Krallen und Messer Teil3

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Trigger Warnung: Suizidale Gedanken 

Wie eine Mutter die ihr Baby auf dem Arme wiegt, war für das Nachtschattenmädchen der freie Himmel der sicherste Ort auf der ganzen Welt. Zu genau diesem Himmel streckte sie ihre Tatzen aus. Nach oben zur Freiheit. Nach oben, auf dem Weg nach Hause.

Und nun stellt euch vor diese Mutter würde ihr Neugeborenes auf den Boden schmeißen.

So ungefähr fühlte sich Mabel Donnerschlag als sie nicht mehr fliegen konnte. Die Luft, die nur noch vor einigen Stunden ihr Antrieb nach oben war, wurde zu einem Ort der Hilflosigkeit. Da war nichts, woran man sich festhalten kann, nichts was den Fall mindern oder abbrechen konnte. Selbst die eigenen Flügel halfen nicht. Es war nur eine kalte, mitleidslose Leere. Genauso eine Leere herrschte in ihrem Kopf. Sie konnte an nichts wirklich denken als an den Boden auf dem sie gefangen war und ihr eigenes, hechelndes Atmen. An die Sonne, die erbarmungslos von oben herab prallte, und an das Gras, in dass sie sich hinlegte. Vielleicht, wenn sie die Augen ganz fest schließt und lange genug darüber nachdenkt, dann wird sie wieder in ihren Zimmer auf der Vulkaninsel aufwachen? Ganz fest und ganz lang...

Das half selbstverständlich nicht. Kein Grollen und Zischen von Monstern durchbrach die Stille. Das Einzige was hier Geräusche machte war der Wind, der ihr die Flügel abfrierte und sie spürte all die Kratzer, Schürfwunden und blaue Flecken, die sie heute gesammelt hatte.

Mabel steckte fest in einem Tal, gerade mal groß genug damit sie nicht an Platzangst verrückt wurde. Es gab einen Baum, und es wäre theoretisch möglich von ihm auf den Rand zu springen, aber er stand nicht nah genug. Es sei denn ....

Eine Theorie sollte in Praxis umgesetzt werden. Trotz dem dass sie nicht klappen könnte.

Die Äste knarrten protestierend unter dem Gewicht dem sie ausgesetzt wurden. Und noch ein Mal. Ein Sprung. Das Schlagen von mächtigen Flügeln erfüllte ihre Ohren und zwang ihr Herz im Takt mit zu schlagen. Der Abhang kam ihr so nah vor, zum Greifen nah.

Zentimeter. Zentimeter hatten ihr gefehlt, und sie wäre frei. Das grässliche Geräusch von Krallen auf Fels hallte durch ihren Kopf. Sie schlitterte die Wand herrunter. Die Erinnerungen an heute Morgen sind immer noch frisch. Das Nachtschattenmädchen breitete sich ein weiteres Mal im Gras aus. Ein Sturzbach aus Tränen und Rotz rollte über ihr Gesicht. Zum ersten Mal seit sie sich kannte, fing Mabel an zu weinen.

Was mach ich hier eigentlich? Warum hat der Junge mich nicht getötet? Warum habe ich ihn nicht getötet? Es ist seine Schuld dass ich nicht mehr fliegen kann! Wenn er mich schon flugunfähig gemacht hat, dann könnte er mich zumindest von meinen Leiden erlösen! Und meine Familie hält mich bestimmt für tot! Und sie werden mich nicht vermissen wenn sie denken dass ich tot bin aber ich werde sie vermissen und ich kann weder zu ihnen nach Hause noch mich an diesem Knirps rächen. Es würde jetzt meine Flosse nicht wiederherstellen, und ich kann nicht mehr für meinen König jagen gehen aber, aber, aber, aber, aber ...

Sie wünschte sich sie hatte sich gerächt. Sie wünschte sich dass der Menschenjunge es vollbracht hätte. Sie wünschte sich sie wäre tot.

Ihr hilfloser Zorn raste aus ihrer Kehle in Form eines riesigen Feuerballs.

„Was ist das denn jetzt für ein Krach?" Erschrocken, und vor allem überrascht, blickte Mabel auf.

Auf einem kleinen Fels, die kleinen Hände in die Hüften gestemmt, blickte eine winzige, grüne, korpulente Frau sie genervt an. Sie hatte ein rotes Kleid an, auf dem Kopf trug sie eine Zipfelmütze und um ihre Taille war ein Gürtel samt Beutel gebunden. Sie wirkte sehr misstrauisch, doch nach einigen Sekunden wurde ihr Gesichtsausdruck weicher. „Ich bin Trina, was ist passiert Liebes?"

Das Mädchen stemmte sich unbeholfen auf. Ihre Beine wollten ihr Gewicht nicht tragen. Trotzig wischte sie sich das Salzwasser aus den Augen um sich näher an die fremde Lady hin zu setzten. „Ich wurde vo *Hicks* om Himmel runtergerissen."

„Mhh-Hmm."

„Da war so ein blödes Netzt... *Schluchz*"

„Mhh-Hmm."

„Und ich kann nicht mehr fliegen weil mir eine Schwanzflosse fehlt. Dann bin ich in dieses Loch gefallen und kann nicht mehr raus und da war dieser kleine Mensch, der mi-ich verschont hatte..."

„Mh-hmmm mh-hmmm. Warte Mal, ein Mensch?"

„Ja."

Sie fing an im Kreis zu laufen. Ihre schuppigen Augenbrauen zogen sich zusammen, offensichtlich etwas nachdenklich. „Das kann nicht sein. Bist du dir sicher, dass du dir nicht zu hart den Kopf gestoßen hast?" Mabel wollte den Kopf schütteln, entschied sich mitten in der Bewegung doch anders und wollte nicken, Woraus ein wildes, unverständliches Kopfwirbeln entstand. Trina nahm dass aber als Antwort an. „Sag Mal Liebes, wie heißt du?" „Mabel."

Die kleine Dame lächelte das große Mädchen aufmunternd an. „Ich werde schnell zurückfliegen und Hilfe hohlen Okay? Und du bleibst hier und wartest. Ich bin auch gleich wieder da." Mit diesen Worten flatterte sie davon. Ist ja nicht so dass ich irgendwo weg kann. Dachte sie grimmig. „Es war schön dich kennen zu lernen Trina!" Schrie Mabel ihr hinterher. „Gleichfalls Große!" Kam es aus dem Wald zurück.

Trinas Flügelchen warensehr klein und lächerlich, sogar im Vergleich zu ihrem Körper. Doch Mabelbeneidete sie mehr als alle anderen auf der Welt. 

Wie man (NICHT) einen Drachen tötetWo Geschichten leben. Entdecke jetzt