Kapitel 197

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POV Kai

Ich war 1 Woche überfällig, da das Baby einfach nicht kommen wollte. Seit 41 Wochen ist das da drinnen und will einfach nicht raus. Nun schleppte ich meinen dicken Bauch mit zum Weihnachtsessen von unserem Team, gestern war Heiligabend, welches wir gemütlich zu dritt oder auch zu viert gefeiert haben, wie man es eben nimmt. Heute war also der erste Weihnachtsfeiertag, weshalb wir uns auf den Weg dort hin machten. Jannik war diesmal mit dabei, da auch einige der anderen Kinder von den Spielern da sein werden würden und der kleine somit jemanden zum spielen hatte. „Meinst du es ist wirklich okay, dass ich in einer Trainingshose komme...? Wir können auch nochmal heim fahren und ich Probier eine Jeans anzuziehen", fragte ich den blonden unsicher, mit Blick auf meine Hose. „Quatsch Engel, das werden alle verstehen. Mit deinem Bauch wird eine unbequeme Hose nicht vorausgesetzt. Darauf wird wahrscheinlich eh keiner achten", „Ich möchte dich aber nicht blamieren", damit sah mein Ehemann zu mir, nachdem er das Auto geparkt und abgestellt hatte.

„Du blamierst mich doch nicht Kai. Es geht nicht anders wegen dem Bauch, außerdem siehst du sehr gut aus. Du hast dich ja trotzdem in ein Hemd gezwängt", „dass ich zumindest ein wenig passend gekleidet bin...", „das bist du Engel, mach dir keinen Kopf. Keiner wird dir böse sein", „Papi toll", kam es von unserem Sohn von der Rückbank hinten, welcher ebenfalls ein Hemd und eine schwarze Hose anhatte. „Danke mein Spatz. Du siehst auch total niedlich aus", lächelte ich dem kleinen zu, ehe Julian und ich ausstiegen und Jannik noch heraus holten.

Gemeinsam gingen wir in das Gebäude des Trainingsgeländes und dort in den Speisesaal, wo schon so gut wie alle anderen waren. „Familie Havertz hat es ja auch mal geschafft", lächelte Marco Reus. Mit diesem haben wir nach einer kleinen Aussprache wieder ein relativ normales Verhältnis geschaffen. „Kai kann leider nicht mehr so schnell", kommentierte der ältere neben mir dies und half mir dabei, meine Jacke auszuziehen. „Welche Woche bist du denn jetzt, Kai? Die 38. oder?", „die 41. Woche", korrigierte ich den Dortmunder Kapitän, weshalb ein schockiertes ‚oh' durch die Runde ging.

Geschafft setzte ich mich auf einen der freien Plätze und atmete erstmal tief durch. „Ich begrüße euch alle zu unserem Weihnachtsessen, sowohl den Kader, als auch ihre Familien. Bedient euch beim Buffet und lasst uns gemeinsam ein wenig Weihnachtsstimmung verbreiten", ertönte die Stimme von Edin Terzić, dessen Blick zu mir schweifte. „Es ist das letzte Weihnachten, was Kai und Julian zu dritt feiern. Der Bauch ist ja kurz vorm platzen", ein Lachen ging durch den Raum, was mich leicht verunsicherte. Sah das wirklich so komisch aus? Hätte ich doch eine andere Hose anziehen sollen? Meine Gedanken wurden allerdings durch Jule unterbrochen, der mich fragte, was ich zum Essen haben möchte. „Nicht so viel...etwas Salat, ein bisschen Fleisch, Gemüse und Kartoffeln...", „und Nachtisch?", „ich weiß nicht...vielleicht Schokopudding", „bring ich dir mein Engel", er gab mir noch einen Kuss auf den Kopf, bevor er gemeinsam mit Jannik zum Buffet ging...

POV Kai

Nach dem Essen wurden viele Weihnachtslieder gesungen und auch viele alte Geschichten erzählt. Die Stimmung war wirklich gut und es freute mich zu sehen, wie gut sich Jannik mit den anderen Kindern verstand. Doch mein Bauch machte mir zu schaffen, immer wieder zog es stark in meinem Unterleib, was ich wieder auf die Senkwehen schob. Julian war mit Marco gerade zur Apotheke gegangen, um nach Tabletten oder ähnlichem zu fragen, was dies lindern könnte. Auch aufstehen und etwas rum trotten hatte nichts gebracht. Das Atmen fiel mir tatsächlich auch wieder schwerer, wobei dieses die letzten Wochen besser geworden war. Zudem musste ich öfter auf Toilette, wie jetzt gerade wieder, weshalb ich mich an Edin wendete. „Hey Edin...würdest du kurz ein Auge auf Jannik werfen? Ich muss kurz auf Toilette", „aber sicher. Ist denn alles okay bei dir? Soll dich jemand begleiten? Ich bin sicher, das macht jemand", „nein alles gut, das schaffe ich schon", perplex nickte der Trainer, ehe ich mich umdrehte und zu den Toiletten watschelte.

Die Treppen nach unten waren dabei die größte Herausforderung, da ich mit dem riesigen Bauch meine Füße nicht mehr sehen konnte. Langsam tastete ich mich also voran, schaffte es aber glücklicherweise unbeschadet, so dass ich mein Geschäft verrichten konnte. Doch das bücken, um mir die Hose wieder anzuziehen, erwies sich als großer Fehler. Denn auf einmal durchzog mich ein so starker Schmerz, dass ich mich nicht mehr halten konnte und somit zu Boden sank. Ich stützte mich an der Kabinenwand ab, versuchte mich irgendwie wieder aufzurichten, was nur halbwegs funktionierte. Gekrümmt kam ich bei den Waschbecken an, wo ich mich direkt wieder auf den Boden fallen lies. Die Schmerzen wurden krampfartig und nahmen in ihrer Stärke stetig zu. Auch wenn ich noch kein Fruchtwasser verlor, war mir klar, dass die Geburt damit losgelegt hatte. Dummerweise hatte ich auch noch mein Handy oben im Speisesaal vergessen, weshalb ich nach Hilfe rief. Doch auch mit dieser Methode erhielt ich keine andere Möglichkeit, als mir selbst versuchen zu helfen. Und damit meinte ich, ruhig zu bleiben und es nicht noch schlimmer zu machen, als es schon war. Das gute war, dass ich kein Fruchtwasser verlor und das Baby damit noch voll geschützt war, ich hatte nur schmerzen die ich jetzt irgendwie zu ignorieren versuchte.

„Es liegt wohl in der Familie, in unpassenden Momenten zur Welt zu kommen", brachte ich gepresst hervor, mit den Erinnerungen an Janniks Geburt, die bei einem Fußballspiel angefangen hatte. Mittlerweile waren es 15 Minuten, die ich hier unten verbrachte, meine Schmerzen wurden immer größer und meine Atmung immer zittriger, so dass ich nicht sagen konnte, wie lange ich das noch aushalten würde. „Bitte lass jetzt nicht die Fruchtblase platzen...", nuschelte ich vor mich hin, hatte verzweifelt den Kopf in den Nacken gelegt und stöhnte mittlerweile vor Schmerz auf. Doch endlich hörte ich Stimmen, zwar nicht die von Julian, doch das war mir in dem Moment total egal, weshalb ich all meine Kraft zusammennahm. „Hilfe!", rief ich, so laut ich konnte, was scheinbar seine Wirkung zeigte, da Nico Schlotterbeck herein kam und mich mit großen Augen musterte...

Freiheit beginnt dort, wo die eigene Angst endet.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt