12 - Matjesgeschwader - Teil 4

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Ermattet lag Schrödinger da. Er konnte noch immer nicht ganz begreifen, was sich auf dem Kirchhof zugetragen hatte. Wieder und wieder spielte er in Gedanken diese eine letzte Szene durch, die eher für das Drehbuch für einen schlechten Horrorfilm geeignet gewesen wäre, wenn er es nicht besser gewusst hätte. Leider war das Mystery-Drama nur zu real und kein Alptraum, denn in dem Augenblick, als Brück den Friedhof durch den Seiteneingang betreten hatte, waren mehrere Dinge gleichzeitig geschehen.

Weder Giulia noch der Geschäftsmann hatten das in den nächsten Sekunden losbrechende Inferno kommen sehen, und mit schreckgeweiteten Augen angesichts der auf ihn zustürmenden Furie war dieser beim Zurückweichen ins Straucheln geraten. Ob es an einer heimtückischen Wurzel lag, dass er gestolpert war, oder daran, dass Giulia nach seinem Schal gegriffen und ihn gleichzeitig mit aller Kraft von sich gestoßen hatte, konnte Schrödinger im Nachhinein nicht genau sagen. Doch an eines erinnerte er sich genau: an den Blitz, der just in dem Moment aufflammte, als Brück zu Boden ging, und an das Gleißen, das das den Kirchhof in ein grellweißes, bläulich-kaltes Licht tauchte und ganz Bali überstrahlte. Vor diesem Hintergrund hatten sich die beiden Silhouetten der Engel überdeutlich und messerscharf als schwarze Scherenschnitte abgezeichnet.

In letzter Sekunde hatte Schrödinger Giulia zurückreißen und an sich ziehen können, dann war auch er mit ihr zu Boden geschützt. Um sie vor dem grauenhaften Anblick zu schützen, hatte er ihr instinktiv die Augen zugehalten. Ihm war kaum Zeit geblieben, das Erlebte zu begreifen, denn schlagartig war das unangenehm grelle Strahlen erloschen, und über den Kirchhof hatte sich eine noch nie zuvor dagewesene Stille gelegt.

Ja, waren denn alle wahnsinnig geworden? Als sie über den Kirchhof ausgeschwärmt waren, hatten sie nicht ahnen können, welches Ausmaß der Zerstörung dort auf sie warten würde: ein unzusammenhängendes Zeug faselnder Schrödinger, der Giulia Millefio...

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Ja, waren denn alle wahnsinnig geworden? Als sie über den Kirchhof ausgeschwärmt waren, hatten sie nicht ahnen können, welches Ausmaß der Zerstörung dort auf sie warten würde: ein unzusammenhängendes Zeug faselnder Schrödinger, der Giulia Millefiore eng umschlungen hielt und die leichenblasse Frau nicht loslassen wollte. Die wiederum umklammerte krampfhaft einen roten Schal oder vielmehr das, was davon noch übrig war. Gehört hatte er Harry Brück, doch der war spurlos verschwunden.

Ein Blitz, und er war weg gewesen? Kopfschüttelnd war Sönke Feddersen in die Hocke gegangen und begutachtete das Häuflein Asche zu den Füßen der einander zugewandten Engel. Ein Antlitz so leer, steinern und tot wie das andere. Wie sie dort hingekommen waren, war für ihn vorerst nebensächlich. Das würde warten müssen. Doch was den Tatort betraf, konnte es nur eine Erklärung geben: Harry Brück weilte nicht mehr in dieser Dimension. Asche und ein halbaufgelöster Wollschal, mehr war von dem Mann nicht mehr übrig.

Verrückt geworden, diesen Gedanken hatte auch Maren, als sie auf ihrem Anrufbeantworter eine neue Kaskade von Anrufen ihres lästigen Verehrers vorfand, kaum dass sie die alten gelöscht hatte

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Verrückt geworden, diesen Gedanken hatte auch Maren, als sie auf ihrem Anrufbeantworter eine neue Kaskade von Anrufen ihres lästigen Verehrers vorfand, kaum dass sie die alten gelöscht hatte. Das Fass zum Überlaufen brachte schließlich der Briefkasten, in dem sich die Liebesbriefe förmlich stapelten. Verehrung war das Eine, aber dieses Theater ging nun eindeutig zu weit, und je eher sie diesem Stalker Einhalt gebot, desto besser. Und sie wusste auch schon genau, an wen sie sich zu wenden hatte, um eine Verfügung gegen Andrés zu erwirken.

 Und sie wusste auch schon genau, an wen sie sich zu wenden hatte, um eine Verfügung gegen Andrés zu erwirken

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Wie seltsam, sagte sich Schrödinger, als die Nachrichten verklungen waren. Was es wohl mit dem Nachlassen der Aktivitäten des von FAST in Peking beobachtetem FRB 121102 auf sich hatte? Seit der Überrest der Supernova immer seltener in den Nachrichten erwähnt wurde, hatte sich auch der Himmel über Bali wieder normalisiert. Oder war es genau anders herum? Dagegen war die Frage, ob zuerst die Henne oder das Ei dagewesen war, ein leicht zu lösendes Rätsel, denn in Bali hatte nicht nur der Himmel verrückt gespielt.

Und da sage noch einer, die Sterne – mochten sie auch noch so weit von uns entfernt sein – hätten keinen Einfluss auf uns. Selbst Tiere waren da sensibler, und die brauchten noch nicht einmal einen Schutzengel, um sich vor nahenden Katastrophen in Sicherheit zu bringen. Schutzengel... nanu, wo kam das denn auf einmal her?

Anscheinend saß der Schock über die vergangenen Ereignisse immer noch tief und ließ ihn an Dinge denken, denen er noch vor einem halben Jahr keine Beachtung geschenkt und ins Reich der Mysterien verbannt hätte. Die Engel, sie ließen ihn nicht mehr los, beschäftigten ihn noch in seinen Träumen. Doch da war noch etwas anderes. Einer seiner Fälle, bei dem weder er noch Interpol weitergekommen waren: LARA – die Akte, der Frau, die nicht viel redete, seit man sie dingfest gemacht hatte.

Ohne Anwalt – ohne Worte, abgesehen von den an einer Hand abzählbaren Momenten, in denen sie einen Engel erwähnt hatte; die Akte, die er seit seiner Ankunft in der Heidekate kaum angerührt hatte. Bis jetzt.

Es war an der Zeit, diesen Zustand zu ändern.


Auf Eis gelegtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt