Das weiße Kleid

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Er dachte nach. Ihr Rücken presste sich weiterhin an die raue Rinde einer Eiche. Sie war noch immer angespannt, aber dadurch, dass er ihr glaubte, hatte sie keine Angst mehr. Sie musterte sein Gesicht. Man konnte ihn durchaus, als schön bezeichnen. Der Ansatz eines schwarzen Bartes ließ ihn älter wirken. Seine blauen Augen waren eindringlich, fast einnehmend. Er hatte leicht gelocktes schwarzes Haar und einen markanten Kiefer. Er hob die Hand und fuhr nachdenklich über diesen. Über was er nachdachte wusste Marielle nicht. Sie kümmerte sich auch nicht darum, denn sie war zu sehr damit beschäftigt ihn anzusehen. Menschen... sie hatte in ihrem kurzen Leben nicht viele gesehen. Besonders selten Männer. Sie fand Tarjo faszinierend. Er war so... anders. Er war viel größer als sie, viel muskulöser. Er hatte eine angenehme Stimme, zumindest wenn er nicht wütend war. Marielle kannte nur die weibliche Figur, sie hatte noch nie einen Mann ohne Kleidung gesehen. Es würde sie brennend interessieren, wie Tarjo unter seinen Schichten aus Stoff aussah. Für Nymphen war es normal nackt zu sein. Kleidung war etwas eigenarties. Die Vorstellung gehüllt in Stoff durch den Wald zu laufen: grauenvoll. Sie liebte es, den Wind auf ihrer Haut zu spüren, die kalte Nässe des Regens oder die warmen Strahlen der Sonne. So konnte man eins mit der Natur sein.  Wieso also trugen Menschen Kleidung? Das war ihr rätselhaft, aber so war es bei den meisten menschlichen Dingen der Fall. Marielle war 73. Ein junges Alter für die Dryade, denn über 750 könnten die meisten Mädchen des Waldes werden. Sie lebte alleine, nur ab und zu begnete sie einer der ihren. Dryaden waren Einzelänger. Ihre Aufgabe und Leidenschaft: das pflegen ihrer Umgebung. Bäume, Blumen, Tiere und Kleinstlebewesen. Diese vor Krankheiten schützen und sich um die Irrlichter kümmern. Selpi war einer ihrer Schützlinge, ein ganz besonders bedürftiges Licht. Er hatte Tarjo zu ihr geführt. Etwas was es nicht hätte tun sollen. Es hätte ihn gleich zu dieser Lichtung bringen sollen, damit er das Schicksal seiner Gefährten hätte teilen können. Marielle wünschte niemandem den Tod, auch nicht Tarjo, doch manchmal war es das Einfachste...
"Du kommst mit mir mit!" sagte der junge Mann entschlossen und packte sie am Handgelenk.
"Was?" rief sie erschrocken.
"Nein! Lass mich los." natürlich konnte sie sich ihm nicht entziehen. Verzweifelt blickte sie umher. Warum waren die Baumschrate nicht da, wenn man sie brauchte. Baumschrate, die natürlichen Wächter des Waldes. Arie hatte Tarjo nicht sagen wollen, dass diese Baumwesen für den Tod seiner Freunde verantwortlich waren. Ansonsten hätte er versucht diese zu finden und zu töten. Das hätte er niemals zustande gebracht, aber es hätte den Baumwesen die wichtigste Waffe genommen. Und zwar Tarjos Unwissenheit. Nun brauchte Marielle ihre Hilfe und keiner war hier. Das war eigenartig. Äußerst eigenartig. Normalerweise waren die Riesen überall.
"Bitte...lass mich." schrie sie mit heller Stimme.
"Du hast gesagt, dieser Wald ist gefährlich. Also brauche ich jemanden, der mich hindurchführt. Ich will, dass du mir hilfst Meth zu finden. Ich bin mir sicher, dass du weißt wo er ist oder zumindest eine Ahnung davon hast. Danach führst du uns hier raus. Raus aus diesem verdammten Wald. Ich verspreche dir, wenn du mir hilfst, wird dir kein Leid wiederfahren. Bitte wehre dich nicht, das macht es nur komplizierter... hör auf..." Marielle begann wild zu zappeln und sich zu winden. Erneut bekam sie Angst, sie wollte keine Gefangene sein. Sie wollte nicht das tun, was der Mensch von ihr verlangte. Sie wollte keinem Menschen helfen. Beinahe wäre sie ihm entkommen, doch kurz bevor sie weglaufen konnte, packte Tarjo ihre Hüfte und zog sie an sich. Er umschlang mit dem einen Arm ihre Taille und den anderen legte er um ihre Handgelenke. Er drückte ihren Rücken an seine Brust und machte sie nahezu unbeweglich. Langsam stellte die Nymphe ihre Fluchtversuche ein und stand resigniert da. Man darf nicht vergessen, Marielle war immer noch nackt. Ihre Brüste lagen auf Tarjos Arm und ihr runder Po war an seine Leiste gepresst. Das Mädchen hatte niemals so etwas wie Erregung verpürt, deshalb konnte sie ihren Gefühlen keinen Namen geben. Sie wusste nicht wie sie mit dieser Empfindung umgehen sollte. Sie presste ihre Beine zusammen um etwa von dem Gefühl loszuwerden, doch das half kaum. Sein Atem streifte ihr Ohr und Arie erschauderte. Am liebsten hätte sie sich losgerissen und wäre weg gerannt. Doch sie wusste, dass es zwecklos war. Der Mann, der sie umschlugen hielt, war zu stark. Mit ihrem herrauswinden hätte sie nur noch mehr unbekannte Empfindungen hervorgerufen und das war das letzte was sie wollte. Tarjo schob den muskulösen Arm von ihrer Taille zu ihrer Hüfte, um ihr noch weniger Raum für unüberlegte Fluchtversuche zu geben. Erneut durchfuhr die junge Dryade ein Schauder.
"Sag, dass du mir helfen wirst." Verlangte er. Seine ruhige tiefe Stimme drag an ihr Ohr. "Sag, dass du mich hier rausbringen wirst. Du wirst dich nicht wehren und du wirst nicht versuchen zu fliehen. Im Gegenzug dafür werde ich dir nicht wehtun. Dir wird kein Leid geschehen. Mach einfach das, was ich dir sage." Marielle zögerte, wodurch er sie noch stärker an sich drückte. Seine Muskeln fühlten sich viel zu intensiv und drängend an. Sie konnte mit alledem nicht umgehen und beschloss nachzugeben. Die Nymphe nickte und als Belohnung bekam sie die Kontrolle über ihren Körper zurück.
Tarjo ließ sie ganz vorsichtig los. Doch er Wiederstand nicht dabei eine ihrer Brüste mit seinen Fingern zu streifen. Arie erschauderte und drehte sich sofort weg.

"Komm mit." sagte er und ging auf seine schwarze Stute zu. Tam stand ein paar Schritte abseits und graste. Das Pferd hatte sich von der ganzen Situation nicht beirren lassen. Sie war ein äußerst ruhiges Tier. Marielle folgte Tarjo und sah ihm dabei zu, wie er in den Satteltaschen kramte. Allen Anschein nach suchte er etwas. Und während er das tat, stiegen der Nymphe Tränen in die Augen. Sie war wütend. Wütend auf sich selbst. Sie hatte zugestimmt einem Menschen zu helfen. Sie tat nun etwas, was sie niemals tun wollte. Niemals. Sie verriet sich damit selbst. Und dann kamen noch ihre eigenartigen Gefühle hinzu. Gefühle, die sie nicht erklären konnte. Was war nur los mit ihrem Kopf und besonders mit ihrem Körper. 73 Jahre lang hatte sie friedlich an diesem wunderschönen Ort gelebt und nun fühlte sie sich, als würde ein Sturm über ihr zusammen brechen. Sie war es nicht gewohnt unter Druck zu stehen. Sie war es nicht gewohnt Gefühle zu haben, die sie nicht erklären konnte. Da Leben im Wald war monoton. Es war schön, aber nicht aufregend. Das was sie an diesem Tag erlebt hatte, war mehr gewesen als die letzten 5 Jahre.
Mari unterdrückte die Tränen so gut es ging und fragte:" Wofür ist das?" Tarjo fand, wonach er gesucht hatte. Er zog ein langes weißes Tuch aus seiner Satteltasche. Es war aus einem edlen Stoff gefertigt und sah sehr wertvoll aus.
"Es ist für dich. Ein Kaufmann hat es mir Geschenkt, der Mann ist der Grund weshalb ich hier bin. Aber das tut nichts zur Sache. Hier, nimm es." er drückte es in ihre zarten Hände.
"Was soll ich damit?"
"Du sollst... also... du kannst es als Kleid tragen, um dich zu bedecken."
"Aber warum?"
Er seufzt. Er hatte keine Lust ihr zu erklären warum, also sagte er:"Weil ich dich darum bitte. Also benutze es." Marielle wollte protestieren, doch als sie seinen strengen Blick sah hielt sie inne.
"Ich weiß nicht, wie man daraus ein Kleid macht. Ich habe noch nie Kleidung getragen."
"Ich binde es dir um." sagte er und lächelte sie an. Er nahm den Stoff und legte ihn über ihren Körper. Er band kleine Knoten über den Schultern und ließ so Träger entstehen. Es sah gar nicht mal so schlecht aus. Er war sichtlich stolz aus seine Leistung.
"Es sieht... hübsch aus." er wollte ihre Laune heben, denn ihr Gesicht wirkte bestürzt.
"Es fühlt sich... schrecklich an." flüsterte sie schockiert. "Das tragen eure Frauen? Und zwar immer?" sie war schockiert.
Tarjo nickte:" Du wirst dich drang gewöhnen. Vertrau mir. Das macht es einfach für mich." Den letzten Satz hätte er gerne weggelassen.
"Weshalb einfacher? Was meinst du?" fragte sie und zupfte den Stoff zurecht. Das ebenfalls weißes Haar fiel in Locken über ihre Schultern.
"Ist schwer zu erklären." sagte er schnell und wischte ihre Frage mit einer Handbewegung fort. "So, wo gehen wir hin? Wo könnten wir Meth finden?"

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