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Der Vormittag zog sich endlos hin, während Louise und ich die Straßen von New Orleans durchstreiften. Die Sonne hing hoch über uns, während wir uns von einem Geschäft zum nächsten bewegten. Jede Ecke dieser Stadt hatte etwas Magisches, Geheimnisvolles an sich, die engen Gassen, die alten Gebäude mit den verschnörkelten Balkonen, die Geschichten, die in der Luft zu schweben schienen.

Unsere Hände waren beladen mit Tüten, vollgestopft mit Klamotten, Dekoration und allerlei Krimskrams, der uns in den Schaufenstern angelächelt hatte. Mit jedem Schritt spürte ich den Schmerz, der sich von meinen Füßen durch meinen Rücken zog. Die Freude am Einkaufen wurde von der schmerzenden Last in meinen Armen übertrumpft. „Ich kann nicht mehr" stöhnte Louise irgendwann und lehnte sich gegen die nächste Wand.

„Ich auch nicht", gab ich zu und sah mich nach einem Ort um, an dem wir uns ausruhen konnten. Ein kleines Café am Straßenrand erregte meine Aufmerksamkeit. Es war von Blumen umgeben, die in hölzernen Kästen auf den Fensterbänken blühten. Wir warfen uns einen wissenden Blick zu und beschlossen, uns dort eine Pause zu gönnen.

Als wir die Tüten an den Seiten unserer Stühle abgestellt hatten, seufzten wir erleichtert auf und ließen uns in die weichen Polster sinken. Die Hitze des Tages hing noch in der Luft, doch im Schatten des Cafés fühlte es sich angenehmer an.

„Ich hab so einen Hunger" murmelte Louise und griff nach der Speisekarte. Auch mein Magen meldete sich mit einem grollenden Geräusch zu Wort. Es war einer dieser Momente, in denen ich realisierte, wie lange wir schon unterwegs waren.

Ein paar Minuten vergingen, in denen wir schweigend die Karte studierten, bevor ein junger Mann an unseren Tisch trat. Er sah ein wenig älter aus als wir es waren, mit einem leichten Lächeln auf den Lippen. „Was darf's sein?" fragte er, sein Blick blieb einen Moment länger auf mir haften.

„Eine Brezel und einen schwarzen Kaffee, bitte", sagte ich kurz angebunden und schob die Karte zurück auf den Tisch.

„Für mich ein Stück Käsekuchen und einen Kaffee mit Milch", fügte Louise hinzu, bevor der Kellner mit einem Nicken verschwand.

„Wie geht's dir eigentlich?" fragte Louise plötzlich und sah mir mit einem ernsten Blick in die Augen.

Ich spürte, wie sich mein Magen verkrampfte.
Wie es mir ging? Eine einfache Frage, aber die Antwort war alles andere als simpel. Normalerweise würde ich einfach „gut" sagen, ohne zu zögern. Aber heute? Heute fühlte sich die Lüge schwerer an als sonst.

Sie war meine beste Freundin, und es wäre nur fair, ehrlich zu ihr zu sein. Doch die Worte blieben in meiner Kehle stecken.

Seit dem Tod meiner Eltern hatte ich mir geschworen, keine Schwäche mehr zu zeigen. Nicht vor anderen, nicht vor mir selbst. Zu viel Schmerz hatte diese Verletzlichkeit verursacht, und ich würde nicht noch einmal in diesen Abgrund fallen. Also zwang ich ein Lächeln auf meine Lippen und sagte: „Mir geht's gut, alles bestens."

Louise betrachtete mich für einen Moment, als wüsste sie, dass ich nicht die ganze Wahrheit sagte, aber sie ließ es dabei bewenden. Der Kellner brachte unsere Bestellung, und das Thema wurde für den Moment begraben.

Elijah

Als meine Brüder Kol, Niklaus und ich heute Morgen Marcel einen Besuch abstatteten, erwarteten wir eine angespannte, aber typische Begegnung.

Stattdessen fanden wir etwas ganz anderes vor. In seinem war nicht er es, der uns begrüßte, sondern sie, eine junge Frau, der die Ruhe eines Sturms in sich trug.

Ihre Augen verrieten mehr, als sie vielleicht wusste, und doch blieben sie undurchdringlich, geheimnisvoll.

Es war falsch, diese Art von Interesse an ihr zu entwickeln. Sie war jung, unerfahren vielleicht, aber etwas an ihr weckte in mir ein längst vergessenes Gefühl. Eine Regung, die ich jahrelang tief in mir begraben hatte. Ihre Gegenwart entfachte ein Feuer, das ich nicht verstand und noch weniger wollte.

„Wer ist das?" fragte Kol neugierig und warf mir einen Seitenblick zu, während sie den Raum verließ.

„Keine Ahnung" murmelte ich, aber meine Gedanken hingen noch immer bei ihr. Etwas an ihr war anders. Ihr Äußeres vermittelte Stärke, eine undurchdringliche Maske, und doch spürte ich, dass diese Fassade bald zu bröckeln begann.

Sie war wie ein Buch, dessen Seiten ich unbedingt lesen wollte, dessen Geschichte mich schon jetzt gefangen nahm.

Ich würde sie kennenlernen, egal was es kostete. Denn hinter dieser Maske war etwas, das mich anzog wie ein Magnet.

Sofia

Nachdem Louise und ich gezahlt hatten, trennten sich unsere Wege. Sie ging nach Hause, und ich machte mich auf den Weg zurück nachhause.

Die Sonne war bereits tiefer gesunken, und die Schatten in den Straßen von New Orleans schienen länger und dunkler zu werden.

Als ich die Haustür öffnete, atmete ich tief ein, die vertrauten Gerüche von Holz und altem Stein.

„Marcel, ich bin wieder da", rief ich durch das Haus und stellte meine Einkäufe im Eingangsbereich ab.

„Schön, dass du wieder da bist!", kam es aus der Ferne zurück, seine Stimme klang wie immer warm und vertraut.

Ich trug die Tüten die Treppen hoch in mein Zimmer und ließ mich aufs Bett fallen. Mein Rücken schmerzte, meine Füße fühlten sich an, als hätten sie den ganzen Tag Steine getragen.

Doch trotz der Erschöpfung spürte ich eine seltsame Ruhe in mir, eine Leere, die ich nicht benennen konnte.

Lesen, das war die einzige Lösung, die ich kannte, um dieser Leere zu entfliehen. Also griff ich nach meinem Buch, ließ mich in die weichen Kissen sinken und öffnete die erste Seite.

Die Welt um mich herum verschwand. Die Worte flossen durch meinen Geist und malten Bilder, die mich in eine andere Realität entführten, weit weg von der Dunkelheit, die manchmal in meinem Herzen lauerte.

Als ich das nächste Mal auf die Uhr schaute, war es bereits spät. Einundzwanzig Uhr. Zeit, schlafen zu gehen.

Mit schweren Augenlidern stellte ich das Buch zur Seite, zog meinen Pyjama an und schlüpfte unter die Decke.

Ich lag noch eine Weile wach, starrte an die Decke meines Zimmers und ließ meine Gedanken treiben.
Die Dunkelheit umhüllte mich, aber sie war nicht beängstigend, sie war beruhigend.
Schließlich sank ich in einen tiefen Schlaf.

Love the stranger | wird überarbeitet Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt