22. Überraschend schön

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POV RUBY

„Eine Pizza Calaprese, wie immer?", versicherte sich Evan, laut aus dem Wohnzimmer meiner WG rufend.

„Ja, wie immer.", bestätigte ich Evans Auswahl, der gerade Pizza für unseren anstehenden Filmabend bestellte.

Ich stülpte den weiten Kaputzenpullover über meinen Kopf. Sofort umhüllte mich eine angenehme, vertraute Wärme, gemischt mit einem Duft, der mir nur allzu bekannt vorkam.
Es war Noahs Pullover. Ich besaß ihn seit dem Abend meines peinlichen Absturzes. Bisher hatte es sich nicht ergeben, ihm den Pullover wiederzugeben, worüber ich insgeheim ziemlich froh war.
Nicht nur, weil ich jegliche Variationen von übergroßen Pullovern gern in meinem Besitz wusste. Sondern auch, weil es Noahs Pullover war, der sich nun in meinem Besitz fand.
Es war beinahe peinlich wie oft ich ihn in letzter Zeit angezogen hatte. Anfangs hatte ich mir noch eingeredet, dass es an dessen Gemütlichkeit lag. Doch nach mehr als zwei Wochen, wusste ich, dass meine Gefühle für ihn einen wesentlichen Teil dazu beitrugen, dass ich mich in dem Pullover derart wohl fühlte.

Verdammt, ich fühlte mich wie ein blödes Fangirl, was den Pullover seines Idols gefangen hatte und ihn seither nicht mehr aus der Hand geben kann.

Ich sollte ihn dringend waschen, um den Rest von Noahs Duft endlich zu beseitigen. Schließlich war es mein Ziel ihn zu vergessen. Bisher klappte das eher semi gut.

Ich betrachte mich ein letztes Mal im Spiegel.

Der Pullover fiel mir weit über meinen Po, die Ärmel umhüllten meine Hände. Darunter trug ich eine bequeme schwarze Leggings. Meine Haare hatte ich zu einem unordentlichen Zopf gebunden, um sie aus meinem Gesicht zu wissen, da ich mich heute mit Pizza vollstopfen wollte.

Meine Finger strichen über den Stoff des Pullovers, indessen sich ein zaghaftes Lächeln meiner Lippen nicht vermeiden ließ.

Gott, verflucht war dieser Arsch!

Mit einem schweren Atemzug wandte ich mich von meinem Spiegl ab und stieß zu Evan ins Wohnzimmer.

Er war seit gestern da und besuchte mich für eine ganze Woche. Ich hatte ihn wirklich sehr vermisst. Das hatte ich erst bemerkt, als ich ihn vom Bahnhof abgeholt und in meine Arme geschlossen hatte. Umso schöner fühlte es sich an, endlich wieder mit ihm rumalbern und Zeit verbringen zu können.

Heute war es an der Zeit unserem gemeinsamen Ritual nachzugehen: Pizza essen und ‚The Greatest Showmen' ansehen. Das war irgendwie unser Ding geworden, seitdem sich unsere Eltern dermaßen zerstritten hatten. Während des Films war es uns möglich gewesen alles andere auszublenden und die streitenden, lauten Stimmen zu vergessen.
Zudem musste ich noch meine Wettschulden bei Evan einlösen, nachdem ich mich bei der Wette bezüglich der Beziehung unserer Mutter gehörig getäuscht hatte. Sie hatte definitiv länger angehalten, als ich erwartet hatte.
Tja, damit hatte ich verloren und Evan konnte sich über eine gratis Pizza freuen.

„Vielen Dank. Bis später.", Evan legte auf und sah breit grinsend zu mir. „Die Pizza ist auf dem Weg. In dreißig Minuten sollten wir Essen haben."

„Sehr gut. Ich habe schon mega Hunger.", erwiderte ich, indessen mein großer Bruder sein Handy auf den Wohnzimmertisch legte.

„Das habe ich mir gedacht. Wenn du Hunger hast, wirst du immer so ruhig.", lachte er leise. „Das ist wirklich beängstigend."

My Roommates BrotherWo Geschichten leben. Entdecke jetzt