Folge 2 ~2.2~ Superdupernatural

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~2.2~

„Ich habe vor einer Weile bei jemanden wegen der Spieluhr angefragt", erklärt Damast auf dem Weg aus dem Keller nach oben, „Vielleicht kann er uns sagen, was sie gespielt hat und wann sie gebaut wurde. Da er sich bisher nicht gemeldet hat, statten wir ihm einen Besuch ab." Er nimmt auf der Treppe zwei Stufen gleichzeitig und ich habe Schwierigkeiten, ihm zu folgen. Es wundert mich nicht, dass er einen Kerl für Spieluhren aus dem Hut zaubert, allerdings ist mir vollkommen unklar, was uns das bringen soll. Doch ich hake nicht weiter nach, denn ich bin froh über jede Ablenkung. Als wir das großräumige Büroabteil der Morddezernatskollegen durchqueren, ist der Platz von Barres und Marks leer. Ich verlangsame mein Tempo unvermittelt.

„Hey! Ich komme gleich nach. Warte am Auto auf mich." Den letzten Teil murmele ich mehr zu mir selbst, werfe ihm aber einen kontrollierenden Blick zu. Damast hebt lediglich seinen Arm, ohne sich umzudrehen. Ich observiere für einen Moment die anwesenden Kollegen, doch niemand scheint mich zu bemerken oder nimmt mich zur Kenntnis. Also mache ich einen kleinen Schwenker zu dem Schreibtisch des adrett gekleideten Kollegen Barres und stelle mit Freude fest, dass Manuels Akte noch am selben Ort platziert ist. Ich stibitze sie heraus, fotografiere unauffällig, während ich schnell die Seiten durchblättere und folge Damast zügig zum Auto.

Ich brauche eine Weile, bis ich ihn und den Metallkasten auf vier Rädern wiederfinde. Der schlaksige Kerl lehnt am Kofferraum und telefoniert. Ich öffne die Beifahrertür, ohne darauf zu warten, dass er mich bittet, merke, wie mir sofort der lehmige Geruch von feuchtem Schlamm in die Nase steigt. Mit wachsender Gänsehaut blicke ich nach hinten auf den Rücksitz. Das Auto ist noch nicht gereinigt und die Polster sind voller Spuren, die unsere verschmutzte Kleidung zurückgelassen hat. Ich denke unweigerlich an Izan und mein Brustkorb verengt sich. Die Unfähigkeit, aktiv etwas für den Jungen zu tun, lässt mich in Taubheit versinken. Und ich hasse es! Ich verfalle, sobald ich mich anschnalle, ins Grübeln und sehe nur kurz auf, als Damast endlich einsteigt und den Motor startet. Wenn ich schon Izan nicht helfen kann, muss ich es schaffen, Manuel zu retten. Irgendwie. Doch im Moment hemmen mich die bürokratischen Strukturen, denn ich weiß nicht, was ich tun kann, ohne, dass es mir selbst die Beine stellt. Aus Frustration schalte ich das Radio an. Es laufen die Nachrichten. Am Boscop-Pfad, einem bei Spaziergängern beliebter Waldabschnitt im Geiger-Distrikt wurde durch einen Jogger ein Grab entdeckt. Doch die weiteren Ausführungen des Sprechers gehen im Geräuschpegel meines einsteigenden Kollegen unter.

Die Fahrt ist nur von kurzer Dauer und verhilft mir zu keinen nützlichen Problemlösungen. Wir durchqueren zwei Bezirksgrenzen und halten im südlichen Teil der Stadt. Eine der gehobenen Gegenden. Damast parkt in einer Seitengasse. Die Feuerschutzwand einer der Gebäude ist mit einem künstlerischen Graffiti verziert. Es zeigt einen farbenprächtigen Feen-Wald. Satte Grüntöne, tiefes Blau und federleichte Strukturen im hauchzarten Schimmer. Eine großartige Arbeit, das sieht selbst ein Laie wie ich. Ich starre zu einer spärlich bekleideten Elfe mit langen glänzenden Flügeln, die auf einem Stein mit drei braunen Augen sitzt. Eine kurze Reflektion lässt es wirken als würde er blinzeln und plötzlich bin ich mir nicht mehr sicher, welche Augenfarbe es wirklich ist. Sie schimmert blau. Damast wirft mir einen auffordernden Blick zu, ehe er aussteigt, den ich mit gespieltem Zorn erwidere. Damast schüttelt nur den Kopf und ein weiteres Mal an diesem Tage folge ich ihm wie ein stupider Anfänger. Es gefällt mir nicht.

Wir bleiben vor einem Geschäft mit Fassadenvertäfelungen stehen, in die kleine handbemalte Fliesen eingearbeitet sind. Sie sind dunkelrot und stechen dadurch deutlich hervor. Wir betrachten beide das ‚Geschlossen'-Schild des Antiquariats. Ich sehe mich nach einem Geschäftsnamen oder einem Schild um, doch finden kann ich nichts.

„Ist heute Montag?", fragt Damast, schaut nach links und rechts, als gäbe es irgendwo die Straßen hinunter einen Anhaltspunkt für den Wochentag. Es sollte mich überraschen, dass er es nicht weiß, doch es passt ins Bild.

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