10. Olivia

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Wie versteinert stand ich vor dem großen Schreibtisch und starrte auf den Bürostuhl.
Das ist nicht mein Büro.
Das hier ist das Geschäftsführerbüro.
Ich bin nicht der Geschäftsführer.
Ich kann das alles gar nicht, ich war bis her nur bei ein paar treffen. Tony hat das bis jetzt alle gemacht.
Aber Tony ist weg ... ich bin allein...

Hinter mir räusperte sich jemand.
„Miss Stark, wollen sie sich nicht setzen?"
Ruckartig drehte ich meinen Kopf und sah direkt ins Gesicht des unsicher dreinblickenden General Pierce.
„Sicher... ich..." schnell lächelte ich, um meine kleine Panikattacke zu überspielen.
Ich ging zu dem Regal an der wand und nahm eine alte Armee Akte heraus.
„Ich wollte mir noch kurz die Vorjahres Zahlen ansehen um mir einen Überblick zu verschaffen... ich... ich mach den Job ja noch nicht lange." wieder lächelte ich, doch in den Augen des Generals konnte ich Mitleid sehen.
„Trotz des... kleinen Zwischenfalles ... waren ihre Leute sehr überzeugt von der Jerico...." meine Stimme versagte, als ich mir vorstellte wie Tony tot am Wüstenboden lag.
Ich wusste nicht sicher ob er wirklich tot war, aber es gab wirklich keine großen Chancen dass er noch lebte.
„Ähm Ja... mein Beileid." Pierce räusperte sich.
Mit dem Ordner in der Hand stand ich wieder vor dem Schreibtisch und brachte es nicht übers Herz mich zu setzten, es fühlte sich einfach falsch an.
Der General starrte mich wieder an.
Letztendlich musste ich mich doch setzten.
Das Leder war kalt und der Stuhl war viel zu tief eingestellt, ich verschwand hinter dem Schreibtisch und wurde fast unsichtbar.
Dieser Platz war einfach nicht für mich bestimmt.
„Also, der Kostenvoranschlag wurde ihnen schon Elektronisch übermittelt. Nur haben ihre Leute bis jetzt noch nicht zugestimmt." begann ich.
„Aus Respekt vor den Geschehnissen der letzten Zeit, hielten wir es für taktvoller ihnen einen eine Pause zu gönnen."
Erklärte Pierce und lächelte mitleidig.
Ich wollte dass er aufhörte, er sollte aufhören Mitleid zu haben.
Im Grunde hatte ich es gar nicht verdient, denn Tony und ich standen uns nie nahe.
Trotzdem fühlte es sich komisch bedrückend an.
Als hätte man einem Hochseil Artisten sein Sicherheitsnetz genommen, dass ihn vor dem Fallen bewahren sollte.
Ich war allein.
Und ich fiel ungebremst auf den Boden zu.

Als der General endlich weg war, hielt ich es nicht mehr im Büro aus.
Ich packte meine Tasche und flüchtete auf den Flur.
Kaum dass ich aus der Tür trat, rannte ich in Obadiah.
„Wow wow, wo willst du den hin?"
„WEG. Einfach weg."
„Aber du kannst nicht einfach gehen, heute sind doch ein paar Meetings."
Ich schüttelte hektisch den Kopf.
„Nein, nein. Ich muss hier raus... du bist stellvertretender Geschäftsführer... das musst du heute machen. Bitte."
Besorgt musterte er mich.
„Geht es dir gut?"
„Ich... mein Bruder ist weg, vielleicht sogar ganz und für immer. Ich hab keine Ahnung wie das hier alles funktioniert, geschweige denn wie ich das alle schaffen soll und diese drecks Seminararbeit hab ich auch noch nicht fertig." sprudelte es aus mir heraus.
Ein sanftes lächeln zeichnete sich auf Obadiahs Gesicht ab.
„Geh nach Hause, ich Regel alles."
„Danke."

Noch ehe meine Wohnungstür ins Schloss gefallen war, sank ich zu Boden und begann zu weinen.
Ich hatte mir die ganze Zeit über nicht erlaubt zu weinen, es hatte sich komisch angefühlt weil Tony und ich wirklich nicht die beste Beziehung zueinander hatten.
Aber ich vermisste ihn.
Für mich war er immer nur der Typ gewesen, der meine Zeugnisse unterschreiben musste, der mit mir eine Firma leitet, der gelegentlich sicherstellte dass ich noch lebte...
Erst als er weg war, wurde mir bewusst das dass für mich am nähesten an Familie rankommt.
Und das war er für mich ja auch im Prinzip.
Und ich glaube, ich für ihn auch.
Zu blöd dass ich ihm das wahrscheinlich nie sagen können würde.

Im Schatten des Tony StarkWo Geschichten leben. Entdecke jetzt