7. Kapitel

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Der nächste Tag lief, mit Ausnahme der durch Jetlag und nächtlich Party deutlich gesteigerten Kopfschmerzen, wieder genauso ab wie der Samstag. Bis auf den Weckdienst, der diesmal, entweder Dank meiner verbesserten Weckerstellkünsten, oder wegen eventuellen Morddrohungen durch Natasha ausblieb. Nach dem Training trugen mich meine Beine quasi automatisch zum Garten. Heute war es wahrscheinlich eigentlich ganz ok gelaufen. Wir hatten kein Zielschießen mehr geübt, dafür umso mehr Nahkampf. Ich konnte allerdings nicht wirklich erkennen, ob ich Vortschritte machte. Jedesmal wenn ich eine Übung einigermaßen hinbekam, was ungefähr einmal pro Stunde passierte, wartete die nächste schon. Und wenn ich in den Trainingskämpfen langsam das Gefühl hatte, nicht mehr so hilflos zu sein, sah ich Sam und Bucky im Nebenring und erkannte, wie sehr Clint und Natasha sich zurückhielten und wie viel ich noch zu lernen hatte. Klar, das war erst mein zweiter Tag, aber ich trainierte schließlich mindestens 5 Stunden, da konnte man schon mal frustriert werden. Mitten in diesen düsteren Gedanken musste ich plötzlich grinsen, denn Sam und Bucky beim Training zuzusehen, war trotzdem auch ziemlich lustig. Ohne seinen Anzug, den er in der Halle wegen gewisser Vorfälle in der Vergangenheit nicht mehr benutzen durfte, hatte Sam in fairen Kämpfen kaum eine Chance und verlor deshalb meistens, obwohl er sich immer erstaunlich lange hielt. Beim letzten Kampf, wetteten sie aber immer um irgendwas und bis jetzt hatte Sam es jedesmal geschafft, Bucky durch irgendeinen Trick so aus der Fassung zu bringen, dass er ihn im entscheidenden Moment besiegen konnte. Heute hatte er sich von Natasha diesen Trick angeschaut, bei dem man die Beine um den Hals seines Gegners schlang. Natasha wollte mir das auch schon beibringen, aber ich hatte dabei leider hoffnungslos versagt. Sam schien allerdings ein Naturtalent darin zu sein und Bucky war so überrascht gewesen, dass er  zu Boden ging und dort erstarrte. Sam würgte ihn grinsend, bis er aufgab und sich mit hochrotem Kopf aufrappelte, während Clint sich ein paar unanständige Kommentare nicht verkneifen konnte. Das trug nicht gerade zum Rückgang der Verfärbung von Buckys Gesicht bei, aber Sam zog nur die Augenbrauen hoch und deutete auf mich. "Hüte deine Zunge, Clint, es sind Kinder im Raum!"
Dann zwinkerte er mir zu und verließ hochvergnügt und stolz grinsend den Raum, während Bucky ihm besiegt hinterhertrottete. Jedenfalls musste Bucky jetzt die Abendpatrouille übernehmen.
Bei diesen Erinnerungen grinsend, setzte ich mich ans Ufer des Sees auf einen Stein und starrte die kleinen Wellen an. Es wehte ein leichter Wind, alles war still und eigentlich friedlich. Bis plötzlich wie aus dem Nichts eine Art Komet vom Himmel fiel, der überflüssiger Weise auch noch: "Aus der Bahn!" schrie. Als das Geschoss neben mir einschlug, erkannte ich Harley in einem Ironman-Anzug.
"Wow, alles ok?", fragte ich, als sich mein Herzschlag wieder normalisiert hatte.
Er klappte das Visier auf. "Ja klar, ich dachte nur ich mach Mal ein kleines Nickerchen am Strand." "Du bist vom Himmel gefallen!"
"Dieses Ding zu fliegen ist nicht so leicht wie es aussieht!"
Ich lachte. In diesem Moment tauchte der eigentliche Iron Man über uns auf.
"Alles OK?", hörte ich seine Stimme aus Harleys Helm.
"Alles gut!", bestätigte der.
Tony landete wesentlich eleganter neben uns.
"Wie war das Training?", fragte er mich.
"Normal anstrengend."
Tony lachte.
"Ist es nicht unfair, dass ich eine volle Rüstung bekomme und du die gesamte Arbeit selbst machen musst?", merkte Harley an.
"Ein bisschen. Aber wahrscheinlich denken alle ich hätte die Superkräfte von Thor geerbt."
"Und?"
"Schaut eher schlecht aus, bisher bin ich ganz normal."
Er machte den Mund auf um zu antworten, als wir von Peter unterbrochen wurden, der in vollem Anzug angeschwungen kam.
"Ist alles okay? Ich hab nur 'ne Staubwolke gesehen, was ist passiert?", fragte er besorgt, nachdem er seine Maske abgenommen hatte. "Harley ist vom Himmel gefallen!", erklärte ich und konnte nicht verhindern, dass mir ein Kichern entwischte. Harley schien aber nicht böse, er und Tony lachten mit und Peter stimmte nach kurzem Zögern erleichtert ein.
"Wie kommst du mit dem Anzug zurecht?", fragte er Harley.
"Ganz gut, aber ich muss mich noch dran gewöhnen. Es ist ziemlich viel neuer Schnickschnack dabei und außerdem..." Plötzlich erschien in der Mitte der Wiese ein gelber Funkenkreis, ein Portal. Sofort schnappten Tonys und Harleys Visiere zu und ihre Booster waren geladen auf die Öffnung im Nichts gerichtet. Peter packte mich und zog mich so mit einer dermaßenen Kraft hinter sich, dass ich nicht hätte stehen bleiben können, selbst wenn ich nicht so überrascht gewesenen wäre. Doch nur Doctor Strange trat daraus hervor. Er hatte sein gewohntes Outfit an und ich fühlte mich unwillkürlich an letzten Freitag erinnert. Doch dieses Mal trug er noch seinen Umhang, der sich wie selbstverständlich hinter seinem Rücken bewegte. Alles in einem wirkte er sofort respekteinflößend. Strange blickte sich um und entdeckte uns.
"Hallo!" Er kam auf uns zu. "Ich muss mit den Erwachsenen reden, wisst ihr wo sie sind?"
Tony klappte sein Visier hoch. "Also bitte, so klein bin ich dann auch wieder nicht!"
"Ich bin mir ihrer Anwesenheit durchaus bewusst, Stark. Vermutlich hätte ich mich konkreter ausdrücken sollen: Ich suche einen kompetenten Erwachsen, der nicht die letzen drei Lagebesprechung für das Trainieren eines Kindes sausen hat lassen!"
Tony setzte zu einer empörten Antwort an, doch Strange ließ ihn nicht zu Wort kommen.
"Wo ist Steve Rogers?"
"Ich hole ihn!", bot Peter an und schwang los.
"Danke Peter."
Als er sich wieder umdrehte schien er bewusst Tony zu ignorieren, der ihn passiv aggressiv anstarrte, und mussterte stattdessen Harley. "Ah, Mister Keener, ich habe mich schon gefragt wann sie hier auftauchen würden."
"Äh." Harley wirkte etwas überfordert. "Harley. Nennen sie mich Harley."
Doctor Strange nickte kurz, dann wandte er sich an mich. "Unser erstes Treffen ist nicht ganz so vorteilhaft verlaufen, ich hoffe es wird in Zukunft keine solchen bedauerlichen Zwischenfälle mehr geben, Fenja."
"Äh, ja, hoffen wir's."
Wahrscheinlich sollte das eine Art Entschuldigung für die plötzliche Entführung sein. In diesem Moment kamen Cap und Peter über den Rasen zu uns.
"Schön sie zu sehen Strange", ergriff Steve sofort das Wort. "Hoffentlich haben sie gute Nachrichten."
Doctor Strange nickte leicht. "Meine Zauberer sind bereit, Shuri und T'Challa bereiten Wakanda vor, dürften aber noch heute Abend hier eintreffen, genauso wie Mister Lang und seine Partnerin."
Cap wirkte erleichtert. "Danke!"
"Gibt es Neuigkeiten aus Asgard? Oder anderweitigen
"Ach und das ist eine Information, mit der ich nichts hätte anfangen können, oder was?" Tony stemmte empört die Hände in die Hüften. "Man muss die letzte Lagebesprechung nicht mitgemacht haben, um zu verstehen, dass das eine gute Nachricht ist!"
Ein kleines Lächeln umspielte Stranges Lippen und er neigte den Kopf. "Jetzt wäre ich jedoch einer Unterkunft nicht abgeneigt."
Als er das sagte, vielen mit die dunklen Ringe unter seinen Augen auf und ich fragte mich, wie lange er wohl schon nicht mehr geschlafen hatte.
"Natürlich, sie wissen ja wo ihr Zimmer liegt", meinte Cap und Doctor Strange durchquerte den Garten und verschwand im Wohnflügel. "Heißt das wir sind jetzt im Krieg?", fragte ich. "Nicht automatisch", antwortete Steve, "aber wir sollten auf alles vorbereitet sein. Wir dürfen auf keinen Fall zulassen, dass Ketan die Erde erreicht, sobald er sich zeigt müssen wir den Kampf zu ihm tragen."
Eine Stunde später saß ich im Gemeinschaftsraum und langweilte mich, als Shuri und T'Challa den Raum betraten. Shuri kam zu mir und setzte sich neben mich auf die Couch.
"Hey, wie läuft's in Wakanda?", begrüßte ich sie. "Ganz gut, unsere Krieger sind bereit. Was war hier so los?", fragte sie.
"Nichts Besonderes. Ach doch, gestern ist Harley angekommen."
"Der kleine Junge aus Ironman 3?"
"Genau der. Inzwischen ist er aber so um die 16 glaub ich."
Da kam Tony auf uns zu. "Du solltest noch Mal mit ins Labor, ich hab ein neues Kommunikationsgerät entwickelt, aber wir müssen es noch auf eure Technik einstellen.", verkündete er an Shuri gewandt.
Und schon waren die beiden wieder verschwunden.
"Hey, gehst du zu Doctor Strange und sagst ihm, dass es Essen gibt?", bat mich Steve.
"Okay, wo?"
"Gleich gegenüber hinten links."
Ich durchquerte das Zimmer, trat hinaus und lief einen Flur entlang nach hinten und wandte mich dann zur linken Tür. Zögernd klopfte ich. Doctor Strange öffnete diese. Er trug immer noch diesen Mantel, schlief er darin?
"Ich soll sie zum Essen holen", erklärte ich. "Okay, ich komme."
Der Umhang kam angeflogen und legte sich um seine Schultern. Er schloss die Tür und ging voran. Als ich so neben ihm lief konnte ich mich schließlich nicht mehr zurückhalten, streckte heimlich den Finger aus und stupste den Umhang an. Er stupste zurück.
"Er mag dich."
Ich zuckte zurück, mir war nicht bewusst gewesen, dass Strange mich beobachtete, doch dieser schmunzelte nur. Ich setzte mich zwischen Shuri und Peter an den Tisch und während des Essens herrschte eine angenehme Atmosphäre. Bald danach verabschiedete ich mich, um ins Bett zu gehen.
Am nächsten Morgen lief alles schon fast routiniert ab. Ich stand auf, frühstückten kurz und dann ging's ab zum Training. Doch heute viel mir sofort der Mann auf, der im Ring neben mir Nahkampf trainierte.
"Oh hi. Ich glaub wir haben uns noch nicht gesehen. Ich bin Scott", stellte er sich vor. "Hope und ich sind gestern erst spät angekommen, du musst Fenja sein."
Ich lächelte ihm zu. "Stimmt, gut dass ihr da seid."
In diesem Moment kam auch schon Hope.
"Auf geht's, wir müssen weiter machen", forderte sie Scott auf.
"Hi", meinte sie dann an mich gewandt. "Hope." "Fenja", stellte ich mich kurz vor, dann kam auch schon Natasha und das Training ging weiter. Danach duschte ich Mal wieder, zog wahrlos irgendein T-Shirt an und beschloss, auf den Baum zu klettern. Oben angekommen traf ich Peter, der gerade ein Buch las.
"Hi", begrüßte er mich.
"Hi."
Ich setzte mich neben ihn.
"Was liest du da?"
Er hielt mir das Buch entgegen. Zu meinem Erstaunen war es auf deutsch.
"Die Chroniken der Weltensucher: die Stadt der Regenfresser", las ich vor. "Hey, das hab ich gelesen!"
"Echt?", fragte er hoffnungsvoll. "Ich hab das als Deutsch-Lektüre und muss bis morgen so ein Blatt mit Fragen abgeben, aber ich hatte wegen der Aufregung gestern keine Zeit zu lesen!"
Ich grinste. "Kein Problem!"
"Oh Mann, du rettest mir das Leben!"
"Wieder!"
Wir lachten beide, als wir zu Peters Zimmer liefen. Ich blieb höflich im Türrahmen stehen, während Peter schnell das Arbeitsblatt und einen Stift holte. Die Fragen waren ein Witz, ich hatte sie in Sekundenschnelle fertig. Ich gab es Peter mit den Worten: "Das Buch solltest du aber trotzdem lesen, das ist echt gut!" zurück und dann fiel mir noch etwas ein. "Habt ihr hier eigentlich eine Art Bibliothek oder so?"
"Oh ja klar, da gibt es zwar hauptsächlich Sachbücher, aber ein paar Romane sind auch dabei, komm ich bringe dich hin."
Kurz darauf schlenderte ich durch die Regalreihen und zog irgendwelche Bücher raus, nur um sie sofort wieder zurückzustellen. Doch bei einem hielt ich inne. Auf dem Cover stand: The 13 1/2 Lives of Captain Bluebear. Irgendwas an dem Buch faszinierte mich. Ich schlug die erste Seite auf und begann zu lesen. Irgendwann merkte ich, dass ich noch immer im Gang stand. Ich blickte auf und sah Peter mir gegenüber stehen.
"Oh, ähm, wie lange stehen wir schon hier?" "Oh, vielleicht 10 Minuten."
"Sorry", meinte ich verlegen, "beim lesen vergess ich öfter die Zeit. Warte Mal, hast du die ganze Zeit hier gestanden?"
"Was nein, natürlich nicht. Ich...ich...ich glaube ich muss noch Mal zu Tony ins Labor. Bis später!" Dann lief er durch den Gang davon. Ich erwischte mich dabei, wie ich ihm nachstarrte. Schnell schlug ich mir mit dem Buch gegen die Stirn, um mich auf andere Gedanken zu bringen. Klappte nicht besonders gut. Also setzte ich mich zurück auf den Baum und las. Am Abend hatte ich die Hälfte des Buches durch. Es war kompletter Schmarn. Ich liebte es!
Heute lag ich mit weit geöffneten Augen im Bett. Inzwischen war Dienstag, ich hatte schon zwei Tage Schule verpasst. Nicht, dass mir das sonderlich viel ausmachen würde, aber ich versäumte natürlich trotzdem Stoff, den ich nachholen muss.
*Wenn du das hier überhaupt überlebst* Bei diesem Gedanken lief mir ein kalter Schauer über den Rücken.
*Nein, aber Mal ernsthaft*, meinte eine gehässige Stimme in meinem Kopf, *wenn du weiter so schlecht im Nahkampf bleibst, hältst du im Kampf keine 5 Minuten durch!*
Panik durchfuhr mich.
*Nein, nein, nein! Denk an etwas anderes, beruhige dich, das wird nicht passieren!*
Schnell schloss ich die Augen. Ich konzentrierte mich.
*Eins...zwei...drei...*
Während ich zählte, versuchte ich mir die Zahlen so verschnörkelt wie möglich vorzustellen. Früher hatte mir das immer beim einschlafen geholfen und auch jetzt schien es zu funktionieren, ich spürte wie mein Atem sich beruhigte und langsam glitt ich in den Schlaf.

Lancelot (Marvel FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt