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3rd Person

Es waren mehrere Tage vergangen, doch in dieser Zeit schien die Stadt wie eingefroren. Die sonst so geschäftigen Straßen lagen still, und selbst unter den übernatürlichen Wesen herrschte eine ungewohnte Ruhe. Kein Streit, keine Spannungen, nur ein merkwürdiger Frieden, der fast zu schön war, um wahr zu sein.

Seit Sofia der mysteriösen Stimme gefolgt war, die sie in ihren Träumen heimgesucht hatte, hatte sich etwas verändert. Sie hatte endlich ein Gesicht zu der Stimme, die sie so lange verfolgt hatte, doch etwas stimmte nicht. Obwohl sie das Mädchen nun gesehen hatte, war sie immer noch nicht aufgewacht.

Das unbekannte Mädchen, Davina, hatte sie in ein Zimmer gebracht, wo sie seitdem über sie wachte. Tag für Tag saß sie dort, still, wachsam und tief in Gedanken versunken. Sie wusste so viel mehr als Sofia, mehr, als sie jemals hätte erfahren sollen.

Davina sah Sofia auf eine Weise an, die keine romantischen Gefühle verriet, sondern etwas viel Tieferes. Es war eine magische Verbindung, die zwischen ihnen schimmerte, eine Verbindung, die beide noch nicht vollständig verstanden. Sie teilten ein Geheimnis, eines, das die Welt um sie herum verändern konnte. Doch noch war niemandem klar, was hinter den braunen Augen und dem unscheinbaren Äußeren der beiden Mädchen lauerte.

Niemand ahnte, dass das Schicksal bereits längst in Bewegung war und dass dieses Schicksal tief in der Vergangenheit verwurzelt lag. Selbst die mächtigsten Wesen dieser Stadt hatten nicht die Fähigkeit oder den Willen, zu erkennen, was hier geschah. Es lag eine Spannung in der Luft, die jeden Moment hätte zerbrechen können, doch im Moment war da nur Stille.

Davina saß am Rand des Bettes, den Blick fest auf Sofias ruhenden Körper gerichtet. Sie beobachtete, wie sich Sofias Brust im Takt ihres Atems hob und senkte, als wäre jeder Atemzug ein Hinweis darauf, dass bald etwas Bedeutendes geschehen würde.
Der Raum war gefüllt von Stille, unterbrochen nur durch das leise Rascheln der Bettwäsche und das rhythmische Atmen der beiden.

Sofia

Plötzlich schreckte ich aus meiner Ruhe hoch, mein Herz raste und meine Hand lag zitternd auf meiner Brust. Verwirrung durchzog mich wie ein Sturm.

Wo war ich?

Meine Augen suchten den Raum ab, panisch und verloren.
Dann sah ich sie.
Das Mädchen, das ich aus meinen Träumen kannte, saß ruhig neben meinem Bett und beobachtete mich.

„Hey, du bist Sofia, schätze ich." sagte sie, ihre Stimme war sanft, aber sie trug eine Schwere mit sich, als würde sie so viel mehr wissen, als sie preis gab.

„Ja...wer bist du?" stammelte ich verwirrt, während ich versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen.

„Davina," antwortete sie ruhig, als wäre dieser Moment längst vorherbestimmt gewesen. „Freut mich, dich endlich kennenzulernen."

„Und was willst du von mir? Warum träume ich von dir?" fragte ich, ohne lange zu zögern, und richtete mich im Bett auf. Meine Hände zitterten immer noch, doch ich zwang mich, ruhig zu bleiben.

„Wie wär's, wenn wir am Anfang anfangen?" schlug sie vor, ihre Augen fixierten meine mit einer Intensität, die ich nicht deuten konnte. Sie setzte sich neben mich, ihre Berührung war leicht, aber sie zog mich in eine Tiefe, die ich nicht verstand.

„Schließ die Augen," bat sie, ihre Hände ruhten fest auf meinen Armen. Zögernd folgte ich ihrer Anweisung, unsicher, was mich erwarten würde.

Kaum hatte ich die Augen geschlossen, veränderte sich die Umgebung um mich herum. Als ich die Augen wieder öffnete, befand ich mich in einer völlig anderen Zeit, einem anderen Ort.

Ich sah eine junge Frau mit schwarzen Haaren, die deutlich schwanger war. Sie saß in einem warmen, gemütlichen Zimmer, und ihre Augen strahlten eine sanfte Zuversicht aus, auch wenn sie erschöpft wirkte. Eine andere Frau, etwas jünger und mit sorgenvollen Augen, sprach mit ihr.

„Wie geht's dir, Josett?" fragte die jüngere Frau, ihre Stimme war von sanfter Besorgnis durchzogen, während ihr Blick liebevoll auf den gewölbten Bauch der Schwangeren fiel.

„Den Umständen entsprechend könnte es mir nicht besser gehen," antwortete die schwarzhaarige Frau mit einem erschöpften, aber warmen Lächeln. Sie strich zärtlich über ihren Bauch, als ob sie die kleinen Leben darin beruhigen wollte.

„Weiß Mike schon, dass es zwei sind?" fragte die jüngere Frau vorsichtig und versuchte, ihre Neugierde zu verbergen.

„Nein," entgegnete Josett, ihre Stimme wurde ernster. „Und ich glaube nicht, dass er das gut aufnehmen wird. Ehrlich gesagt weiß ich noch nicht einmal, ob ich es ihm erzählen werde..." Ihre Worte klangen schwer, als ob die Last dieses Geheimnisses sie schon seit langer Zeit bedrückte.

Eine unangenehme Stille legte sich über den Raum, und es schien, als wüsste die jüngere Frau nicht, was sie daraufhin sagen sollte. Schließlich ergriff sie wieder das Wort, um die Atmosphäre etwas aufzulockern.

„Hast du schon über die Namen nachgedacht? Wie wirst du die Zwillinge nennen?" fragte sie vorsichtig und hoffte, das Thema auf etwas Positiveres lenken zu können.

Josett sah einen Moment lang nachdenklich aus, bevor sie sanft murmelte: „Wahrscheinlich werde ich sie nach meiner älteren Schwester und meiner Mutter benennen."

„Wie hießen sie?" fragte die jüngere Frau nun etwas zurückhaltender, als ob sie das Gefühl hatte, eine empfindliche Frage zu stellen.

Josett hob den Kopf und sah der anderen Frau tief in die Augen, bevor sie die Namen leise aussprach: „Sofia und Davina."

Diese Worte hallten in meinem Kopf wieder.
Mein Name und Davina's Name.
Es war, als würde die Zeit stillstehen, als wir uns beide plötzlich ansahen. Sie neben mir in der Realität, und die schwangere Josett, die scheinbar in einer fernen Vergangenheit über uns sprach.

Es fühlte sich surreal an.
Was bedeutete das alles?
Warum zeigte Davina mir diese Erinnerung? Wieso war mein Name verbunden mit dem Namen dieser Frau, dieser Zwillinge, und dieser alten Erinnerung?

Ich drehte mich zu Davina, die immer noch neben mir saß. Ihre Augen glänzten vor Wissen, das ich nicht hatte, vor Geheimnissen, die sie nur zögerlich preis geben wollte. Es war fast, als würde sie mich testen, ob ich bereit war, die Wahrheit zu erfahren.

Love the stranger | wird überarbeitet Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt