Folge 1 ~1.4~ Mit dem Wissen um Wahrheit und Tod

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~1.4~

Sofort rappele ich mich auf und suche nach meinem Kollegen. Pastor hockt nur ein paar Meter neben der Mülltonne, die mich hätte treffen sollen und blickt mir mit erschrockenen Augen entgegen. Ich sehe, wie sich sein Mund bewegt, aber kein Laut dringt aus seiner Kehle. Die Wucht der Energie hat Spuren an ihm hinterlassen. Seine Haare sind zerzaust und er hat Blut am Ohr. Ich stolpere auf ihn zu, packe ihn an den Schultern, sodass er mich vollkommen fokussiert und ziehe ihn hoch.

„Was war das? Was ist hier gerade passiert?", fragt er mit zittriger Stimme, „Wo ist er? Wo... ist Izan?"

„Er ist verschwunden und wir müssen ihn unbedingt finden. Aber wir werden vorher sicher gehen, dass sich niemand weiteres hier aufhält. Haben Sie mich verstanden?" Meine Worte sind ein wenig harsch. Doch es klappt. Er scheint sich wieder zu fassen. Pastor nickt langsam, streicht sich die Haare zurück und tastet nach seiner Dienstwaffe im Holster. Sie wird ihm kaum helfen, aber sie gibt in solchen Situationen eine gewisse Sicherheit.

„Sie gehen nach Westen. Gelände sichern. Ausschau halten. 10 Minuten, dann treffen wir uns wieder hier", weise ich an. Ich krame mein Handy hervor, aktiviere die Ortung und einen Timer, während Pastor sich die wirren Haare zurückstreicht und erneut nickt. Ich habe das Gefühl, ich müsste irgendetwas Aufbauendes oder Erhellendes sagen, doch ich schweige. Stattdessen deute ich ihm die Richtung an, in die ich gehe und in die Izan verschwunden ist.

Sich zu trennen, war, zugegebenermaßen, nicht die beste Idee, aber ich brauchte einen Moment, um nachzudenken, mich zu sammeln. Ich habe eine Ahnung, was mit Izan passiert sein könnte und hoffe inständig, dass ich falsch liege. Ich drücke mich dicht an der Wand entlang, während ich langsam durch die Gasse in den hinteren Bereich des Gebäudekomplexes gelange. Vor mir erstreckt sich ein unerwartet weites Gelände, welches erst nach mehreren hundert Metern in ein Nachbargrundstück mündet. Einige der anliegenden Häuser sind kaum mehr als Ruinen, verfallene Baracken. Berge von Schutt und Abfällen türmen sich auf und versperren mir die Sicht. Der Junge könnte überall sein. Die Möglichkeiten, sich hier zu verstecken, sind endlos. An einer der übriggebliebenen Wände leuchtet eine Außenlampe. Wenigstens flackert sie. Sie flackert, wiederhole ich leise und mir wird klar, dass entgegen meines ersten Gedankens, nichts Gutes bedeutet. Er ist hier. Ganz in der Nähe.

„Izan?", rufe ich den Namen des Jungen. Er verhallt in der Dämmerung und war ohnehin nicht sonderlich energisch. Wie war das doch gleich mit der bedrückenden Kulisse und den verlassenen Häusern? Horrorklischees und Warnung? Kaputte Straßenbeleuchtungen sind mitnichten ein gutes Zeichen. Mein Blick wandert aufmerksam hin und her. Diesmal bin ich definitiv gewarnt, aber ich fühle mich nicht wesentlich besser vorbereitet.

Ein Schatten huscht über ein leergeräumtes Fundament und ich stoppe in der Bewegung. Das Kichern eines Kindes ertönt. Es verhallt mit Gewitter auf meiner Haut und lässt ein tiefes Lachen eines Mannes folgen. Beides dröhnt durch die Dämmerung und schürt die Obacht an mir noch weiter. Ich versuche etwas zu erkennen, aber sehe nur huschende Schatten, die durch das tiefstehende Licht überall und nirgends zu sein scheinen. Das Knacken von Glas. Ich wende mich ruckartig um. Es spielt mit mir. Ich halte ungewollt die Luft an, als wieder das Kichern ertönt. Diesmal ist es das einer Frau. Es ist hell und scheint an den vereinzelten Wänden widerzuhallen. Ich kann nicht verorten, woher es kommt.

„Damast!" Als ich mich umdrehe, erkenne ich, wie Pastor heftig atmend auf mich zu gelaufen kommt. Seine Haare sind mittlerweile klitschnass und er schnieft, während er bei mir ankommt. Der Regen hat die Schmutzspuren auf seiner Wange verwischt. Er streicht sich mit dem Handrücken Feuchtigkeit vom Philtrum und leckt sich über die Lippen. Ich sehe vermutlich nicht besser aus und merke deutlich, wie die nassen Klamotten unangenehm an meiner Haut kleben.

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