Mein Herz klopfte. Stark und unkontrolliert. Nicht aber weil ich gerannt bin oder etwas dergleichen. Nein, es war die reine Ungewissheit, die mich in diesen Zustand brachte. Ungewissheit darüber, was gleich passiert, was mein Vater von mir möchte. Aus seiner Nachricht, die so viel beinhaltete wie 'Ich warte in meinem Büro auf dich, wir reden wenn das zweite Training vorbei ist!' Konnte man nicht sonderlich viel entnehmen. Ich wusste also nicht ob er wusste, was letzte Nacht vor sich gegangen ist. Und ich wusste auch nicht, über was er reden wollte.
Mithilfe meiner Paddock Karte verschaffte ich mir Zutritt zum Gelände. Im Moment waren nur wenige Leute hier unterwegs. Keine Fotografen oder Ähnliches, nur ein paar Mitarbeiter, die gelegentlich an mir vorbei liefen und mich freundlich grüßten.
Ich betrat das Mercedes MotorHome. Und da war es wieder, dieses Rauschen in meinen Ohren. Das gleiche wie vorhin, als ich mit Lando und Max geredet habe. Es war wieder da und diesmal sogar noch lauter und penetranter als davor. Als hätte ich Watte auf den Ohren, so war es. Jede Begrüßung ging an mir vorbei, die Lippen der Leute bewegten sich ohne einen einzigen Ton von sich zu geben. Aber ich ließ mich davon nicht ablenken und so ging ich hoch zu dem Büro von meinem Vater. Vor der Milchglastür blieb ich stehen, atmete tief durch und hoffte auf das Beste. Just als ich die Klinke runterdrückte, verschwand das Rauschen aus meinem Ohr wieder und ließ unangenehme Stille einkehren.
„Du wolltest mit mir sprechen?" Fing ich vorsichtig an, woraufhin der Teamchef von seinem PC aufschaute. „Ja..." Er ließ seinen Rücken gegen die Lehne seines Stuhls fallen. „Es gibt einige Dinge, die wir besprechen müssen." Sein monotoner Blick traf meinen. Ich erschauderte auf der Stelle. Er war sauer, wütend und was weiß ich sonst noch alles. Aber in jedem Fall nicht glücklich. „Als erstes zum Beispiel, warum ich, als ich zuhause angekommen bin, dein Kleid plus Schuhe im Eingang liegend vorgefunden habe. Du hast gesagt, du gehst schon mal nachhause, wo warst du?" Ich schluckte schwer und senkte meinen Blick. Plötzlich erinnerte ich mich wieder. Ich sagte meinem Vater, dass ich nachhause gehe, was natürlich nicht die Wahrheit war, weil ich danach direkt wieder gegangen bin. Ich habe lediglich mein Kleid und meine Highheels, gegen richtige Klamotten und richtige Schuhe getauscht und bin dann wieder gegangen. Soweit ich mich erinnere, waren es Max und Charles, die vor der Haustüre gewartet - und mich dann in irgendeinen Club geschleppt haben.
„Antworte mir." Ich hob meinen Blick wieder und redete dann. „Ich war noch mit ein paar Jungs unterwegs, nichts wildes." Nichts wildes. Wer's glaubt... „Die da wären?" Er sah mich fragend an, woraufhin ich ein paar Namen von den Leuten nannte, an die ich mich erinnerte gestern Abend gesehen zu haben. „Du machst Witze." Er hielt kurz inne. Tat nicht mehr, als mich fassungslos anzuschauen. „Papa, das sind meine Freunde." Erwiderte ich, er schüttelte strickt den Kopf. „Doch und daran kannst auch du nichts ändern. Sie sind meine Freunde, ganz einfach und ich kann mit ihnen machen was ich will!" Im wahrsten Sinne des Wortes... Dachte ich nur, während mein Dad anfing seine immer wiederholende Leier runter zu reden. „Livia, hier geht es nicht um dich. Was glaubst du wohl, was die Presse denkt, wenn du mit denen unterwegs bist?" Seine Stimme wurde lauter. Aber er machte mir keine Angst, das tat er noch nie.
„Hör auf Papa!" Zischte ich, doch er machte weiter. „Nein, ganz sicher nicht. Es geht um unser Ansehen, unseren Eindruck nach außen, verstehst du? willst du schuld sein-" Ich unterbrach ihn. „Hör auf!" Schrie ich. Überrascht fuhr er zurück. „Hör auf, okay? Natürlich geht es um mich. Es sind meine Freunde" Mit dem Zeigefinger tippte ich auf meine Brust. „Du hast mir schon meine anderen weggenommen, also lass es. Außerdem kannst du dir dein scheiss Ansehen sonst wohin stecken, es interessiert mich nämlich nicht, okay? Ich mache was ich will und wenn's dir nicht passt, dann hast du Pech. Hör auf mir zu sagen, was ich zu tun und zu lassen habe!"
Ich verstummte. Meine anfangs laute Stimme, verlief sich in dem leisen Ticken der Uhr. Niemand sagte etwas. Er sah mich entgeistert an, was ich nicht so recht verstand. Ich meine, was hat er erwartet? Dachte er, er könnte mir mein Leben zerstören, mir meine ganzen Freunde wegnehmen und denken ich wäre damit einverstanden? Dass es mich nicht stört? Wie naiv muss man sein, um so zu denken? Aber warum wundert mich das überhaupt? Ich meine, er ist in so vielen Situationen naiv, auf so vielen Ebenen blind, dass er gar nicht sieht, was direkt vor seiner Nase ist. Er sieht nur noch seinen Job und die krampfhafte Vorstellung davon, er könnte mich da mit reinziehen.
Ich machte kehrt, war gerade im Inbegriff die Türklinke runter zu drücken, da hielt er mich zurück. „Livia!" Rief er und ich blieb stehen. Als ich mich wieder umdrehte, war er aufgestanden. „Du bist 17 Jahre alt, ich kann also immer noch entscheiden mit wem du wann wohin gehst!"
„Wirklich?" Ich lachte kurz auf. Er ist tatsächlich noch naiver als ich dachte. „Ja." In seinem Blick lagen kaum Gefühle. Er war monoton. So gut wie leer. „Ich bin immer noch dein Vater." Ich rollte mit den Augen und verschränkte die Arme vor meiner Brust. „Du brauchst auch gar nicht so dickköpfig sein. Es ist einfach so, du bist meine Tochter und deshalb kann ich sehr wohl entscheiden mit wem du dich abgibst. Akzeptier es einfach." Er wandte sich wieder seinem Schreibtisch zu und ließ sich anschließend zurück auf seinen Stuhl sinken. Ungläubig sah ich ihm nach, meine Arme lösten sich dabei wieder und fielen selbstständig neben meinem Körper runter. Mit einem kräftigen Ruck, rollte er zurück an den Tisch, wo er seine Arbeit am PC fortführte. Exakt, er ignorierte mich und das, was er angerichtet hat. Mein Herz blutete, Wehmut floss durch meine Adern. Wie konnte er so kalt sein?
Wie konnte es ihn so wenig interessieren, was ich eigentlich möchte?„Gut, wenn das so ist." Fing ich an. „Ich habe Max geküsst. Ich war bei ihm, letzte Nacht." Der schockierte Blick meines Vaters fuhr zu mir. In seinen Augen lagen die Worte, die er sagen wollte aber es nicht tat. „Du hast richtig gehört. Akzeptier es, oder ich werde diese ganze scheiße hier nicht länger mitmachen." Er sagte nichts, auch einige Momente später nicht, weshalb ich nach der Türklinke griff, diese runter drückte und ging.
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Toxic Love - When hate becomes Love | Lewis Hamilton FF
FanfictionWie soll etwas gut werden, wenn du das bittere Ende bereits kennst? ~ „Warum kann es nicht einfach funktionieren?!" Ihr Wimmern verging in der Dunkelheit. Als wäre es nie da gewesen. Stille war die Antwort. Nichtsbedeutende Worte? Natürlich bedeutet...