Ich hörte sie schon lange bevor sie in Sichtweite waren und schloss in genervter Erwartung meine Augen. Wusch.
„Na, was macht unser kleiner Vegetarier?", kreischte mein Artgenosse, der mir soeben mit dem Flügel im Vorüberfliegen eine verpasst hatte. Sofort brach er in hysterisches Gelächter aus, in das seine zwei Freunde, die nun ebenfalls um mich herumflatterten, mit einstimmten. Als wäre der Spruch auch noch nach dem 375. Mal noch lustig.
„Wetten, dass er bald beim Schlafen von der Decke runterfliegt?", kam es von der klein gewachsenen Fledermaus neben mir.
„Das ist er doch schon längst, seitdem tickt der ja nicht mehr ganz richtig!", antwortete seine Schwester hämisch, welche sofort einen Blick zu dem warf, der mir mit dem Flügel eine übergezogen hatte, bettelnd nach einem Kompliment für ihre grenzenlose Genialität. Ich ignorierte sie weiter, tun konnte ich eh nichts und nahm noch einen Happen von der Frucht, die mir als Abendessen diente.
„He du kleiner Spinner, willst du uns nicht nochmal erzählen warum du Vegetarier geworden bist?", fragte die kleine Fledermaus wieder höhnisch.
„Awww, mir tun die Tiere ja so leid, sie werden ständig krank wenn wir sie beißen, buhuuuuu.", ätzte seine Schwester. „Wir sind Vampirfledermäuse! Nur Idioten ernähren sich von Früchten!" - „Ich sags euch, bald will er uns alle zum Vegetarismus konvertieren!"
Ich verdrehte die Augen und machte mich zum Abflug bereit. Jede Nacht ging das so und sie schienen alle nicht müde zu werden mich deswegen zu hänseln. Nicht dass es mir etwas ausmachen würde, aber kreativer wurden die Sprüche und Witze schon lange nicht mehr.
Wir trinken von Natur aus das Blut von anderen Tieren, die Tiere würden doch sowieso früher oder später sterben, bla bla bla... der letzte Spruch der noch halbwegs amüsant gewesen war, war: „Du isst unserem Essen das Essen weg."
Mit einem unterdrückten Seufzer begann ich loszuflattern, nicht ohne mindestens einmal von den Dreien gepiesackt oder geschubst zu werden.
„Pass auf, dass du nicht in Ohnmacht fällst beim Fliegen!", kreischte es hinter mir, was abermals von Gelächter begleitet wurde.
Still segelte ich durch die Nacht und beobachtete das Treiben unter mir. Überall huschten kleine und große Waldtiere durch die Schatten, manche auf der Jagd, manche auf dem Weg zu ihrem Bau. Jeder andere meiner Artgenossen hätte in jedem dieser Tiere eine willkommene Mahlzeit gesehen, doch ich hatte da andere Ansichten. Besonders seit dem letzten Waldbrand, nachdem bereits viele Tiere gestorben waren, waren sie weniger geworden. Was die anderen nicht davon abhielt sich mehr als nur nötig den Bauch vollzuschlagen, was wiederum dazu führte, dass viele krank wurden und starben. Diese Tatsache hatte mich zu meinem Entschluss gebracht mich nicht mehr von Blut zu ernähren, sondern wie auch unsere nahen Verwandten, von Früchten. Das hatte mich zum Außenseiter in der Kolonie und zur Zielscheibe vieler Witze und Sprüche gemacht, doch das war verkraftbar. Sie würden schon sehen was sie davon hatten, wenn die vielen kranken Tiere zu einem ernsthaftem Problem werden würden. Doch bis dahin würde es wohl noch dauern...
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Inktober 2022 (but I write)
Cerita PendekEine etwas abgewandelte Form des Inktobers, denn ich werde nicht zeichnen, sondern schreiben! Warum? Weil ich keine Zeit zum Zeichnen habe :D. Enjoy!