17. Samu vs. Noah

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POV RUBY

„Hier, trink' das!", Taylor schob mir eine dampfende Tasse Kaffee zu, woraufhin ich meinen müden Kopf neugierig vom Tresen hob, an dem ich seit geraumer Zeit saß und versuchte mich zu konzentrieren. Sie hatte mir einen Latte Macchiato mit einem Schuss Karamell gemacht. Meine absoluter Lieblingskaffee.

„Geht aufs Haus!"

Skeptisch fragend zog ich eine Augenbraue hinauf. Womit hatte ich das denn verdient?

Ich hatte weder etwas bestellt noch  Andeutungen dahingehend gemacht. Natürlich nahm ich ihr Angebot dankbar an.

Einen Kaffee könnte ich nie abschlagen.

Dabei fand ich das dunkle Gebräu eigentlich immer widerlich.
Erst seit zwei Jahren würde ich für eine gute, dampfende Tasse Kaffee —egal in welcher Variation— töten.

„Du siehst wirklich fertig aus. Ich hoffe das Koffein bringt etwas Leben in den Körper meiner besten Freundin zurück, die gerade wie ein düsterer Poltergeist aussieht."

Grummelnd drehte ich die Augen und nippte den ersten Schluck Kaffee —himmlisch: „Vielen Dank. So charmant wurde ich lange nicht mehr beschrieben."

„Gerne.", Taylor legte das kleine, schwarze Handtuch ihrer Hand auf dem Tresen ab und stützte sich mit beiden Armen neben mir auf: „Mal ernsthaft, was ist denn in letzter Zeit mit dir los? Du wirkst ständig so müde und durcheinander."

„Ach, es geht schon.", tat ich meine innere Erschöpfung ab, die eigentlich nicht zu leugnen war.

Skeptisch schoss Taylors Augenbraue noch höher: „Ach ja? Du sitzt seit einer Stunde hier und hast noch kein einziges Wort auf deinem Laptop getippt, obwohl er die ganze Zeit aufgeklappt ist. Stattdessen starrst du das Display einfach an. Wirklich in Ordnung wirkt das nicht."

Ich wusste Taylor meinte es nur gut und machte sich, als Freundin, einfach nur Sorgen um mich. Prinzipiell schätzte ich ihr aufmerksames Verhalten auch sehr. Bei ihr würde ich schließlich dasselbe versuchen.

Doch ich konnte ihr auf gar keinen Fall erzählen, weshalb ich mich so ausgelaugt fühlte. Unter keinen Umständen.
Andernfalls würde ich im Erdboden versinken oder mich lebendig begraben lassen müssen.

„Ich schätze ich bin einfach müde. Ich konnte die letzten Nächte nicht gut schlafen.", zuckte ich belanglos mit den Schultern und trank einen weiteren Schluck Kaffee. "Ist bestimmt nur der Stress in der Uni."

Zumindest entsprach ein Teil der Wahrheit.
Seit letzter Woche, seit der Nacht, in der Noah in meinem Zimmer aufgetaucht war und mich geküsste hatte, fiel es mir schwer, mich in meinem eigenen Zimmer zu konzentrieren. An Schlaf war erst recht nicht zu denken.
Sobald ich meine Augen schloss, blitzten Bilder von Noah durch meine Gedanken.
Immer wieder spürte ich das Gefühl seiner weichen Lippen auf meinen. Begleitet von den ganzen anderen Emotionen, die mein Körper wahrgenommen hatte. Seitdem durchlebe ich all das jedes Mal, wenn ich an ihn denken musste —was eindeutig viel zu oft war.

All die kleinen Momente der letzten Wochen, im denen wir immer und immer wieder aufeinandergestoßen waren und Zeit miteinander verbracht hatten, hatten mich ohnehin mehr als verwirrt.

Der Kuss war bloß die Spitze des Eisbergs gewesen.

Langsam hatte sich Noah in mein Leben geschoben und unbemerkt tief unter meine Haut gegraben.

Jedenfalls versuchte ich ihm seitdem aus dem Weg zu gehen und meine wirren Gedanken zu ihm abzustellen.
Wir hatten kein klärendes Gespräch. Wir sind uns nicht noch einmal begegnet.
Nicht seitdem das zwischen uns passiert war.

My Roommates BrotherWo Geschichten leben. Entdecke jetzt