Kapitel 13

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Mini hatte trotz der Karotte in Form des Shelby-Mustangs damit gerechnet, am Ende die gesamte Strecke bis nach Sestriere mit dem Motorhome fahren zu müssen. Da RJ den Besitz eines Führerscheins gegenüber dem Team bestritten hatte, übernahm sie die erste Schicht. Sie vereinbarten, sich nach der halben Distanz bei einem Tankstopp zu treffen und zu tauschen. Sie musste sich eingestehen, dass sie selbst in der umgekehrten Position eventuell der Versuchung erlegen wäre, sich mit dem Mustang aus dem Staub zu machen. Als sie durchgeschwitzt und nach dem Kampf mit dem tonnenschweren Straßenkreuzer nicht mehr in bester Laune bei der vereinbarten Raststation ankam, rechnete sie deshalb nicht ernstlich damit, den glänzenden Sportwagen am Parkplatz stehen zu sehen.

RJ hatte sich anfangs redlich bemüht, sich ihrer gemächlichen Gangart am rechten Fahrstreifen anzupassen, und war mit 90 km/h vor ihr hergezuckelt. Bald hatte ihn aber die Geduld verlassen und er war mit Vollgas auf der Überholspur aus ihrem Blickfeld verschwunden. Sie konnte es ihm gar nicht mal verübeln. Angesichts der Geschwindigkeitsdifferenz zwischen ihren Fahrzeugen war auch klar, dass RJ ihren Treffpunkt lange vor ihr erreichen würde.

Zu ihrer Überraschung stolperte sie vor der Zapfsäule beinahe über ihren Teamkollegen. RJ sah gnadenlos gut aus, als er in seinem frischen, hellblauen Hemd im Schatten neben der Tankstelle lehnte und ihr eine lauwarme Flasche Wasser reichte, die sie gierig austrank. Obwohl sie kaum mehr als 300 Kilometer gefahren und bei ihren Anreisen zu den Rennen sonst ganz andere Distanzen gewohnt war, fühlte sie sich, als hätte sie eine sportliche Höchstleistung hinter sich. Den letzten Abschnitt über die Stadtautobahn von Mailand mitten in der Rushhour in dem ungewohnten Gefährt waren ein Albtraum gewesen. Wie sie neben seiner Perfektion im Augenblick wirkte, wollte sie sich gar nicht ausmalen - vermutlich roch man sie einen Kilometer gegen den Wind!

„Danke", japste sie, nachdem sie ihre Flasche in einem Zug geleert hatte, „das habe ich gebraucht. Hast du schon lange auf mich gewartet?"

RJ grinste, bevor er sie für einen raschen Kuss an sich zog. Seine Lippen waren wunderbar kühl.

„Eineinhalb Stunden", murmelte er. „Und der Anblick war es wert."

Sie verdrehte ihre Augen. „Alter Lügner. Du hast inzwischen bestimmt zweimal tanken müssen. Vielleicht bist du 30 Minuten vor mir da gewesen, keine Sekunde früher. Und," fügte sie hinzu, „was meinen Anblick betrifft, muss ich dich gleich warnen, dass ich nicht ein Stück saubere Kleidung mehr dabei habe. Ich habe genau für vier Tage gepackt."

Seine dunklen Augen blitzten auf. „Ist das so? Nun, dann werde ich dir wohl etwas von mir leihen müssen. Mit Unterwäsche kann ich zwar nicht dienen, aber ohne gefällst du mir ohnehin besser."

Für diesen Kommentar hatte er den Rest ihres Wassers über den Kopf verdient, aber die plötzliche Hitze zwischen ihren Beinen ließ sie stattdessen suggestiv grinsen. „Lieber Rhys, ich verzichte gerne gänzlich auf Unterwäsche, wenn dir die Vorstellung, dass ich unter meinem Rennanzug nackt bin. Denke nur schön daran, während du auf der Piste bist."

„Ich dachte", knurrte er, „dass du im Sport keine unfairen Mittel einsetzt. Mich derart abzulenken ist nach meiner Einschätzung ziemlich fies. Ich würde dich am liebsten gleich hier nehmen."

Die wohlige Hitze verstärkte sich. Einen Augenblick war sie versucht, zuzustimmen, das Motorhome auf den Parkplatz zu stellen und mit RJ in den hinteren Teil zu gehen. Dann fiel ihr Blick auf die Überwachungskameras und die um sie herumstehenden LKW. Danke, da passte sie lieber. Mit einer Spur von Bedauern schüttelte sie den Kopf. „Etwa im Motorhome, mitten auf einer Autobahnraststätte?"

„Oder im Mustang, wenn es dir lieber ist", antworte RJ wie aus der Pistole geschossen.

Mini musste bei so viel lüsternem Optimismus grinsen. „Das wäre ja noch schöner! Ich bin weder Exhibitionistin noch Verrenkungskünstlerin."

MonopostoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt