Der schwarze See

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Sie erwachte. Es fühlte sich an, wie ein ganz normaler morgen an. Doch irgendwas war anders. Etwas lag auf ihrem Bauch. Sie sah an sich herab und erblickte eine große kräftige Hand. Es war Tarjos. Er lag neben ihr und schlief tief und fest.
Sie versuchte sich zu bewegen und stellte fest, dass sie ja gefesselt war. Tarjo würde jede ihrer Bewegung mitbekommen. Es gab also keine Möglichkeit sich zu entziehen. Sie dachte eine Zeit lang nach und kam zu dem Schluss, dass es am besten war einfach zu warten. Zu warten, bis er aufwachen würde. Lange lag er still, irgendwann jedoch bewegte er sich. Seine Hand rutschte ein Stück nach oben. Marielles Herz begann schneller zu schlagen. Der Stoff ihres improvisierten Kleides wirkte wie eine dünne Schutzschicht. Und plötzlich war sie froh, dass sie es trug. So weit war es schon gekommen. Sie war froh, dass sie ein Kleid trug. Etwas was nur Menschen trugen. Was machte das aus ihr? Was machte Tarjo nur aus ihr? Dieser junge gutaussehende Mann... und dabei wusste Marielle nichts über ihn. Sie fühlte sich in seiner Gegenwart anders. Irgendwie... Irgendwie gebraucht. So als ob er sie unbedingt haben wollte. Und dieses Gefühl war beängstigend aber auch... schön.
Sie sah in die Bäume. Erneut fiel ihr die Abwesenheit der Baumschrate auf. Die Hüter der Waldes waren nicht da. Seit gestern. Aber warum? Wo waren sie? Sie begann sich Sorgen zu machen, denn ihr Fehlen war definitiv kein gutes Zeichen. Irgendwas war passiert.
Tarjo bewegte sich erneut und gab irgendein verschlafenes Wort von sich. Sie erschauderte, als seine Hand noch weiter nach oben rutschte. Niemals hatte sie jemand so berührt. Er tat es ohne es selbst zu wissen, aber ihm würde es gefallen. Das wusste Arie. Sie hatte seine Blicke gesehen. Zuerst zuerst hatte sie gedacht, dass er einfach nur fasziniert war. Er hatte ja noch nie eine Nymphe gesehen, doch irgendwann wusste sie, dass es nicht nur Blicke der Faszination waren.
"Oh... guten Morgen." sagte er schlaftrunken und richtete sich mühsam auf. Sie erhob sich ebenfalls.
"Könntest du..." sagte sie leise und hilt ihm die gebundenen Hände hin.
"Ja, natürlich." er hatte beinahe vergessen, dass er sie gefesselt hatte. Tarjo befreite sie von dem Seil und leiß es in seinem Mantel verschwinden. Marielle rieb sich die Handgelenke. "Wir müssen uns beeilen, wenn wir noch vor Sonnenuntergang am Schwarzwasser sein wollen. Du hast lange geschlafen."
"Ja, beeilen wir uns." er begann das Lager einzupacken. Nach ein paar Minuten machten sie sich auf den Weg. Vorne ging Marielle, dann kam Tarjo. Hinter ihm trottete Tam, das Tier war schlau und stieg vorsichtig über hinterhältige Wurzeln. Selpi saß wie immer im Sattel. Das kleine Irrlicht verschwand nur selten im Wald. Tarjo fragte sich, was es dort tat. Vielleicht besuchte es andere Lichter oder es hielt Ausschau nach Waldkreaturen. Insgesamt gingen sie 11 Stunden und kamen knapp vor Sonnenuntergang an. Am Schwarzwasser, einem riesigen schwarzen See. Als der Söldner aus dem Wald trat und zum ersten Mal das dunkle Wasser sah, verschlug es ihm die Sprache. Was ein Anblick. Große scharfe Gesteinsbrocken ragten hier und da aus dem Gewässer. Dieser Ort wirkte bedrohlich und keines Wegs harmlos. Es würde niemanden wundern, wenn ein Monster unter der Oberfläche lauerte. Tarjo würde sogar darauf wetten. Er ging etwas näher zum Ufer, Tam blieb jedoch stehen und bewegte sich keinen Schritt mehr. Sie schnaubte aufgeregt.
"Tiere mögen den Schwarzwasser nicht." Marielle hielt die Füße in den See. Sie schien diesen Ort zu mögen. "Wieso?"
"Ich weiß nicht." sie zuckte mit den Schultern. "Vielleicht macht ihnen die Stille Angst.
"Erst als sie es sagte, fiel ihm auf, wie still es war. Man hörte nichts, nicht einmal den Wind. Kein Vogelgesang drang an sein Ohr. Nicht einmal das Schwirren von Insekten. Die Nymphe bewegte sich vorwärts, bis ihr das Wasser zu den Kien reichte.
"Was machst du?"
"Wir müssen weiter." sagte sie und tat als ob seine Frage überflüssig wäre.
"Weiter? Wir sind doch längst da? Wo willst du hin? Hier ist doch nichts, nur Wasser und Gestein." er versuchte seine Stute weiter zu ziehen, doch sie ging nicht näher ans Ufer. Keinen Schritt. Selpi hingegen schwepte aus dem Sattel. Es tanzte über den Boden und schwebte zu Marielle. Es ließ sich auf den Schultern seiner Herrin nieder.
"Du musst dein Reittier hier lassen und mit mir kommen." sie sah nicht über die Schulter und ging einfach weiter. Das Wasser reicht ihr mittlerweile bis über den Bauch. Ihr weißes Haar schwamm in Schwarz."
"Wo müsse wir hin?" Tarjo vertraute der ganzen Sache nicht.
"Dort. Wir werden Meth da finden. Ich bin mir nun sicher." Sie deutete auf eine Gruppe von spitzen Steinen. Was sollte dort sein? Wie sollte Meth da hingekommen sein? Wenn er wirklich dort war, dann bestimmt nicht freiwillig.
"Was ist da?" Nun sah Marielle doch über die Schulter. Ihre grauen Augen blitzten.
"Eine Höhle." Sie ging weiter, bis nur noch ihre Schultern zu sehen waren. "Ich kann dich auch ohne deinen Freund aus dem Wald führen." Der junge Mann sah sie skeptisch an. Doch letztlich stieg er in das unbekannte Schwarz. Er blieb neben ihr stehen. Er gewöhnte sich nur langsam an die Kälte. Das Wasser war eisig.
"Ich vertraue dir mein Leben an. Das ist dir bewusst." Marielle nickte. "Ich... ich glaube, dass du eine ehrliche Nymphe bist." er versuchte selbstbewusst zu klingen.
"Was willst du, Tarjo Sorin?"
"Ich will wissen, ob du mich in den Tod führst."
Marielle lächelte. Sie lächelte ehrlich und schüttelte den Kopf.
"Nein, ich führe dich nicht in den Tod. Ich werde mein Versprechen halten."
Und so begann das Abendteuer. die Nymphe schwamm los und Tarjo folgte ihr. Sie war schnell. Er konnte mithalten, doch es kostete ihn viel Kraft. Die Sonne stand tief am Himmel und hüllte die Umgebung ein. Die rot glühenden Wolken spiegelten sich auf der Oberfläche. Es sah einzigartig aus. Aber Tarjo konnte sich nicht darauf konzentrieren. er war aus das Ziel fokusiert, auf die Gesteinsgruppe. Sie schwammen nicht mehr als 15 Minuten. Irgendwann hielt Marielle inne.
"Wir müssen nun hinunter."
"Wir müssen tauchen?" seine Brust zog sich zusammen.
"Ja." und schon war sie verschwunden. Die beiden tauchten tief und nach ein paar Sekunden erschien ein Höhleneingang. Man konnte ihn kaum erkennen, es war zu dunkle und die schwarzen Steine machten es nur schwerer. Sie schwammen durch den Eingang und sofort füllten sich ihre Lungen mit Luft. Arie hatte ihn tatsächlich zu einer Unterwasserhöhle geführt. Er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass Meth hier war. Wie sollte er hier her gefunden haben?
Erstaunlicherweise war es in der Höhle nicht dunkel, zumindest nicht kompett. An den Wänden wuchs Moos, leuchtendes Moos. Es strahlte ein dumpfes Grün aus, ein Licht, welches er noch nie zuvor gesehen hatte.
Tarjo hob sich auf eine kleine Steinplattform und zog die Nymphe zu sich auf die Füße. Das Wasser tropfte von seiner Kleidung und ließ sie Luft noch viel kälter wirken. Seine Begleiterin schien damit keine Probleme zu haben. Das nasse Kleid klepte an ihrem Körper. Sie hätte genauso gut nackt sein können. Er sah deutlich ihre steifen Brustwarzen, es machte ihn fast verrückt. Wieso musste diese Frau so unglaublich schön sein. Sie wandte sich ab, als ihr Tarjos Blick auffiehl.
"Wo ist er? Wo ist Meth?" er sah sich um, doch in der kleine Höhle befand sich nur das leuchtende Moos. "
Wir müssen da lang." Sie ging leichtfüßig auf einen unscheinbaren Gang zu. Marielle konnte geradeso aufrecht stehen, der junge Mann musste den Kopf einziehen.
"Wo bringst du mich hin, Kleine?"
"Keine Fragen." sagte sie leise. Sie schien angespannt. Sie musste sich konzentrieren. Hoffentlich bedeutete das nichts schlimmes. Nach ein paar Minuten kamen sie in eine zweite und größere Höhle. Auch hier fand man das leuchtende Moos und noch mehr eigenartige Pflanzen. Pflanzen die ohne Licht auskamen und die Kälte liebten.
In der Mitte des Raumes lag Meth. Er lag dort, ausgestreckt, als würde er schlafen. Das war nicht normal. Nichts von alledem. Doch Tarjo war zu überwältigt von der Freude die ihn wie eine Welle traf. Der Söldner konnte seinen Augen kaum trauen. Da war er. Meth war am Leben.
Er sah zu der Nymphe und schämte sich für seine Zweifel. Er hatte Angst gehabt, dass sie ihn in sein Verderben schicken würde. Sie war ehrlich gewesen. Sie hatte ihn mehr als nur überrascht.
Er wollte sofort zu Meth stürzen und nach seinem Freund sehen. Marielles Hand schnellte vor und hielt seine Schulter fest. "Nicht." flüsterte sie. "Warte."

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