Kapitel 2

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‚WARNUNG. MOTORSPORT KANN GEFÄHRLICH SEIN', stand in großem Lettern auf den Eintrittskarten. Ginge es nach Michelle würde jeder Fan und potentieller Teilnehmer noch in feuerroter Schrift davor gewarnt, dass der Sport für die persönlichen Finanzen besonders risikoreich war. Wie beendete man eine Saison am besten mit einer Million am Konto? Man musste dafür nur mit 10 Millionen anfangen.

Nick hielt Fritzis Bierstube für einen großzügigen Sponsor. Teilweise war das auch richtig. Fritz spendierte ihr jedes Jahr zu Saisonanfang ein paar Sätze neue Reifen, die schon teuer genug waren. Die Barbeträge, von denen Nick glaubte, dass sie der alte Freund ihres Vaters ihnen immer wieder darüber hinaus zusteckte, verdiente sie in Wahrheit als Küchenhilfe. Der Job war anstrengend und die Bezahlung mäßig, brachte aber genug Geld in ihre Kasse, um die Anreise zu den Rennen und die eine oder andere Übernachtung in einem Hotel für Nick und sie zu finanzieren.

Wegen der geplanten Siegesfeier hatte sie am Freitagabend keine Schicht übernommen. Heute konnte sie ihrem Schicksal nicht mehr entkommen. Nachdem sie in der Werkstätte rasch geduscht und sich von Nick verabschiedet hatte, fuhr Michelle nicht nach Hause, sondern machte sich direkt auf den Weg in die Bierstube. Ihr Dienst begann und 18 Uhr, folglich hatte sie gerade ausreichend Zeit, um sich im Personalraum eilig umzuziehen. Der Vorteil ihrer Arbeit in der Küche war, dass sie dort im Idealfall keinen Kontakt mit Gästen hatte. Dennoch bestand Fritz darauf, dass jeder Mitarbeiter dieselbe Dienstkleidung trug, Lederhosen und Hemd für die Herren, Dirndl für die Damen. Mit geübten Fingern schnürte sie ihr Mieder locker genug, um ausreichend Bewegungsfreiheit zu haben, und zwang ihre Haare, die am Ende der Schicht dennoch von Frittierfett durchtränkt sein würden, in das gesetzlich vorgeschriebene Haarnetz.

Alexandra war an der Schank damit beschäftigt, duzende Bierkrüge zu befüllen. Gerade als Michelle die Gunst der Stunde nutzen und unauffällig an ihr vorbei zu Küchentür schleichen wollte, sah Fritzis Frau auf und rief sie zu sich. Sie unterdrückte eine Grimasse. Verdammt!

„Hallo Alexandra, wie geht es euch? Sorry wegen der Party."

Ihre Chefin winkte ab. „Mach dir keinen Kopf wegen der Geschichte, es war genug los gestern. So wie heute."

„Ja, das sehe ich. Ich mache mich gleich auf den Weg in die Küche."

Alexandra nickte und wandte sich wieder ihrer Arbeit zu. Sie glaubte fast, davongekommen zu sein, als ihr ihre Chefin nachrief: „Warte, bevor du gehst, schau doch kurz ins Büro. Fritz wollte dich sprechen."

Michelle biss sich auf die Zunge. Doppeltes Verdammt!

Zögerlich öffnete sie die Türe zum Hinterzimmer, wo Fritz über den Bestellungen für die nächste Woche saß. Ihr alter Freund lächelte breit, als er sie sah. „Mädchen, da bist du ja endlich. Wir haben dich gestern vermisst. Komm her." Bevor Michelle reagieren konnte, hatte er sie in eine kräftige Umarmung gezogen. „Was machst du denn für Sachen?"

Sie versteifte sich und tat einen Schritt zurück. Es fiel ihr schwer, Fritz in die Augen zu schauen. „Ich nehme an, Alexandra hat dir erzählt, was passiert ist?"

Ihr Chef schnaubte ungehalten. „Du hast dir ganz schön lange Zeit gelassen, um mit der Wahrheit rauszurücken. Aber komm, setzt dich zuerst mal zu mir. Hast du schon zu Abend gegessen?" Fritz war ein begeisterter Verfechter der Theorie, dass man geschäftliche Gespräche am besten über einem guten Essen führen sollte, und private sowieso.

Sie nickte, obwohl ihr Magen nach dem Nachmittag in der Werkstätte unangenehm knurrte. Die Bierstube war stadtbekannt für ihre riesigen Wienerschnitzel und Michelle wusste aus Erfahrung, dass sie das später im Fitnessstudio bitter bereuen würde. „Danke, habe ich schon."

MonopostoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt