Kapitel 2 - der Tag geht weiter

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„Geht es allen gut?", war die nächste Frage der älteren. Die jüngere ließ ihr eines Bein über die Armlehne ihres Stuhls hängen und zog das andere zu sich auf den Sitz. „Marie hat seit heute morgen nicht mehr ihr Zimmer verlassen und Steph ist zu Decks geflüchtet.", war die kurze Antwort. Ivory nickte nur und ließ Ellie sich bei ihr im Schoß zusammenrollen.

Maria Estelle hatte oft ihren eigenen Kopf und war vor dieser ganzen Sache hier eine unabhängige Einzelgängerin im Dorf gewesen. Deswegen fiel es ihr oft noch schwer sich den anderen gegenüber richtig zu verhalten, besonders Mallory war, was ihre Privatsphäre anging, sehr empfindlich. Da kam es schonmal zu dem ein oder anderen Konflikt. Wenn eine der beiden Siebzehnjährigen dann noch ihre Tage hatte, wurde alles nur noch schlimmer. Aber es wurde mit der Zeit besser und es war nicht so, dass sie sich jemals so sehr in die Haare bekommen hätten, dass ein guter Kompromiss nicht mehr möglich gewesen wäre.

Elizabeth war im Gegensatz zu den beiden aufbrausenden Persönlichkeiten ein Engel. Mit ihren vierzehn Jahren war sie die jüngste der sechs Rudelmitglieder und wurde entsprechend von allen sehr beschützt und bemuttert. Ging es ihr schlecht, so ging es auch allen anderen schlecht - das war eine Tatsache. Mit ihrer blumigen kindlichen Persönlichkeit war sie der Sonnenschein der Truppe. Es war unmöglich, sie nicht ins Herz zu schließen. Stephanie sah sich als ihre große beschützerische Schwester an, weil sie beide erst vor einem Jahr ins Reservat gezogen sind und somit eine ähnliche Vergangenheit hatten. Dementsprechend gehörten sie zu den wenigen im Dorf, die nicht die typische Bräune und schwarzen Haare aufweisen konnten. Ellie hatte sehr helle Porzellanhaut, feuerrote wilde Locken und jede Menge Sommersprossen im Gesicht, wobei ihre Haut langsam aber sicher dunkler wurde, was bei der vielen Zeit, die die Mädchen draußen verbrachten, kein Wunder war. So war auch Stephanies Haut schon leicht gebräunt, aber ihre schulterlangen blonden Haare und die strahlenden blauen Augen konnte ihr keiner nehmen. Mit knappen neunzehn Jahren war sie die zweitälteste im Rudel.

Das Trommeln sich nahender Pfoten auf dem Waldboden ließ die drei Mädchen alarmiert aufschauen. Schon brach eine bärengroße sandfarbene Löwin aus dem Dickicht und lief in weiten Sprüngen über die Wiese auf die beiden Mädchen und die Katze in Ivorys Schoß zu. Beim letzten Sprung verwandelte sie sich im Flug in ein großes schlankes, doch sportlich gebautes Mädchen mit blonden Haaren und blauen Augen. Schnell suchte sie sich eine Shorts und ein Bikinioberteil aus einer Kiste nahe der Terrasse und erklärte währenddessen entspannt: „Hallo, Raven, Ellie, Rory. Alles in Ordnung an der Grenze. Ich war gerade eine Runde laufen. Decks hat mir diesen Brief hier für dich mitgegeben, Rory. Soll wohl von deiner Schwester sein." Damit hielt die Blondine Ivory einen weißen Umschlag hin, den sie dankend annahm, „Danke, Steph.", und öffnete:

Liebste Schwester,
Ich weiß, dass du momentan sehr viel zu tun hast, wie eigentlich immer seitdem du ein Rudel führen musst, aber ich gehe in einer Woche Leah und Seth besuchen und würde mich freuen, wenn du mitkommst.
Du weißt, wie gern sie dich haben, besonders Leah, und bestimmt schon vermissen.
Außerdem erwarten Mum und Dad dich Samstag zum Abendessen.
Ich - wir vermissen dich. Du bist kaum noch da. . .

Ich freue mich schon auf morgen!
Deine dich über alles liebende Schwester,
Emily

PS: Du brauchst dringend ein Handy!

Schmunzelnd und kopfschüttelnd las Ivory den Brief gleich zweimal. Natürlich vermisste sie ihre Schwester und ihre Familie auch, aber als Anführerin eines Katzenrudels voller pubertierender Mädchen blieb nicht viel Zeit für die eigenen Blutsverwandten. Doch sie wusste, das würde sie von nun an ändern. Die Mädchen kamen alle ganz gut miteinander aus, hatten ihre Verwandlungen im Griff und Steph könnte sie sicher auch öfter vertreten. Im Notfall konnte Ivory ja immer noch einschreiten und sowieso wäre sie die meiste Zeit ihres Tages hier bei ihren Mädchen. Deswegen verabschiedete sie sich mit einem schnellen „Bis gleich!" bei Raven, Steph und Ellie, holte sich die Schüssel für ihren dunkelblauen pick up Truck und fuhr damit ihre Schwester, Emily Young, besuchen.

Die anderen drei machten es sich währenddessen wieder auf den Gartenstühlen gemütlich. Steph las ein Buch, was sie auf einem der Stühle gefunden hatte, Raven vertiefte sich in ihr Handy und Ellie döste eingerollt in ihrer Katzengestalt auf dem Stuhl vor sich hin.

Raven, eigentlich Raylin Veronika, war die zweitjüngste im Rudel, aber auch die erwachsenste, mal abgesehen von Ivory bzw. Rory. Sie hielt sich aus Streitigkeiten heraus, besaß eine ruhige Natur und immer ein offenes Ohr für die Probleme anderer. Über sie selbst erfuhr man allerdings eher weniger. Nur wer sie wirklich gut kannte, wusste von ihrer draufgängerischen verrückten Art. Passender Weise war ihr Lieblingshobby, abgesehen vom schnellen Rennen durch den Wald als bärengroßer schwarzer Panther mit leuchtenden grünen Augen und messerscharfen Krallen an jeder Pfote, Klippenspringen. Der Adrenalinkick packte sie jedesmal aufs neue und sie konnte einfach nie genug davon bekommen. Als Gestaltwandler mit übermenschlichen Fähigkeiten, wie zehnmal bessere Sicht als ein normaler Mensch, besseres Gehör, sowie übermenschlicher Kraft und beschleunigte Heilung, hatten alle sechs Großkatzen ihren Spaß daran gefunden, doch Raven würde es auf Ewig am meisten lieben.

Hund und Katze - Twilight FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt