(Aka der Reiseblog einer schlecht gelaunten Brieftaube)
Tag 12
Nicht zu fassen. Nicht zu fassen.
Da steht man EINMAL früh auf um früher loszufliegen und das Wetter denkt sich einfach: Nö.
Es war neblig wie sonst was und nieselte. Ratet mal wessen Unterstand nicht wasserdicht war? Richtig, meiner.
‚Heute könnt ihr mich alle mal.', dachte ich mies gelaunt und kackte einem Cabrio-Fahrer, der unter mir auf der Autobahn fuhr, auf den Kopf. Mit offenem Verdeck wohlbemerkt, wo bliebe denn sonst das wenige Vergnügen, das mir vergönnt war? Hach, warum bin ich eigentlich Brieftaube geworden? Hätte ich doch nur nicht auf meine Mutter gehört, die mir immer wieder sagte: (hier eine gekünstelt hohe Stimme einfügen) „Sohnemann, werde eine Brieftaube, es ist der beste Job den du als Taube kriegen kannst!"
Ja ne, is klar. Naiv wie ich war hatte ich mich dazu überreden lassen und nun flog ich hier. Nass, kalt und umgeben von Idioten. Im Ernst, denkt ihr wirklich es macht Spaß eine Brieftaube zu sein, wenn jeder andere bekloppte Vogel im Luftraum die Intelligenz einer Erdnuss besaß? Bei manchen muss man sich wirklich fragen ob die Prüfer für den Flugschein nicht besoffen waren- HE!
Wenn man vom Teufel spricht, kommt er und kackt einem auf den Kopf. Beinahe hätte eine verdammte Amsel mich aus der Flugbahn gefegt und wer war der Depp, der Ausweichen und dabei fast in einen Baum fliegen musste? Richtig, ich.
Seufz. Das Leben ist hart. Aber Krähen sind schlimmer, die fliegen 90% der Zeit als hätten sie mindestens eineinhalb Promille intus.
Na gut, Lageverordnung. Derzeitiger Stand: Irgendwo in der Pampa. Na klasse. Nächster Halt: Bielefeld. Doch erstmal holte ich mein Frühstück nach. Ja, Paragraf 67, Absatz 45 der Flugverordnung besagt, dass man im Dienst keine Mahlzeit überspringen soll, doch mal im Ernst, wer kriegt denn bitte von Regen aufgeweichte, pampige Pflanzensamen? Also irgendwo muss doch auch mal Schluss sein.
Nach dieser Pause ging es weiter. Meinen Weg kreuzten zwei Finken, die herumflatterten als wären sie auf Crack, und dann noch zu allem Überfluss noch ein Falke. Heute bekommt man wirklich keine Ruhe.
„Verpiss dich du aufgegockelter Federhaufen!", kreischte ich dem großen Vogel, der mich als Mahlzeit im Visier hatte, zu. Oh oh, ich musste echt einen Zahn zulegen. Ich ließ mich immer tiefer gleiten bis ich beinahe die Baumwipfel berührte. Hektisch warf ich einen Blick zurück und sah zu wie der Falke, unser gefürchtetster Feind, der hinter hervorgehaltenem Flügel auch „König der Lüfte" genannt wurde, in den Baum flog.
Beeindruckend.
Soweit so gut, immerhin war ich nicht mehr in Lebensgefahr. Was ein Fortschritt. Und wie immer wenn einem etwas Gutes im Leben passierte, musste es einen Ausgleich geben. Es fing wieder an zu regnen.
‚Ihr könnt mich alle mal am Bürzel picken.', dachte ich genervt, während ich, mal wieder, bis auf die Haut durchweicht wurde. Ich hasse meinen Job.
Wenigstens wurde der Flugverkehr wegen des Wetters weniger. Machte es aber auch nicht besser.
Zwei Stunden später, es regnete noch immer, erreichte ich endlich meine Endstation für heute. Hallo Bielefeld, ich hasse dich jetzt schon. Dann suchen wir uns doch mal einen, wasserdichten, Unterschlupf. Zuerst peilte ich die Kirche an, doch dort hockten auf einem langen Geländer mehrere junge Spatzen. Ihr lautes Geschnatter brachte mich schnell zu dem Entschluss mir eine andere Stelle zu suchen. Verfluchte Stadtkinder.
Nach einer weiteren Stunde fand ich endlich einen gottverdammten, verlassenen Dachboden in den ich hineinschlüpfen konnte. Kaum hatte ich es mir gemütlich gemacht, kam jedoch ein Spatz angeflattert.
„He Alter!", piepste er aufmüpfig und plusterte sich auf. „Das ist mein Platz!"
„Tja, Pech.", brummte ich und beäugte ihn. Bevor der Kleine Stress schieben konnte, gab ich ihm einen Stoß mit dem Flügel und sperrte ihn mit einem Stück Holz, das ich vor den Eingang schob, aus.
So. Endlich kann ich schlafen. Ihr könnt mich immer noch alle mal.
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Inktober 2022 (but I write)
Short StoryEine etwas abgewandelte Form des Inktobers, denn ich werde nicht zeichnen, sondern schreiben! Warum? Weil ich keine Zeit zum Zeichnen habe :D. Enjoy!