09 - Matjesgeschwader - Teil 1

9 1 0
                                    


Die Vögel zum Singen zu bringen, wie Nowitzki sich so unfein ausgedrückt hatte, war gar nicht so leicht gewesen. Erst eine Schriftprobe hatte Nowitzkis Leuten die nötige Gewissheit verschafft, um den Missetäter festzunageln.

„Wir wissen, dass Sie den Brief nicht geschrieben haben, Herr Gabriel", stellte Feddersen den Juniorchef vor vollendete Tatsachen. „Also raus mit der Sprache!" Doch der Verhörte gab sich immer noch zugeknöpft. Nicht ohne meinen Anwalt? Ach ja, die alte Leier! Das kam dabei heraus, wenn man mit Verdächtigen „Guter Cop, böser Cop" spielte. Na gut, sollte Mattes Gabriel ruhig nach einem Anwalt verlangen. Auf Zeit spielen konnte Feddersen ebenfalls. Vielleicht kam ja die Fuchs als „die Gute" bei Gabriel senior weiter.

Ihr war zwar noch immer schleierhaft, warum Heinrich Gabriel Ernas Mann bedroht hatte

Hoppla! Dieses Bild entspricht nicht unseren inhaltlichen Richtlinien. Um mit dem Veröffentlichen fortfahren zu können, entferne es bitte oder lade ein anderes Bild hoch.

Ihr war zwar noch immer schleierhaft, warum Heinrich Gabriel Ernas Mann bedroht hatte. War der selbsternannte Moralapostel etwa hinter Unregelmäßigkeiten in Erwin Kinds Steuerbüro gekommen? Oder hatte er andere Schwachstellen ausgekundschaftet, um den Steuerberater unter Druck zu setzen? Wer weiß, was der Alte mit seinem Fernglas noch alles anstatt des herbstlichen Vogelflugs beobachtet hat, ging Maren im Geiste alle Möglichkeiten durch. Angefangen vom Aufschreiben von Falschparkern bis hin zu unmoralischen Entgleisungen. Dass Erwin einen historischen Roman über seinen Heimatort schrieb und Heinrich ihn beim Festhalten biografischer Notizen ausspionierte, verbannte sie ins Reich der Fantasie. Dennoch: An sein Mitgefühl mit dem Verstorbenen zu appellieren, hielt sie für sinnvoller, als ihn in die Zange zu nehmen wie Feddersen.

„Wollen Sie nicht endlich Ihr Gewissen erleichtern? Als Mann mit Prinzipien haben Sie seinen Tod bestimmt nicht gewollt. Ich weiß: So kalt sind Sie nicht. Vielleicht wollten Sie ihm auch nur ein wenig Angst machen, und dann ist die Sache aus dem Ruder gelaufen..."

Sie spürte, dass sie ihn gleich soweit hatte und legte noch eine Schippe drauf.

„Ich weiß, es ist nicht leicht, über seinen Schatten zu springen und den falschen Stolz zur Seite zu schieben, aber ich glaube, Ihnen geht sein Tod stärker an die Nieren, als Sie sich eingestehen möchten. Sonst wären Sie wohl kaum zu dem Trauercafé gegangen..."

Gabriels Gesicht sprach Bände, doch dass er mit einem undefinierbaren Laut aufschrie und die Hände vor sein Gesicht schlug, verblüffte sie dann doch. Mit so einer heftigen Reaktion des Alten hatte sie nicht gerechnet.

„Erwin, Erwin...", stöhnte er gequält auf. „Ach, was wissen Sie denn!"

Was dann folgte, verschlug ihr die Sprache. Männliche Dinosaurier kümmern sich um ihren Nachwuchs? In Heinrich Gabriels Fall war es wohl eher anders herum. Natürlich war der Brief nicht für Erwin bestimmt gewesen, sondern für Silvia, seine Schwiegertochter. Schon lange hatte er sie im Verdacht, fremdzugehen. Auffallend oft hatte sie behauptet, am Strand spazieren zu gehen, bis er ihr eines Tages aus sicherer Entfernung nachgeschlichen war und sich mit seinem Fernglas in der Baracke verschanzt hatte. Freie Sicht auf Silvia und ihren Liebhaber. Doch ob es so eine gute Idee war, Mattes ihren Fehltritt, und dann auch noch ausgerechnet mit dessen größtem Konkurrenten, brühwarm zu berichten, so eifersüchtig? Nein, er hatte eine viel bessere Idee. Die richtigen Worte, eindringlich zu Papier gebracht, würden Silvia schon auf den Pfad der Tugend zurückführen...

Auf Eis gelegtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt