren lächelnd zu verstehen und nippte dann an dem immer noch sehr heißen Kaffee. Meine Oma stieß einen enttäuschten Laut aus. „Ihr würdet aber ein sehr süßes Paar abgeben..." Auf die Lippen meines Opas schlich sich ein verdächtiges Schmunzeln, auf welches ich nicht weiter eingehen wollte. Und während ich versuchte dem Augenkontakt zu einem von den beiden aus dem Weg zu gehen, entging mir nicht, dass auch Lewis mich ansah und Schmunzeln musste. Warum genau er das jetzt so lustig fand, war mir nicht ganz klar, aber Nerven mich damit zu beschäftigen, hatte ich auch nicht. Stattdessen versuchte ich das Thema zu wechseln indem ich die beiden fragte, was denn ihre nächsten Urlaubspläne sind.

Euphorisch fingen sie an von Schweden zu erzählen, wo wohl ihre nächste Reise hingegen wird. Sie berichteten davon wie schön die Natur dort wohl sein muss, von den netten Menschen und anderen Dingen, die ich aber nicht mehr bewusst mitbekam.

Meine Gedanken drifteten unwillkürlich ab und ich konnte ihnen einfach nicht mehr zuhören. Ihre ohnehin schon gedämpften Stimmen rückten immer mehr in den Hintergrund meiner Wahrnehmung, je länger sie redeten. Irgendwann konnte ich nicht mehr als zu Nicken, egal was sie sagten. Aber sie waren so in ihrem Wahn, dass sie gar nicht bemerkten, dass ich eigentlich gar nicht mehr anwesend war. Offensichtlich war es nur Lewis, der das bemerkte und mich mit einer leichten Berührung an meinem Arm zurück in die Realität verfrachtete.

Meine Großeltern hielten derweil Händchen und sahen dabei so glücklich aus. Mein Herz zerfiel bei dem Gedanken, womöglich niemals diesen Punkt des Lebens zu erreichen. Denn mehr wollte ich doch gar nicht. Ich wollte nur jemanden, mit dem ich, wenn wir alt sind auf der Couch sitzen - und über die verschiedensten Dinge schwärmen kann. Ich brauchte jemanden, der mich hält wenn es mir schlecht geht. Jemand der immer für mich da ist und den Schmerz mit mir teilt. Und ich wünschte mir, dass dieser jemand Lewis wäre, auch wenn ich wusste, dass er es niemals sein wird. Wir sind einfach viel zu verschieden, viel zu impulsiv und vor allem anderen sind wir viel zu sehr in unserem Wahn des Hasses gefangen.

Wir streiten über alles, machen uns gegenseitig kaputt. Das kann unmöglich Liebe sein... Aber ich hatte diesen Wunsch, und ich konnte ihn nicht einfach aus meinem Kopf streichen. Ich konnte versuchen so zu tun, als ob er nicht da wäre, aber tief in meinem inneren, wird er immer existieren. Und wenn ich Lewis in die Augen schaue, fällt es mir schwer zu unterdrücken was da eigentlich ist, ein Gefühl welches danach schreit, diesen Körper zu berühren. Ein Impuls, der mich dazu verleitet, einen Schritt auf ihn zu zugehen, die Lücke zwischen uns kleiner werden zu lassen. Glaubt mir bitte, wenn ich sage, dass ich es eigentlich nicht will. Ich kann es nur nicht ändern...

Toxic Love - When hate becomes Love | Lewis Hamilton FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt