Kapitel 60

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03.05.2015|17:00|Innsbruck

'Was hast du gestern so gemacht?' frage ich Max, mit dem ich gerade skype. 'Naja, ich hatte nicht viel Zeit, weil ich morgens zum Training musste und am Nachmittag das Spiel gegen Stuttgart war! Und du?' antwortet er. 'Meine Schwester hatte Geburtstag und ich war fast den ganzen Tag bei ihr!' erzähle ich. 'Wie alt ist sie geworden?' '22! Jahrgang 93!' Ich überlege gerade wie ich am besten fragen soll, aber im Grunde ist es auch egal. 'Max, was ist das zwischen uns?' frage ich. 'Keine Ahnung! Wir sind Freunde, glaub ich!' meint er. 'Gut. Und ich bin eine gute Freundin wie alle anderen?' frage ich genauer nach. 'Nein, du bedeutest mir mehr als irgendeine Freundin! Aber das siehst du ja anscheinend anders!' sagt er. 'Ich mag dich wirklich, aber eben als guten Freund und nicht mehr! Es tut mir echt Leid!' entschuldige ich mich. 'Greta, ich hab da kein Problem mit! Man kann nicht bestimmen in wen man sich verliebt und in wen nicht!' lacht er. Mich überrascht wie entspannt er damit umgeht. 'Weißt du, ich hab gestern mit Stefan gesprochen und nach dem gestrigen Gespräch, habe ich entschieden, dass ich nächste Woche nicht wieder zu euch nach Gelsenkirchen fahre!' sage ich. 'Schade! Warum?' fragt er. 'Naja, ich muss einfach ein bisschen nachdenken und dafür brauch ich eben Ruhe! Außerdem muss ich noch für die nächste Prüfung lernen!' erkläre ich als meine Mutter ins Zimmer kommt. 'Greta, der Franz ist am Telefon! Es ist wichtig!' sagt sie. 'Der Franzl Gänner?' frage ich und sie nickt. 'Was ist?' melde ich mich am Telefon. 'Mehrere Touristen sind am Winnebacher Weißkogel zur Zeit der Sprengungen klettern gewesen! Jetzt gibt es folgendes Problem: Adriana ist nicht hier und wir brauchen jemanden, der für sie einspringt und wer kennt sich in den Bergen der Umgebung besser aus als du? Wärst du bereit zu helfen?' fragt er. 'Klar! In fünf Minuten bin ich da!' bestätige ich und gebe meiner Mutter das Telefon zurück. 'Max, ich ruf dich an wenn ich wieder da bin!' meine ich und klappe den Laptop zu, bevor ich mich umziehe und mit meinem Rucksack, indem die gesamte Ausrüstung verstaut ist, in Richtung Haustür renne. 'Papa, kannst du mich zur Bergwacht fahren?' rufe ich. 'Klar' antwortet er und nach kurzer Zeit bin ich dann auch an der Zentrale angekommen. 'Pass auf dich auf!' sagt mein Vater und hat wieder diesen besorgten Blick, als ob ich ein Kleinkind wäre! 'Papa, es geht darum diesen Leuten zu helfen und nicht um mich! Ich werd alles tun um zu helfen, auch wenns gefährlich wird, du kennst mich!' meine ich und renne zum Hubschrauber, der nachdem ich eingestiegen bin auch sofort startet. 'Was genau ist jetzt passiert?' frage ich Peter, der gegenüber von mir sitzt. 'Heute morgen um 7 Uhr ist eine Gruppe Touristen, bestehend aus zwei Männern, zwei Mädchen, einer Frau und einem Jungen, ohne jegliche vorahnungen auf die Sprengungen zu einer klettertour aufgebrochen! Es war geplant dass sie spätestens um 14 Uhr zurück sein wollten! Um 10 Uhr waren die Sprengungen und dementsprechend auch die großen Lawinen von von die Gruppe erfasst worden sein könnte! Alle sechs Personen werden vermisst!' antwortet er. 'Und es ist auch Hilfe aus den umliegenden Gemeinden auf dem weg, oder?' erkundige ich mich. 'Es werden so ca. 100 Helfer erwartet!' sagt er. 'Zwei der Kinder sind noch keine 8 Jahre alt!' erzählt Nicole. 'Ehrlich? Ich find das immer do dermaßen schlimm, wenn Kinder betroffen sind!' meine ich. 'Hoffen wir mal, dass wir noch früh genug da sind!' sagt Franz. Nach ein paar Minuten sind wir angekommen und gehen los.

Es ist fast 21 Uhr, als Socke plötzlich eine Spur findet. Socke ist ein Suchhund und fast bei jedem Einsatz dabei. Nicole und Peter sind als erstes an der Stelle. 'Könnte da was sein?' frage ich. 'Ja, kann sein! Die Messgeräte zeigen an, dass irgendwas warmes im Schnee ist!' antwortet Peter. So schnell es geht graben wir den Schnee an die Seite und finden tatsächlich ein Mädchen das ich so auf ca. 6 Jahre schätzen würde. 'Sie ist stark unterkühlt, und uns bleibt keine Zeit! Der Helikopter würd nur noch mehr Lawinen auslösen!' sagt Nicole. 'Dann fährt Greta sie nach unten!' meint Peter, während Martin den Transportschlitten fertig macht und mit Nicoles Hilfe das Mädchen aus dem Schnee in den Schlitten hebt. 'Ich bin noch nie mit dem Schlitten Skigefahren' gebe ich zu. 'Greta, du kennst das Gelände hier wirklich gut und ich kenne niemanden, der so fahren kann wie du, also bitte! Du bist am schnellsten und wenn du nicht alles gibst ist es vielleicht zu spät! Wir sind alle, außer dir, zu langsam! Wir wären nicht rechtzeitig da!' überredet mich Nicole. 'Okay, ich machs!' stimme ich zu. Mit einem etwas mulmigen Gefühl fahre ich los, aber wenn es nötig ist, werde ich alles versuchen um diesem Kind zu helfen. Wenn irgendwer stirbt, weil ich versage, dann würd ich mir das nie verzeihen. Erstrecht nicht wenn diese Person noch ihr gesamtes Leben vor sich hat. Plötzlich fängt es an zu gewittern. Na toll, es ist stockduster, es schneit, es regnet, es donnert und es blitzt. Außerdem habe ich eine bewusstlose Person dabei, die in Lebensgefahr schwebt. Schlimmer geht's gar nicht.

'Du bist die Greta Schuster?' fragt eine der Ärztinnen unten im Lager. 'Ja, bin ich! Aber ich bin gerade nicht in der Laune für Smalltalk! Dieses kleine Mädchen hier ist halb tot, also tun sie was!' meckere ich. 'Dafür müsste ich wissen was los ist!' gibt sie verärgert zurück. 'Sie wurde von einer Lawine verschüttet. Der Puls ist stabil, aber deutlich verlangsamt. Sie ist auf 28 Grad runtergekühlt. Sie ist warscheinlich durch den Sauerstoffmangel bewusstlos geworden. Außerdem sinkt die Temperatur immer weiter.' erkläre ich und kurz danach wird sie auch schon in den Hubschrauber verladen.

Um 23 Uhr treffen auch die letzten Helfer im Lager ein. 'Wir brauchen sofort einen Helikopter!' ruft einer von ihnen und erst jetzt fällt uns der Mann auf, den sie dabei haben. Warscheinlich der Vater des Mädchens, er sieht ihr mega ähnlich. Aurora, eine andere Ärztin läuft sofort los. 'Leute, es ist zu spät. Er ist tot!' sagt sie und hält sich schockiert die Hände vor den Mund. 'Wir habens nicht mehr geschafft!' ruft einer der vier Typen von der Bergwacht in Seefeld, die den Mann hierher transportiert haben und lässt sich in den Schnee sinken. Die anderen folgen Aurora zum Versorgungszelt. 'Hey, wenn ihr alles gegeben habt um ihn zu retten, wovon ich ausgehe, solltet ihr euch keine Vorwürfe machen! Diese Leute hätten gar nicht erst auf dem Berg sein sollen, wenn sie sich den Gefahren nicht bewusst sind!' sage ich. 'Wir hätten es doch geschafft, wenn ich nicht gestürzt wäre!' schluchzt er. 'Du solltest es so sehen, wer stürzt geht an seine Grenzen und für einen Fremden so weit zu gehen, ist etwas unbezahlbares und eine unglaublich selbstlose Tat!' versuche ich ihm klar zu machen, dass er keine Schuld trägt. 'Ich hab dich noch nie gesehen! Du bist neu hier, oder?' fragt er. 'Ich gehöre gar nicht zum Team! Nur ab und zu helfe ich!' erzähle ich. 'So jemanden wie dich hätte ich nicht vergessen! Ich bin übrigens Jan!' lächelt er. 'Greta' stelle ich mich vor. 'Irgendwie kommst du mir bekannt vor!' meint er nachdenklich. 'Skisprung-Fan?' frage ich. 'Klar!' antwortet er. 'Tja, sagt dir der Name Werner Schuster was?' frage ich jetzt und komme mir vor wie ein neugieriges Kind, das alles wissen will. 'Natürlich' meint er. 'Das ist mein Vater!' sage ich. 'Deine Schwester ist die Freundin vom Schlieri?' fragt er. Ich nicke nur. 'Der alte Ekel!' lacht er, aber das lachen vergeht schnell wieder. Warscheinlich fällt ihm gerade wieder ein, warum wir hier sitzen. 'Hallo? Hilfe!' ertönt plötzlich eine Stimme hinter uns. Ein Mann, ca. 35 Jahre alt, taumelt benommen auf uns zu und fällt plötzlich um. 'Ich hol Aurora!' sagt Jan und rennt los zu den Zelten. 'Hallo? Hören sie mich?' frage ich panisch und knie mich neben dem Mann in den Schnee, aber dieser zeigt keine Reaktion. Das Herz scheint aber normal zu schlagen. Aurora kommt zu mir. 'Er ist nicht ansprechbar, aber der Puls ist normal!' sage ich. 'Geht ihr zu den anderen! Ich schaff das schon!' meint sie.

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