Kapitel 4

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„Jonah!"
Mein Name kam von weit her, ich erkannte Eliah und Jiro, die nur einige Meter vor mir standen, immer näher kamen. Ich spürte die harte, kalte Wand in meinem Rücken, als meine Finger verzweifelt nach Halt tasteten , jedoch nur den rauen Stein ertasten konnten. Ich spürte, wie meine Beine zitternd unter mir nachgaben und ich langsam an der Wand herunterrutschte. Der Stein schob mein Shirt immer weiter nach oben, kratze irgendwann unangenehm über meine Haut.
Die Kälte schlug immer weiter um meinen Körper und hüllte mich völlig in sich ein.
„Jonah.", eine Silhouette, die ich als Jiro identifizieren konnte.
Er legte mir beruhigend eine Hand auf den Arm, streichelte diesen vorsichtig. Seine Bewegungen waren im Gegensatz zu meinem Herzschlag und meinem Atem langsam und regelmäßig.
„Kalt.", hauchte ich tonlos, immer noch etwas panisch.
„Natürlich ist es kalt, es ist Mitte Dezember.", Jiro hatte sich zu mir auf den Boden gesetzt, er saß einfach vor mir.
Im nächsten Moment saß Eliah auf meiner anderen Seite.
„Es ist so kalt.", flüsterte ich, schlang die Arme enger um mich und verbarg dann den Kopf in meinen Armen.
„Ja, da hast du Recht. es ist wirklich kalt.", Eliahs Stimme war noch beruhigender als die von Jiro.
Und anders als er, ging er auf mich ein, er gab sich wirklich alle Mühe, dass ich mich wohlfühlen, indem er meine Worte einfach so hinnahm und sie für den Moment meine Wirklichkeit sein ließ. Und wie um seine Worte, seine Unterstützung zu untermalen, legte er mir seine Jacke um die Schultern. Ich schlüpfte sofort in die Ärmel und zog den Reißverschluss zu. Das warme Innere empfing mich mit ausgebreiteten Armen, der Geruch von Eliah stieg durch meine Nase hoch in mein Hirn und setzte sich an einer ganz bestimmten Stelle fest. Diesen Geruch würde ich nie wieder vergessen, so tief war er in meinem Hirn verankert.
Ich war den beiden dankbar, dass sie einfach nur mit mir zusammen auf dem Boden saßen und darauf warteten, bis ich meine Panik, meine unheimliche Angst vor der Kälte und dem Schnee soweit besiegt hatte, dass ich in der Lage war aufzustehen.
„Wir gehen jetzt los, Schritt für Schritt.", Eliah half mir hoch, er war derjenige, der mich wieder auf die kalte Masse zuführte und nach jedem Schritt kurz wartete, mich betrachtet und mit dem nächsten Schritt wartete, bis er sich sicher war, dass ich bereit dazu war.
Jiro neben uns warf einen Blick auf die Uhr.
„Ich gehe schon mal vor und bereite den Zimmer vor. Außerdem, braucht meine Mutter sicher meine Hilfe beim Kochen. Ich erwarte euch beide.", er verabschiedete sich mit einem Lächeln und einem Nicken und hastete dann durch den Schnee davon. Ich sah ihm hinterher.
„Mach dir keinen Stress Jonah. Lass dir alle Zeit der Welt. Wenn du dich setzten willst, setz dich, ich werde mit dir warten."
„Danke. Ich weiß nicht, was ich ohne dich tun wurde.", ich sah ihn an und lächelte.
Eliah war mir bereits vom ersten Moment an unglaublich sympathisch gewesen. Er war eine Frohnatur, die trotz allem das Wohl anderer über sein eigenes zu stellen schien.
„Darüber wollen wir mal lieber nicht nachdenken.", sein sorgenvolles Lächeln wurde noch etwas breiter, „Bist du bereit?!"
Wir standen neun vor dem Schnee und schon jetzt spürte ich, dass mein Herz schneller zu schlagen begann. Dennoch atmete ich tief durch. Seit ich hier war, war mir nur geholfen worden, ich fühlte mich nach nicht einmal einer Woche sicherer als ich es zu Hause je getan hatte. Wovor hatte ich also Angst, was konnte mir schon passieren. Es war doch nur Schnee und Eliah war bei mir. Mir konnte nichts geschehen. Meine Augen fokussierten sich fast selbstständig auf die Spuren, die Jiro im Schnee hinterlassen hatte. AN ihrem Abstand konnte man gut erkennen, dass er die ersten paar Meter gerannt war, dann jedoch sein Tempo gedrosselt hatte und mit gleichmäßigen, langen Schritten weitergegangen war. Ich wollte genauso schnell sein wie er, wollte den Schnee genauso schnell hinter mir lassen und sogar noch schneller sein als er.
„Können wir rennen?", ich drehte mich zu Eliah um, der mich völlig perplex anstarrte, die Augen so groß wie Untertassen, dann jedoch nickte er langsam.
„Wenn du willst. Ja."
Und ohne auf ihn zu warten, preschte ich los. Der Schnee knirschte unter meinen Schuhen, so wie die vielen Knochen, die ich schön hatte brechen hören, wie die Zähne, die nervös aufeinanderrieben. Alles Geräusche, die ich nichts ausstehen konnte, Geräusche, die mich wahnsinnig machten, mich noch schneller rennen ließen. Ich kannte den Weg nicht, doch ich musste bloß Jiros Fußspuren folgen, die mich sicher zu meinem Ziel führten.
Ich war so schnell, dass ich es fast nicht schaffte, vor der Haustür zu bremsen, vor die mich Jiros Schritte geführt hatte. Ein paar Sekunden später tauchte auch Eliah neben mir auf, allerdings schnauft er heftig und stützte sich auf seinen Knien ab, als er zum Stehen kam.
„Du bist schnell.", stellte er immer noch schnaufend fest.
„Ja, das bin ich wohl. Ich bin fast in die Tür gebrettert.", mich schüttelte ein kleines Lachen, welches Eliah außer Atem erwiederte.
Erst nachdem er einige Momente innegehalten hatte, um seinen Atem zu sammeln, dann zog er einen Schlüssel aus der Hosentasche, schlüpfte an mir vorbei und schloss die Tür auf.
„Willkommen in deinem neuen zu Hause.", er verbeugte sich gespielt, als er mir die Tür aufhielt.
Zögerlich trat ich den ersten Schritt ins Haus. Es war warm hier drinnen und es roch nach Plätzchen.
Mir wurde bei diesem Geruch ganz schwer ums Herz. Als ich noch klein war, vielleicht so sechs oder sieben, hatte meine Mutter zur Weihnachtszeit immer zusammen mit mir in der Küche gestandne und gebacken. Ich konnte mich sogar noch an die Bauchschmerzen erinnern, die ich oft bekommen hatte, weil ich mal wieder zu viel Teig genascht hatte. Es roch nach zu Hause.
„Mom.", ich hatte meine Jacke bereits geöffnet, sodass meine Hand mit Leichtigkeit die feine Goldkette herauszuziehen, an der der Ehering meiner Mutter befestigt war.
Es war das letzte, was ich noch von ihr hatte, denn mein Vater hatte alles anderes verbrannt oder anderweitig entsorgt. Den Ring hatte ich retten können, ich hatte meinem Vater nie gesagt, dass ich ihn an mich genommen hatte, hatte es immer vor ihm versteckt gehalten und so eine Erinnerung an meine Mutter behalten, die ich nie abgeben würde.

You're safe in my armes (BoyxBoy) (Abgeschlossen)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt