Folge 3 ~3.3~ Der beste Freund im Geiste

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~3.3~

Der Morgen kommt wie immer schneller, als mir lieb ist und obwohl ich erst am späten Nachmittag offiziell den Dienst antreten muss, treibt mich die Unruhe in die Senkrechte. Die Nacht war bescheiden. Meine Träume schwankten zwischen harmlosen Blödsinn und brutalen Märchenadaptionen hin und her. Es gibt in erstaunlich vielen Märchen große böse Vierbeiner. Es endete mit dem allzu realen Gefühl des Atems des schwarzen Tiers in meinem Nacken, dem Schmerz zur Ache zu werden, zu zerfallen und ich schreckte auf. Dieser verdammte Köter. Augen so schwarz und leer, wenn sie ihre Beute beobachten, dass man einzig sich selbst darin sieht, wenn er einen erfasst. Nur sich selbst, mit all den Fehlern und mit jedem Frevel, den man in seinem Leben je begangen hat. Wurden sie rot, als er einen Entschluss fasste? Rot wie der Faden des Schicksals? Weisen sie auf das Ende?

Er ist mit Sicherheit nicht ohne Grund dort.

Ehe ich mich anziehe, mache ich einen Abstecher zum Schreibtisch, starte den Laptop und tippe ‚schwarzer Hund' in den Suchverlauf ein, bevor ich mit Zahnbürste im Mund wiederkomme. Neben etlichen Links zu Hunderassen und Unmengen an Adoptionsportalen gibt es Seiten, die mir das liefern, was ich vermute. In den Mythologien und der Traumdeutung stehen der schwarze Hund für Unheil und bösen Vorahnungen. Nichts anderes schreit mein Gefühl und ich werde damit bestätigt. Allein die Präsenz des Wesens war bedrohlich und schwer gewesen. Ich klicke weiter und lande auf einer Seite, die verweise zu mythologischen Themen zeigt. Der schwarze Hund ist ein erstaunlich hefig auftretendes Bild, auf allen Kontinenten und in vielen Ländern. Er wird auch Dämonen- oder Geisterhund genannt. Eine Seite zieht eine Parallele zu Werwölfen. Ich spüre das unangenehme Ziehen in den Knochen anschwellen und schüttele die Gedanken fort. Trotzdem. Das Unbehagen ging tiefer als das furchterfüllte Urempfinden gegenüber wilden Tieren. Normalerweise tauchen solche Kreaturen nicht aus dem Nichts auf. Böse Omen finden sich häufig in den Verweisen auf katastrophale Ereignisse und Unglücke der Geschichte.

Ich bin mir daher nicht sicher, warum er sich gerade mir gezeigt hat und ob er mit den Boscop-Morden zu tun hat. Ferner noch, stehen die Tollkirsche und der Eisenhut wirklich damit im Zusammenhang? Wenn es wirklich Hexenbeutel sind, dann könnten diese der Grund sein, der die Geister an Ort und Stelle hält. Doch warum sollte man sie an ihre irdischen Körper binden wollen? Was ist die Bedeutung?

Kündigt der schwarze Hund lediglich wie vermutet weitere Opfer an?

Gehört es zu einem Ritual?

Ich brauche mehr Informationen. Mit diesem bestimmten Gedanken im Kopf sondiere ich die offensichtlichen Oberflächen des Wohnzimmers nach meinem Handy, kann es aber nicht finden. Erst unter einem Berg schmutziger Wäsche mache ich es aus und ziehe einen weißen Fussel aus der Lautsprecheröffnung. Als nächstes verschwinde ich ins Bad, putze mir die Zähne und suche mir eine löchrige Arbeitshose, streife mir Socken und ein langarmiges, schwarzes Shirt über, während ich darauf warte, dass mein Kontakt ans Telefon geht. Ohne Erfolg. Auch ein zweiter Versuch schlägt fehl. Ich tippe die Anfrage stattdessen als Nachricht zusammen und versichere, dass ich die Bücher zum Dibbuk bei nächster Gelegenheit zurück in ihre Hände gebe. Eines der historischen Werke liegt aufgeschlagen auf der weniger benutzten Seite meines Bettes. Ich kann die Schimpftirade der Bibliothekarin quasi vor mir her sprechen, während ich über das Bett robbe und nach dem Wälzer angle. Ich inspiziere es kurz. Keine Knicke und keine Eselsohren. Ich tätschele den groben Einband, als wäre das Buch ein Haus und bringe es zur Sicherheit in die Küche, wo ich es auf dem Kühlschrank ablege.

Mein Kühlschrank singt Leere und mein Magen duettiert prompt im Gleichklang. Ich sollte mir dringend einen gemäßigten Lebensrhythmus anschaffen und Regelmäßigkeiten etablieren, wie einzukaufen oder einfach meines Alters entsprechend agieren. Eigentlich sage ich mir das jede Woche. Mein Körper würde es mir danken, aber es ist nicht gerade einfach für mich. Nichts von dem, was ich tue, ist dafür eine gute Voraussetzung. Polizeiarbeit ist selten ein Achtstundendienst mit regulären Endzeiten. Überstunden und Nachtschichten sind die Regel, vor allem bei meinem Spezialfeld.

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