❅ Kapitel 13 ❅

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„𝐋𝐚𝐬𝐬 𝐝𝐢𝐫 𝐝𝐞𝐢𝐧 𝐋𝐞𝐮𝐜𝐡𝐭𝐞𝐧 𝐧𝐢𝐜𝐡𝐭 𝐧𝐞𝐡𝐦𝐞𝐧, 𝐧𝐮𝐫 𝐰𝐞𝐢𝐥 𝐞𝐬 𝐚𝐧𝐝𝐞𝐫𝐞 𝐛𝐥𝐞𝐧𝐝𝐞𝐧."
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   „Und gestern hat Olaf einen riesigen Hirsch gefangen! Du hättest ihn sehen sollen! Wir durften ihn sogar streicheln! Aber dann hat ihn Olaf wieder frei gelassen, da es zu schade wäre ihn zu essen! Und genau das hätte Jake dann gewollt! Gut, dass er den Hirsch nicht gesehen hat Oder?", sprach Nelli aufgeregt ohne eine einzige Pause. „Ja, auf jeden Fall", antwortete Nick, der gar keine Ahnung hatte, was sie ihn gerade gefragt hatte.

Schon den ganzen Morgen über, als sie Pilze sammelten, hatte ihm seine Schwester über ganz viele tolle Sachen erzählt, die es hier gab. Und Nick fragte sich immer wieder, wie sie so optimistisch bleiben konnte, obwohl Nelli wahrscheinlich auch sehr viele schlimme Dinge gesehen hatte, wie zum Beispiel die Feroxen. Nick wunderte sich, dass er jetzt nicht mehr ängstlich auf die Biester reagierte, nachdem er Wild getroffen hatte. Was machte wohl jetzt Wild? Wahrscheinlich hat er ihn jetzt eh vergessen, warum sollte sich Nick also Sorgen machen?

Nick zog einen weißen Pilz aus der Erde und legte ihn in seinen Korb. Nelli erzählte in der Zeit irgendetwas über wundeschöne Blumen, die sie mal auf einer Wiese vor einer Woche gesehen hatte. Nick hörte nicht wirklich zu, aber er verstand von Nellis Beschreibungen, dass es wohl ganz normale Gänseblumen waren, die seine kleine Schwester wohl noch nicht mit Namen kannte. Alice, eine der wenigen Mädchen, die überlebt hat und somit die einzige Freundin von Nelli, sammelte gerade auch Pilze. Sie nickte manchmal auf Nellis Fragen, tat so als hätte sie Nicks Schwester zugehört, doch Nick wusste, dass es unmöglich war, es wirklich zu tun, so viel wie Nelli redete. Nick hat Alice zuvor in seinem Dorf noch nie getroffen, aber jetzt musste er dreimal am Tag mit ihr und seiner Schwester Pilze sammeln gehen, also gab es noch sehr viel Zeit sie besser kennenzulernen. Alice war ungefähr 14 Jahre alt, sie war schlang, hatte schwarze Haare und wunderschöne grüne Augen. Außerdem lächelte sie viel und unterstütze oft andere. Nick fand Alice bisher sympathisch. Eigentlich gab es im Lager der Überlebenden ganz viele nette Menschen, warum musste aber unbedingt Jake als Häuptling auserwählt werden? Das war für Nick ein Rätsel. Doch alle Menschen hatten viel Respekt vor ihm, was Nick wohl auch lieber haben sollte.

„Wisst ihr schon, was wir zum Mittagessen haben?", fragte Nick nach einer Weile, er hatte einen gewaltigen Hunger.
„Man kann es leider nie wissen", lächelte Alice traurig, „einmal sogar, haben die Jäger gar nichts fangen können, also hatten wir nichts zu essen."
„Aber das war ein einziges Mal! Die anderen Tage haben wir immer etwas bekommen. Genug, dass sich alle sat essen konnten. Weißt du Nick, jede Mahlzeit ist hier fast schon wie ein Fest! Die Überlebenden sitzen alle zusammen in einer Runde, wie eine große Familie und essen gemeinsam, ruhen sich nach der Arbeit aus! Ach ja und eigentlich ist doch toll, wenn wir nicht wissen, was wir essen, dann ist es wie eine Überraschung, weil ... weil man weiß es ja nicht!", kam aus Nelli wie aus einer Pistole geschossen.
Nick schnaubte, doch antwortete dann:
„Ja ok. Cool. Also, ich sehe es so, solange wir überhaupt was bekommen, ist alles gut. Wenn nicht, dann gehe ich halt alleine jagen und zeige diesen Jägern wie das wirklich geht!"

Zum ersten Mal antwortete Nelli nichts darauf, sondern presste erschrocken die Lippen zusammen und rollte danach mit den Augen. Dann ergriff Alice das Wort:
„Tu es auf gar kein Fall! Es ist strengstens verboten, Nick! Jeder darf nur seine eigene Aufgabe erledigen und nicht die von den anderen! So hat Jake, unser Häuptling, entschieden und vielleicht auch nicht ohne Grund, also muss es auch so sein! Ich weiß, dass du erst seit gestern bei uns bist, doch du solltest unseren Regeln befolgen und dich vielleicht mehr mit ihnen auseinandersetzen."
Ihre Worte trafen ihn ins Herz. Fanden hier alle Menschen diese Regeln etwa so wichtig?
„Ja-ja, war doch nur Spaß", murmelte Nick enttäuscht. Nelli atmete erleichtert auf und fing wieder an, irgendwas zu erzählen.

* * *
Am Abend saß Nick vor einem der Lagerfeuer und guckte auf die Flammen. Der Tag war schrecklich. Noch nie hatte er so einen schweren Tag gehabt. Was fiel diesen Jake ein, die Menschen jeden Tag dazu zu zwingen, die gleiche Arbeit zu machen? Bestimmt interessierte es den Häuptling nicht einmal, wie schwer es die Menschen hatten, er selbst saß ja wahrscheinlich die ganze Zeit in seinem Zelt auf dem Hocker und überlegte sich neue Regeln.

Doch trotzdem gefiel Nick dieses Leben mehr. Das dachte er sich zumindest. Ob er hier glücklich war? Nein. Aber er hatte hier seine kleine Schwester und vielleicht noch Alice zu der er langsam anfing Gefühle zu entwickeln. Seinen Vater hatte Nick den ganzen Tag über nicht gesehen, da er ja zu beschäftigt mit seinen Aufgaben war. Sogar in den Pausen hatte er einfach keine Zeit für seine Kinder. Nick seufzte. Früher war Richard anders. Und die anderen Menschen waren anders. Und die Regeln. Nur seine Schwester blieb, wie sie war — ein kleines süßes Mädchen, das sich über alles freute. Ob sie es leicht hatte? Ganz bestimmt nicht. Niemand hatte es jetzt leicht. Doch die Menschen blieben zusammen und unterstützten einander und das gefiel Nick. Schon so lange hatte er keine Menschen mehr gesehen. Das Einzige, was ihm fehlte, war Wild. Nick schüttelte sein Kopf und versuchte den Gedanken zu verjagen.
Plötzlich setzte sich jemand neben ihn hin und Nick sah Alice.
„Hey, Nick, du solltest vielleicht schon schlafen gehen. Morgen müssen wir ja früh aufstehen. Schon vergessen?"
„Ja klar. Ich gehe gleich. Mach dir keine Sorgen. Jetzt weiß ich ja, dass man hier spätestens im Bett liegen sollte, wenn die Nachtigallen anfangen zu singen. Und Regeln muss man ja befolgen", mit diesen Worten schnaubte Nick wütend und drehte sich von Alice weg. Er war immer noch enttäuscht, trotz seiner noch nicht so starken Liebe zu Alice.

„Nick. Ich weiß, wie schwer es dir fällt. Aber du musst verstehen, dass es nicht anders geht. Es ist doof so zu leben, doch so ist es nun mal hier. Weißt du, Nick, Jake hat es ja auch nicht leicht. Er hat seine Frau und seine zwei Töchter verloren, das Unvermeidliche hat ihn selber fast mitgenommen. Ich kannte ihn vor dem Angriff, früher war er nicht so. Der Feroxenangriff hat viele Menschen verändert. Hier im Lager sind wir, alle Überlebenden, versammelt und Regeln haben wir, weil es einfach leichter für uns ist. Ich habe es früher auch nicht verstanden, aber jetzt tue ich es und du wirst es auch bald tun.", sprach Alice und berührte Nick leicht an der Hand. Dann ging sie in ihr Zelt.

Doch Nick blieb noch lange wach, solange, bis die ersten Nachtigallen sangen.

Ein FeroxWo Geschichten leben. Entdecke jetzt