Namida
Es war komisch, dass die anderen Menschen sie ansahen. Normalerweise fiel sie nicht auf, ein weiteres Ergebnis ihres Trainings. Doch ihre widerspenstigen, abstehenden Haare schienen immer wieder die Blicke anzuziehen. Sie konnte es sich einfach nicht erklären, dabei hatten sie doch schon eine so unauffällige Farbe. Im Gehen band sie sich die Haare so straff wie möglich zu einem hohen Zopf zusammen, so wie sie ihn bei ihren Missionen trug. Möglichst wenig auffallend und störend. Dennoch stand ihr Pony immer noch störrisch zur Seite ab. Den würde sie wohl nie richtig bändigen können.
Die Nachmittagssonne stand bereits tief am Himmel und wärmte mit den ersten Frühlingsstrahlen ihr Gesicht. Was für ein ungewohntes Gefühl... oder eher vergessen geglaubt. Nami schloss für einen kurzen Moment die Augen und genoss die Wärme auf ihrer Haut.
Pass auf, dass du nicht sofort Sonnenbrand bekommst, so selten deine Visage das Tageslicht sieht.
Genervt senkte sie ihren Kopf. Da hatte man ausnahmsweise mal einen schönen Moment und schon... Aber Unrecht hatte ihr zartes Stimmchen mal wieder nicht. Es war komisch, ohne ihre Maske das Haus zu verlassen. Normalerweise drang, außer vielleicht im Hochsommer oder in der Wüste Kaze no Kunis, kaum ein Sonnenstrahl durch das Ding.
Unbehaglich fuhr sie sich über die nackten Arme, auf denen sich eine leichte Gänsehaut bildete. Ihre übliche ANBU-Uniform hatte sie mitsamt den schützenden, langen Handschuhen, die ihr bis kurz unter das obligatorische Tattoo reichten, und Armschienen in der Wohnung gelassen und gegen ihre alten Trainingssachen ausgetauscht, die nun formlos an ihr herunterschlabberten. Die einzige Kleidung in ihrem Besitz, die einigermaßen zivil aussah, zumindest in einem Shinobi-Dorf. Sie schien in den letzten Wochen ziemlich abgenommen haben. Kein Wunder, bei fünf Wochen auf Nahrungspillendiät.
Mach dir nichts vor, du hattest den Kram seit Jahren nicht an.
Dann eben in den letzten Jahren. Machte letztendlich auch keinen Unterschied. Bei der sich so gut anpassenden ANBU-Uniform, bei der man sogar die Weste verstellen konnte, war ihr das kaum aufgefallen. Skeptisch betrachte sie sich in der spiegelnden Glasfront des nigelnagelneuen Supermarkts. Die kurze khakifarbene Hose schlotterte ihr um die Knie und das ehemals enganliegende, dazu passende khakifarbene T-Shirt hing nun locker an ihren Schultern herab. Das Ganze wurde immerhin von der langen roten Weste darüber ein wenig kaschiert. Das schwarze Stirnband wurde teils von ihrem Pony verdeckt, aber es verrutschte immerhin nicht. Gedankenverloren strich sie über die Metallplatte, die sie als eine Kunoichi Konohas auswies. Sie hatte es lange nicht mehr getragen.
Ein lautes Magenknurren holte Nami in die Realität zurück. Sie musste dringend etwas zu Essen besorgen. Die letzten Stunden hatte sie damit verbracht, ihre alte Wohnung wieder auf Vordermann zu bringen. Eine halbe Ewigkeit hatte sie Staub gewischt, Spinnen rausgejagt, geschrubbt, den Boden gewienert, Fenster geputzt und Wäsche gewaschen. In so einem Saustall konnte doch keiner leben.
Du wolltest mich doch nur zum Schweigen bringen.
Freudlos lachte sie auf. Als ob das jemals funktionieren würde. Nach einem letzten Blick in die Scheibe straffte sie ihre Schultern und betrat den modernen Supermarkt.
Das Angebot hier war wirklich unglaublich! Durch Hunger und Begeisterung der schier unermesslichen Auswahl getrieben, eilte sie durch die kühlen Gänge, schnappte sich beinahe willkürlich jedes zweite Produkt, während der Korb an ihrem Arm innerhalb weniger Minuten prall gefüllt war. Langsam wurde ihr Arm doch ein wenig schwer.
An der Kasse lächelte der ältere Herr sie freundlich an, während er ihre Einkäufe langsam abrechnete. „Na, da hat aber jemand Hunger", grinste er und deutete auf den Haufen Fertig-Ramen-Packungen, Obst und eingelegtes Gemüse. Nami verspürte urplötzlich das Bedürfnis ihm dieses hässliche Grinsen aus dem Gesicht zu schneiden. Ja, verdammt, sie hatte Hunger. Und wenn er nicht langsam in die Puschen kam, würde sie ihn als allererstes filetieren. Sie wollte gerade zu einer patzigen Erwiderung ansetzen, als ihr Blick die Vitrine hinter ihm fokussierte.
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Torn Shadows
FanfictionNamida sieht sich mit einer völlig neuen Lebenssituation konfrontiert. Ihre sowieso schon auf wackligen Beinen stehende Welt gerät aus den Fugen. Innerlich zerrissen flüchtet sie sich in Alkohol und ihre Arbeit als ANBU. Eine Rechnung, die nicht auf...