1. Scheiße-sein liegt wohl in der Familie

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Heute
POV RUBY

Aufgebracht schaltete ich die Laustärke meiner altmodischen Kabelkopfhörer erneut einige Stufen lauter, um das Gelächter und die Partymusik aus dem Wohnzimmer zu verdrängen. Ich musste mich dringen um diese Hausarbeit kümmern. Denn alles, was ich bis jetzt hatte war das Titelblatt. Damit würde ich sicherlich nicht bestehen.

Ich schwor mir selbst, sollte diese Schlange nicht gleich aufhören mal wieder eine unangekündigte Party in unserem Wohnzimmer, mit zehntausend verschiedenen Gästen und ohrenbetäubender Lautstärke zu veranstalten, würde ich ihr das nächstbeste Buch meines Literaturstapels überziehen.

Frustriert fixierte ich düster die Tür meines kleinen, gemütlichen WG Zimmers und überlegte gerade ob diese  Art von Körperverletzung, unter diesen Umständen als Notwehr durchgehen würde und irgenein Richter Verständnis für meine Situation hätte, als meine Tür vorsichtig einen Spalt breit geöffnet wurde.

Verdutzt zogen sich meine Augenbrauen zusammen.
Wenige Sekunden später lugte der Kopf von Taylor hinein.

Unbewusst huschte ein Lächeln über meine Lippen, sobald ich den Blondschopf erblickte. Anschließen zog ich die Kopfhörer, durch die klassische Lernmusik in meinen Gehörgang dröhnte, aus den Ohren.

„Bist du gerade sehr beschäftigt?", erkundigte sich Tay.

„Abgesehen von dem Versuch meine Hausarbeit anzufangen und einen Mordplam zu schmieden, nicht wirklich."

Daraufin schlich sich auch auf ihr Gesicht ein wissendes Grinsen. Vermutlich war sie ohnehin aus dem Grund rüber gekommen, da Avery sie mindestens genauso in den Wahnsinn trieb.

„Vollkommen verständlich.", sie hatte sich fluchs durch den Türspalt gequetscht und war in mein Zimmer gekommen, um dich schnurstraks auf meinem Bett niederzulassen. „Avery übertreibt es mittlerweile wirklich ein bisschen mit ihren Partys."

Höhnisch pustet ich die Luft aus: „Ein wenig? Sie benimmt sich als würde ihr die Wohnung allein gehören und als wären wir ihre Bediensteten, anstatt ihre Mitbewohnerinnen."

Dabei war Avery erst vor zwei Monaten eingezogen, da unsere alte Mitbewohnerin ihr Studium abgebrochen und zurück in ihre Heimat gegangen war.
Anfangs hatten wir sie wirklich gemocht —logischerweise, sonst hätten wir sie sicherlich nicht den Mietvertrag unterschreiben lassen. Sie war bei den unzähligen und —teilweise wirklich abstrusen— WG-Castings mit Abstand die normalste und sympathischste gewesen.

Doch wie sich bereits nach einer Woche herausgestellt hatte, war sie einfach eine Meisterin der Täuschung.
So hatte es nur wenige Tage gedauert, bis sie begonnen hatte ihre Klamotten wahllos in unserem gemeinsamen Wohnzimmer liegen zu lassen. Auch ihre restliche Ordnung ließ teilweise sehr zu wünschen übrig: Den Abwasch ihres dreckigen Geschirrs überließ sie uns, sie blockierte den Wäscheständer tagelang mit ihrer Wäsche, da sie anscheinend nicht in der Lage war ihre trockenen Sachen abzunehmen und für die Gemeinschaft in unserer WG engagierte sie sich prinzipiell auch nicht.
Anscheinend hatte sie noch nie etwas von Rücksichtnahme gehört.

Anfangs hatten Taylor und ich ihr rücksichtsloses Verhalten auf die Tatsache geschoben, dass sie das erste Mal ausgezogen ist. Doch spätestens nachdem sie sich in regelmäßigen Abständen ganz bewusst an meinem Essen im Kühlschrank bediente und mich mit den Worten ‚Ich solle mich mal entspannen.' Abgespeist hatte anstatt sich zu entschuldigen oder nachzufragen, herrschte Krieg. Sowohl ihrerseits, als auch meinerseits. Da Taylor seit einem Jahr meine Mitbewohnerin war und sich darüber hinaus den Status als meine beste Freundin ergattert hatte, war sie natürlich auf meiner Seite — mal davon abgesehen, dass Averys Verhalten sie ebenso nervte. Taylor war allerdings eher die diplomatische und das ruhigere Gemüt von uns beiden, weswegen ich nur allzu oft mit Avery aneinander geriet. Ich fand, dass ich mich wirklich ausreichend lang zurückgehalten hatte. Meine Zündschnur war fatal kurz, so dass es mittlerweile nur eine Kleinigkeit brauchte, um mir einen giftigen Blick oder einen bissigen Kommentar zu entlocken.
Schließlich musste ich mich verteidigen. Mich, diese Wohnung und mein Essen. Denn bei Essen hörte der Spaß bekanntlich auf.

My Roommates BrotherWo Geschichten leben. Entdecke jetzt