Wassernymphe

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Ein leiser Gesang schallte durch die Höhle. Eine süße Stimme sang ein trauriges Lied. Es klang wunderschön... so wunderschön. Es war als würde dieser Gesang einen umhüllen. Wie Rauch, der die Nerven betäubt.
"Was ist los?" fragte er. Marielle hielt ihn immer noch an der Schulter fest.
"Sei leise und lass mich sprechen." Sie trat einige Schritte nach vorne, so als würde sie ihn beschützen wollen.
"Rilla, bitte, hör auf. Diesem Menschen habe ich ein Versprechen gegeben." sie deutete auf Tarjo. "Ich muss es halten. Hilf mir. Ich flehe dich an." Tarjo war verwirrt. Mit wem sprach sie? Eine 'Rilla' sah er nämlich nicht. Er hörte nur den leisen Gesang und er hätte nicht sagen können von wo er kam. Er erklang im ganzen Raum. So als würde die Höhle selbst singen.
"Ich flehe dich an. Bitte Schwester..." wiedeholte sie. Und mit einem Mal war die Stimme verschwunden. Es war still. Tarjo fühlte sich nun anders. So, als wäre er aufgewacht. Aufgewacht aus einem traumlosen Schlaf. Irgendwie hatte ihn der Gesang beeinflusst. Gruselig.
"Gibst du diesen Menschen frei?" Nun richtete sich Aries Finger auf Meth. Tarjo wusste noch immer nicht mit wem sie sprach. Ihre Stimme richtete sich an ein dunkles Eck. Er erkannt nur schwer was sich dort befand. Es war eine kleine Lagoune, gefüllt mit demselben schwarzen Wasser. Nebel schien darüber zu schweben. Tarjos Augen gewöhnten sich mehr und mehr an das schwache grüne Licht und er konnte Umrisse erkennen. Umrisse einer Person. Sie sah ganz anders aus, als Marielle. Sie hatte helle bläuliche Haut, schwarze Haare und eigenartig geformte Ohren. Sie sagte etwas und ihre Stimme erklang in diesem leichten Gesang den er bereits kannte.
"Hallo Schwester, schön dich zu sehen. Du warst lange nicht mehr bei mir." sie stieg ganz langsam aus der Lagoune. Sie wirkte älter als Arie, jedoch nicht viel. Sie wirkte stark und sich selbst durchaus bewusst.
"Das ist wahr. Wir haben uns lange nicht gesehen." Das Verhältnis zwischen den beiden war angespannt, sogar etwas unangenehm, fast als würden sie sich nach einem großen Steit wiedersehen.
"Welches Versprechen hast du dem Menschen gegeben?" ihre beinahe schwarzen Augen richteten sich auf Tarjo.
"Ich werde ihn zu seinem Gefährten führen und dannach beide sicher aus dem Wald geleiten."
"Und du willst dieses Versprechen halten? Früher war dir soetwas nicht wichtig... Versprechen meine ich." Rillas Blick war scharf. Als Marielle nicht antwortete, legte sie den Kopf schief und Strich durch ihr nasses Haar. Sie war nackt, so wie jede Nymphe es zu sein schien. Ihre Figur war schön, doch sie war dünn. Sehr dünn.
"Du willst ihn also mitnehmen?" Ihr Augen funkelten, als sie zu Meth nickte.
"Ja, gib ihn frei."
Freigeben? Von was? War er etwa Rillas Gefangener? Tarjo fühlte sich äußerst unwohl. Er befürchtete, dass die Angelegenheit nicht so einfach zu lösen war.
"Wieso sollte ich? Er gehört mir, nicht dir!" Sie stand nun am Rande der Lagoune und ging langsam in die Mitte des Raumes, dort lag Meth. "Rilla, er ist nur ein Mensch. Du brauchst ihn nicht. Bitte vergrab deinen Hass und hilf mir. Ich würde tief in deiner Schuld stehen." Arie deutete eine Verbeugung an.
Tarjo betrachtete das alles skeptisch. Ihm gegenüber stand eine weitere Nymphe, vermutlich eine Wassernymphe. Sie hatte Meth gefangen und wollte ihn behalten. Dann gab es noch das eigenartige Verhältnis zwischen Rilla und Marielle. Allen Anschein nach hatte Marielle die Wassernymphe sehr verletzt und jetzt herrschte Streit.
"Nein." War ihre Antwort. Das würde zu nichts führen, also beschloss Tarjo sich einzuschalten. Er trat vor.
"Rilla... mein Freund, Meth, gehört dir nicht. Du hast keinen Anspruch auf ihn. Er ist ein Mensch, er ist frei." Marielle sah ihn böse an, er hätte sich wohl besser raus halten sollen.
"Wirklich?" Rilla kicherte. "Wie heißt du Mensch?"
"Tarjo." sie kniete sich neben Meth und strich ihm zärtlich durchs blonde Haar.
"Dein Freund, Tarjo, ist nun mein. Er gehört mir. Er ist mein Eigentum. Ich habe ihn gefunden und beansprucht. Er bleibt bei mir!" sie fauchte ihn beinnahe an.
"Du musst ohne ihn verschwinden, verschwindet beide!" Der Söldner legte seine Hand auf den Schwertgriff. Er würde sie töten. Er würde die Wassernymphe töten ohne mit der Wimper zu zucken, wenn sie Meth nicht gehen ließ. Er würde seinen Freund nicht mit diesem Monster zurück lassen. Sie könnte alles mögliche mit ihm anstellen, das würde er nicht zulassen. Rilla bemerkte seine Handbewegung und lachte mit ihrer süßen Stimme.
"Ihr Menschen seid so berechenbar. Meth war es auch... so berechenbar." sie streichelte ihm fast liebevoll über die Wange. Zwischen ihren Fingern befanden sich hell blaue Schwimmheute.
"Ich werde dich töten, wenn es sein muss. Also lass ihn..." die Wassernymphe unterbrach ihn. Sie sang. Sie sang ein trauriges Lied. Tarjo wollte etwas sagen, doch erneut spürte er Marielles Hand auf seiner Schulter. Er schwieg und wartete. Wut staute sich in ihm. Diese Rilla war verabscheuenswert. Er begann sie zu hassen. Ihre weiche Stimme erklang eine ganze Weile, doch als sie verstummte, da öffnete Meth seine Augen. Tarjo wusste nicht was er da gerade gesehen hatte. Anscheinend hatte die Wassernymphe Meth mit ihrem Gesang aufgeweckt. Hatte sie magische Fähigkeiten? War sie soetwas wie eine Zauberin? Eine Hexe? Das konnte sich der junge Mann kaum vorstellen. Es gab sowas wie Magie nicht. Nachdem Meth die blauen augen aufgeschlagen hatte, richtete er sich in eine sitzende Position auf. Rillas Hand ruhte nun auf seiner Schulter. Genau wie Marielles auf Tarjos.
"Meth..." stieß sein Freund aus. "Geht es dir gut?" Er sah kurz zu Marielle, die neben ihm stand und alles etwas angespannt beobachtete. Meth brauchte einen Moment um sich zu orientieren. Er hob den Kopf und schien kurz zusammen zu zucken, als er die scharzen Augen der Wassernymphe erblickte. "Tarjo... was!?... ich... was machst du hier?"
"Ich bin hier um dich zu holen. Wir verschwinden aus diesem Drcksloch. Er ging auf Meth zu und sofort schlang Rilla einen Arm schützend um Meths Oberkörper.
"Bleib weg von uns, du abscheulicher Mensch. Marielle, halt ihn uns vom Leib." Doch Marielle tat nichts, sie blieb wo sie war. Der junge Mann stürmte vor.
"Lass ihn los!" er packte Rilla am Haar und zog sie ein Stück weg. Sie schrie so ohrenbeteubend, dass er dachte sein Trommelfell würde platzen.
"Nein.." fauchte sie und schlug um sich. Ihre mit Krallen besetzten Finger erwischten ihn am Oberarm. Blut schoss aus der Wunde und es brannt wie die Hölle.
"Du abscheulicher..." er schubste sie und sie fiel auf den kalten nassen Grund. Sofort zog Tarjo sein Schwert und deutete mit der blitzenden Klinge auf die rasendwütende Nymphe.
"Wenn du dich auch nur einen Milimeter bewegst, dann bringe ich dich um. Hast du mich verstanden?!" Rilla fauchte erneut und enthüllte Spitze Eckzähne, aber sie hielt sich still.
"Meth, kannst du gehen? Geh zu Marielle, sie wird uns hier rausbringen." Er hörte keine Schritte hinter sich, also hatte Meth seinem Befehl nicht gehorcht.
"Meth? Was ist los?" er konnte sich nicht umdrehen, denn sonst hätte Rilla an seiner Kehle gehangen.
"Er wird nicht tun, was du ihm sagst." säuselte Rilla mit süßer Stimme. Die Frau konnte ihre Stimmung in einer Geschwindigkeit wechseln... Tarjo riskierte nun doch einen Blick über die Schulter. Der blonde Mann saß immer noch am kalten Boden und starrte auf seine Finger.
"Meth, was ist mit dir? Geh zu Marielle. Sie wird uns helfen, wirklich, falls du dir deshalb sorgen machst."
"Er... er ist an Rilla gebunden..." flüsterte Marielle. sie wollte dem ganzen Drama ein Ende setzten.
"Gebunden? Was soll das bedeuten?" Tarjo war verwirrt. Die ganze Situation überforderte ihn.
"Nein! Ich liebe sie." rief Meth plötzlich aus. Zum ersten Mal an diesem Tag musste Tarjo lachen. Laut und kräftig. Die Emotion hatte ihn bei Meths Worten überfallen.
"Du liebst sie nicht. Sie hat irgendwas mit dir gemacht. Sie hat dich verzaubert. Sie ist eine verdammte Hexe!" er wandte den Blick wieder zu Rilla.
Die Nymphe war aufgesprungen und krallte sich in seinem Kragen fest. Beide stürtzten und landeten hart. Rilla rollte sich auf den Söldner und versuchte die spitzen Zähne in sein Fleisch zu graben.
"Er gehört mir." brüllte sie. Sie hatte ihn mit so einer Wucht überrascht, dass er im Nachteil war. Sie war viel stärker, als sie aussah und er tat sich schwer mit ihr fertig zu werden. Er versuchte das Schwert zu heben, doch die Wassernymphe schlug ihm die Waffe aus der Hand. Sie erwischte ihm am Hals. Ihre messerscharfen Zähne borten sich in seine Schulter nahe am Hals und rissen ihm ein Stück Fleisch aus der Haut. Er keuchte, als der Schmerz seinen Körper durchbohrte.
Nun brach pure Blutgier in seinen Geist. Er wollte sich nicht mehr zurückhalten. Er wollte die Nymphe tot sehen. Sofort. Mit all seiner Kraft drückte er Rilla von sich. Er schlug ihr brutal ins Gesicht, sodass sie kurzzeitig die Kontrolle verlor. Er spürte wie ihre Lippe unter seiner Faust nachgab. Die Haut platzte. Ihr Blut vermischte sich mit dem seinen. Sie konnte sich nicht bewegen, er nutzte die Gelegenheit, setzte sich auf sie und packte das Heft seines Schwertes. Als Rilla das Blitzen von Stahl sah, schie sie. Die Wassernymphe riss ihre schwarzen Augen auf und hob schützend die Hände. "Nein, bitte..." bettelte sie.
"Jetzt bist du nicht mehr so angriffslustig, was?" sagte er mit einem Lächeln auf den Lippen. "Du hättest nicht damit gerechnet, dass dieser abscheuliche Mensch dein erbärmliches Leben beendet." er setzte die Spitze seiner Klinge an. Er wollte ihr direkt das Herz durchbohren.
"Ich hoffe du brennst in der Hölle!" Das Blut tropfte aus seiner Schulter auf ihre nackten Brüste. Ein Anblick, den er noch lange vor Augen haben würde. Das Schwert war beinahe durch ihre Haut gedrungen, da wurde er ganz unvorhergesehen zu Boden gerissen. Sein Kopf stieß auf den rauen Stein und kurz sah er nur schwarz. Als er die Augen öffnete erblickte er weißes Haar und graue Augen. Das grüne Licht des Mooses Hüllte sie in schönes grün. Marielle hatte es verhindert. Sie hatte verhindert, dass er Rilla töten konnte. Es seufzte schwer und ein leises "Wieso?" huschte über seine Lippen.

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