Gefallener Engel

13 1 0
                                    

"Was ist ein Windkind?" "Das ist schwer zu erklären." sie dachte einen Moment nach, während sie beruhigend über den knochigen Rücken des Geschöpfes strich. Es hatte all seine Kräfte aufgebraucht und konnt jetzt weder schreien noch zappeln. "Es ist ein Wesen, was im Wald lebt. Es lebt bei seiner Mutter bis es groß wird, deshalb wundert es mich noch mehr, dass wir auf eines Treffen. Jedenfalls ähneln Windkinder eher Vögeln, als... Menschen. Es sieht so sehr nach Mensch aus... ich kann mir das nicht erklären. Irgendwas ist hier gewaltig schief gelaufen und dieses Arme Kind muss nun darunter leiden. Was hat man dir nur angetan, mein kleiner Vogel?" sie drückte es noch fester an sich. "Es ist alles gut. Du bist nun in Sicherheit." Tarjo setzte sich neben sie und beobachtete beide. "Was sind das für Zeichen?"
Die dünnen Linien auf dem dürren Körper waren frisch. Zumindest waren sie noch nicht verheilt. Es müsste unglaubliche Schmerzen sein. Es befanden sich Glyphen auf der Brust, Oberarm und Stirn. Tarjo hätte solche Zeichen noch nie zuvor gesehen. Es war gebildet, hatte viele Bücher gelesen und kannte sich in Geschichte aus. Es erinnerte ihn an Runen früherer Völker. An Runen, die von seinen Vorfahren benutzt wurden. Zum Beispiel um böse Geister fern zu halten, aber das war nur schwarzmalerei gewesen. Solche Zeichen besaßen keine Kraft. Davon war der junge Mann überzeugt. Warum also ritzte jemand sowas in den Körper eins wehrlosen kleinen Wesens.
"Ich weiß es nicht." Sie hielt das Kind bis es eingeschlafen war.
"Was machen wir jetzt? Wir können es doch nicht mitnehmen." Sagte er und sofort kniff sie zornig die Augen zusammen. "Willst du es etwa hier lassen? Auf keinen Fall. Es stirbt hier so ganz alleine. Es ist ein Teil des Waldes und somit ist es meine Aufgabe mich um es zu kümmern. Es kommt mit!" Sie war entschlossen und würde sich nicht beeinflussen lassen.
Und somit waren sie nun zu fünft. Tarjo, Marielle, das Windkind, Tam und Selpi. Ungefähr eine Stunde nach Sonnenaufgang brachen sie auf. Sie folgten Fußspuren, Jordans Fußspuren. Der hässliche Mann war weit gekommen, wahrscheinlich hatte er in der Nacht nichteinmal geruht. Der Schock und die Angst hatten seine Beine zum laufen gebracht. Aber irgendwann würden sie ihn einholen und finden. Er kannte sich genauso wenig im Wald aus, wie Tarjo. Doch der junge Mann hatte Marielle und sie kannte den Wald besser als sich selbst.
Das Windkind lag in den Armen der Nymphe. Es vergrub sein erschreckendes Gesicht in ihrem weißen Haar. Wenn sie es zu plötzlich berührte, dann schrie es und kreischte erbärmlich, doch die meiste Zeit war es ruhig.
Ab und zu machten sie Halt aßen etwas. Tarjo hätte noch etwas Brot und Käse. Die Nymphe sammelte Beeren und Nüsse, die es in Hülle und Fülle gab. Das Kind jedoch wollte nichts.
"Es braucht Fleisch." Marielle bat den Söldner darum etwas zu fangen. Einfacher gesagt als getan. Fast zwei Stunden verloren sie durch die Jagd auf einem Hasen. Letztlich bekam das kleine Ding sein Stück Fleisch und die Wanderung ging weiter.

. . .

Silberne Tränen flossen über ihre Wangen und landeten in ihren zarten Hände. Ein innerer Schmerz quälte ihre Seele und ihren Leib.
Sie saß auf der feuchten Erde und sah ihr Leben an sich vorbeiziehen. Sie wollte streben. Sie könnte mit dem Schmerz nicht umgehen. Niemals würde sie damit umgegene können. Niemals würde sie damit leben können:
Velia hob das Kind an ihre Brust. Das kleine begann sofort zu saugen und trank. Es war ein schöner Morgen. Die Windfrau saß auf einem kleinen Steinvorsprung und genoss die Wärme der Sonne. Sie konnte über die Baumkronen blicken und beobachtete die zwitschernden Vögel.
Das Kleine in ihren Armen, Ly, war ein besonderes Kind. Velia liebte es grenzenlos. Noch nie hatte sie jemanden so sehr geliebt und niemals wieder würde sie jemanden so lieben. Ly bewegte die Arme und die Eisenfesseln klirren. Die Windfrau hasste das Geräusch und sie würde nichts lieber, als die Ketten abzureißen. Das war jedoch unmöglich. Das Kind durfte nicht frei sein. Niemand durfte von ihm wissen, sonst wäre es sein Todesurteil. Ly war besonders, doch das war kein Vorteil. Es machte Velias Leben unglaublich schwer und einsam.
Sie saß noch lang am Felsvorsprung, doch irgendwann vermerkte sie etwas. Ein Schwall Vögel stieg aus den Bäumen aus. Etwas hatte die Tiere aufgeschreckt. Velia nahm das Kind von ihrer Brust. Ly quengelte wegen dem Verlust und klammerte sich schreien an seine Mutter.
"Schhht, sei still Liebling." Sie wollte vorsichtig sein. Man wusste nie, was sich dort unten im Wald befand. Also richtete sie sich aus und breitete ihre Flügel aus. Die hellen Federn blitzen im Sonnen Licht. Sie hob die mit den Schwingen besetzten Armen und ließ sich in die Luft tragen. Sie flog nicht lange. Ihr Zuhause war nicht weit weg. Die kleine Höhle war gut versteckt, nicht weit vom Felsvorsprung. Sie setzte Ly auf sein Moosbedecktes Bettchen und wolle ihn gerade festketten, als sie ein Geräusch hörte. Schritte. Es waren eindeutig Schritte. Und sie waren ganz nah. Jemand schlich vor der dem Höhleneingang herum.
Velia hob Ly wieder auf die Arme und bedeckte ihn mit ihren Federn. Sie schlich zurück und blinzelte vorsichtig nach draußen. Sie konnte nichts erkennen. Es war still. Eigenartig. Aufregung begann ihren Körper zu fluten. Sie hatte es sich doch nicht eingebildet. Da war jemand, ganz sicher. Sie roch es sogar. Der Geruch nach Schweiß lag in der Luft. Es war ein Mann, ihre Nase täuschte sich nie.
Als wartete sie einfach an und blieb in Deckung. Da! Da war es wieder. Das Geräusch. Die Schritte. Sie waren ganz nah und der Schweißgestank wurde stärker. Velia bekam Gänsehaut. Sie drückte Ly noch mehr an sich und versuchte ruhig zu atmen.
"Hallo?" Sie horchte. Nichts. "Wer ist da?"
Sofort kamen die Schritte zu hier. Sie sprang hervor und fauchte. "Verscheinde!" Und "Was willst du?" Der Mensch war ein hässlicher großer dürrer Mann. Seine Glubschaugen starrten sie an. Er hob sofort die Hände und lächelte. Seine Zähne waren braun und nicht mehr alle waren vorhanden.
"Keine Angst. Keine Angst. Ich will dir nichts tun. Ich suche nur die Straße. Ich bin vom Weg abgekommen."
Velia sah in skeptisch an. Menschen kamen fast nie hier her. Die Straße, die durch den Irrlichterwald führte, war ziemlich weit weg von ihrer Höhle. Sie war froh, dass der Mensch nicht gefährlich war. Er sah zumindest nicht so aus. Es war zu dünn und sah zu heruntergekommen aus.
"Du musst nach Osten und jetzt verschwinde." Sie zeigte ihm die Richtung.
"Danke. Sehr nett von dir." Er blickte sie von oben bis unten an. "Was bist du für eine Kreatur?" Fragte er gerade heraus. Velia ging einen Schritt zurück und ihr Gesicht verfinsterte sich. "Verschwinde!" rief sie, statt die Frage zu beantworten.
"Beruhige dich. Ich wollte nicht unhöflich sein." Er verringerte die Distanz um einen Schritt. "Man sieht nur selten sowas schönes wie dich." Er wollte weitersprechen, doch ein quengelnder Laut Lys stoppte ihn.
"Was hast du da? Ein Kind?" Sagte er zuckersüß.
"Du stellst zu viele Fragen. Das geht doch nichts an, verschwinde jetzt!" Sie schrie ihn beinahe an, denn seine Blicke machten ihr Angst.
"Was willst du noch?" fragte sie, als er ihrem Befeht nicht Folge leistete.
"Ich weiß nicht..." Sagte er ruhig. "...es ist so einsam in diesem Wald. Ein bisschen Gesellschaft wäre nicht schlecht." Er versuchte seine Stimme verführerisch klingen zu lassen.
"Geh, oder ich werde dich dazu zwingen..." Sie hob eine ihrer Flügelarme und enthüllte furchteinflößende Klauen.
"Alles gut. Alles gut, ich geh ja schon..." Sagte er schnell. Er wandte sich ab und schien wirklich zu gehen. Velia atmete durch und wollte ebenfalls gehen. Zurück in die Höhle. Das war ein Fehler. Sie drehte sich und ihr Rücken zeigte zu dem Menschen. Er nutzte die Chance. Der Mann änderte die Richtung, sprang zu Velia und riss sie an den Schultern zu Boden. Entzetzt schrie sie auf. Das Kind fiehl ihr aus den Armen. Ly kreischte und versuchte auf die kurzen Beine zu kommen.
Die Windfrau hingegen konnte nicht aufstehen. Der Mann hielt sie fest. Er drückte ihre mit Krallen besetzten Hände auf die Erde. Er war stärker, als er aussah.
"Nein..." schrie sie und Wand sich. Er saß auf ihrem Bauch und fixierte sie so. Plötzlich hob er einen Arm und schlug ihr mit der Faust ins Gesicht. Hart und immer wieder. Sie wäre schön nach dem ersten Schlag bewegungsunfähig gewesen, doch nun konnte sie nicht einmal mehr denken. Sie spürte nur das dumpfe pochen und warmes Blut auf ihrer Lippe.
Sie wusste nicht wo Ly war und was der Mann mit ihm gemacht hatte oder machen würde. Sie bekam nicht einmal mit, wie er ihren Körper verschob. Er drückte ihre Beine ausseinander und öffnete langsam seine Hose. Das einzige was sie wahrnahm war sein selbstgefälliges braunes Lächeln.

IrrlichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt