Der Wald Teil 4

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„Nein! Dieses hier darfst du auch nicht zertreten!"

„Wie wär's mit dem da?"

„Nein!"

„Und dieses?"

„Das ist eines meiner Lieblinge!"

„Darf ich überhaupt einen Schritt machen?!"

Wie und ob Mabel sich das gedacht hatte, konnte Dipper so gar nicht nachvollziehen. Jeder Quadratzentimeter war bedeckt mit Zeichnungen. Jeder. Quadratzentimeter. Berge, Monster, Schiffe und Strichmännchen starrten sie gespannt an wie auf eine Bühne, auf der eine Komödie spielte. Der Scherz war Dippers Leiden.

Mabel selbst hatte sich in eine Ecke weit weit weg verschanzt, und sie ließ ihn sich nicht bewegen. Wenn er auch nur eine Linie verschmierte knurrte der Nachtschatten ihn an, und so oft er Mabel auch bat, sie würde ihre Meinung nicht ändern. Er musste einen tiefen Schluck Luft (Und Geduld) nehmen um weiter zu reden. „Mabel, ich muss laufen, um von Punkt A zu Punkt B zu kommen, und du musst auch laufen, um von Punkt A zu Punkt B zu kommen. Wie hast du dir das vorgestellt?"

„Ungefähr so." Mit drei kräftigen, und sehr eleganten Sätzen sprang sie von Stein zu Stein, ohne den Boden auch einmal zu streifen. Dipper wunderte sich, warum sie nicht einfach rausgesprungen ist. Das Monstermädchen gab ihm einen besserwisserischen Blick. "Ich habe eine sehr gute Vorstellungskraft." „Schön für dich."

Dipper brauchte keine Vorstellungskraft um sich vorzustellen, das sich weiter Streiten zu keinem Ergebnis bringt. Er brauchte seinen Grips. Die Kritzeleien durchzogen die Erde wie Spinnenweben. Dünn und zerbrechlich.

Doch selbst Fliegen fliegen manchmal zwischen die Fäden hindurch.

Um es weniger poetisch auszudrücken, Dipper soll einfach nur versuchen nicht auf die Linien zu träten.

„Auf geht's."

Diese Operation verlangte hohes Geschick (Was ihm fehlte) und karrenweise Glück. (Wovon er einen sehr sorgsam aufbewahrten Vorrat hatte)

Schritt für Schritt. Zehenspitze für Zehenspitze. Es dauerte eine Weile, aber sein Körper verfiel in einen Gleichmäßigen Rhythmus. Fast wie ein Tanz, dem einem nur die eigenen Reflexe beibringen können.

Dipper kam erst wieder zu sich, als eine Strömung aus heißer, feuchter Luft auf seinen Nacken traf.

Mabel hatte wohl die ganze Zeit ihren Atem angehalten.

„Ich muss zugeben, ich bin beeindruckt." Sagte sie.

„Danke."

„Größtenteils überrascht, aber beeindruckt."

„Danke..."

... „Das ist also eine Prothese." Sie betrachtete sein Werk mit derselben Neugier mit der Dipper einst seinem Gronkel beim Schmieden zusah. Oder zumindest etwas ähnlichem. 

Er schlich sich um sie herum, Mabel tat ihr Bestes um sich nicht zu bewegen, aber man sah ihr alles an. Die flackernden Ohren, die zuckenden Gliedmaßen. Sie wollte weg von hier.

Ihr Zappeln machte es schwieriger, ihr die Prothese anzulegen. „Kannst du versuchen dich nicht zu bewegen?" „Ich bewege mich doch nicht." „Tust du wohl"

„Tu ich nicht."

„Tust du wohl."

„Tu ich ni- HEY!"

Das führt nirgendwo hin. Dachte Dipper und setze sich einfach auf ihren Schwanz drauf. Er dachte wirklich nicht, das sein Gewicht ausreichen würde um ihn festzuhalten, doch er schaffte es die Gürtel des Gestells umzuschnallen.

„Haben die Menschen bei dir zuhause auch Prothesen?" Fragte Mabel auf einmal. Die Frage brachte ihn etwas auseinander, doch er antwortete trotzdem. „Viele von uns haben Prothesen. Holzbeine, Hakenhände, Augenklappen. Mein Großonkel Stanley hat alle Drei, und noch einen falschen Zahn." Mabel schwieg.

Im Handumdrehen war die künstliche Flosse angelegt. Dipper spürte Stolz in seiner Brust, wie nach einem Schluck warmen Tee. Es sah gut aus. Nun sehen ob es auch gut klappt.

„Bin fertig..." Er merkte wie Mabels echte Flosse ihre Gelenke kreiselte. Ich musste gar nicht das sie so beweglich sind.

Kaum hatte Dipper ausgesprochen als ein gewaltiger Luftstrom und etwas Schnelles ihn von seinen Beinen schlug. Instinktiv klammerte er sich an den nächstbesten haltbaren Gegenstand, um nicht zu fallen. Was sich als Mabels Körper herausstellte.

Der Boden entfernte sich furchteinflößend schnell, und kam plötzlich noch furchteinflößender auf ihn zu.

„WAS ZUR HÖLLEEEEEEEEEEE....." Kam Mabels Schrei von hinten. Erst jetzt fiel Dipper auf das die künstliche Flosse vom Flugwind zugeklappt wurde. Ich Holzkopf, wie konnte ich das nicht vorhersehen?

Im letzten Augenblick ergriff er die Prothese und zerrte sie auf. Knapp streiften die Flossen (Und Dippers Kopf) die Erde, die wieder rapide verschwand.

„AAAAAAHHHRGH!" Das war der wohl lauteste und schrillste Schrei, den Dipper je geschrien hatte. Warum träumten so viele Menschen vom Fliegen? Es gab einen Grund warum die Götter sie Fluglos gemacht haben, damit sie diesen Horror nicht durchleben müssten!

Erst sah die Erde noch wie die Erde aus. Dan wie eine Decke. Dann wie ein Teppich. Dann konnte der Junge sie überhaupt nicht sehen. Alles bestand nur aus dem Himmel und den Bergen von Berg, die manchmal in sein Sichtfeld sausten.

Zwischen der Panik und dem drohenden Wahnsinn mischte sich Euphorie ein. Er. Dipper der Nutzlose von Tannenstein der I fliegt! Er ist der erste Mensch der fliegt, und das nicht als Beute gepackt!

Er war auch nicht der einzige, der von diesem Glücksgefühl beflügelt war. Mabel stieß mehreres Freudenbrüllen aus und spie Feuer in den Himmel. Sie machte Purzelbäume, Zickzacks, stieg bis zu den Wolken hinaus und streifte die Tannenspitzen mit ihren Füßen.

Bei einen solcher Tiefflüge schien sie endlich ihren blinden Passagier zu bemerken, denn sie machte eine so scharfe Kurve, das Dipper nicht die Kraft hatte sich festzuhalten. Noch im Gefühlsrausch hatte er nicht mal Angst, als er fiel.

Erst nach dem sein Rücken von mehreren Tannenästen mit hunderten an spitzen Tannennadeln gestreift wurde merkte er was gerade passierte.

„WAR SCHÖN Mit dir aber muss los okay byeeieieieieie NEIN-„ Dipper sah Mabels Schatten durch die Baumkronen gleiten und immer tiefer absinken. Es war das Knacken von brechenden Zweigen zu hören. Und ein schrilles, ängstliches Kreischen.

Dipper dachte gar nicht nach. Seine Beine rannten ganz allein auf Mabel zu und sein Mund sagte ganz von sich aus „geht es dir gut? Bist du verletzt?"

„Es braucht schon mehr als ein paar läppische Zweiglein um mich zu verletzten." Sprach sie aus, doch ihr Blick war sehr verletzt.

Dipper wollte sich entschuldigen. Er wollte sagen dass es ihm leidtat. Aber eine Sache kam ihm in den Weg. Etwas fundamental Falsches.

War es das er sich bei einem Monster entschuldigen wollte? Nein.

War es wieder die geisterhafte Stille des Waldes? Auch nein.

Waren es die tausende an roten Punkten, die ihn aus den Schatten anglitzerten?

Dipper blinzelte.

Die Punkte blinzelten zurück.

Wie man (NICHT) einen Drachen tötetWo Geschichten leben. Entdecke jetzt