1. Verwaist

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„Gib das zurück", forderte ich mit zittriger Stimme.

Doch Akio dachte nicht einmal daran. Immer weiter hielt er das Stück Brot von mir weg, während seine beiden Kameraden mich daran hinderten es zurückzuholen. Aber es half nichts. Sie waren zu stark. Und noch dazu drei Jahre älter als ich. Mit meinen acht Jahren kam ich nur schwer gegen sie an. Auch wenn ich für mein Alter recht groß war. An Kraft fehlte es mir umso mehr. Ich war dürr und knochig. Das waren die anderen Kinder zwar auch, aber längst nicht so sehr wie ich.

Akio und seine Bande. Vor ihnen fürchtete sich jede Kind in diesem Heim in Sunagakure. Die wenigen Frauen, die auf uns aufpassten, konnten ihre Augen auch nicht überall haben. Noch dazu wurden die Kinder, nach dem Einbruch des Krieges, den alle großen Shinobireiche miteinander führten, auch nicht weniger. Im Gegenteil.

Hier wimmelte es nur so von Waisen, deren Eltern im Kampf gestorben waren. An meine konnte ich mich nicht erinnern. War ich doch seit Beginn des Krieges hier. Das zumindest sagte man mir. Aber niemand konnte sich erklären, woher ich eigentlich kam. Ich konnte die Erwachsenen reden hören. Besser als alle anderen Kinder. Eines Abends hatte mich jemand vor die Tür des Heimes gesetzt.

Bisher hatte ich niemanden etwas von meinen guten Ohren erzählt. Das war ein Geheimnis, das ich für mich behielt. Eines, das ich nutzen konnte. Niemand hier war mein Freund. Freundschaft gab es nicht. Akio und seine Kameraden waren auch keine Freunde. Nur waren sie zusammen stärker als allein. Und so suchten sie sich ihre Opfer.

Jemand wie ich war einfach in die Enge zu treiben. Ich hatte nicht genügend Kraft, um mich gegen sie zur Wehr zu setzen. Haru hätte es gekonnt. Doch er war fort. Sie hatten ihn vor ein paar Monaten mitgenommen. Mit an die Front. Er war dreizehn Jahre alt gewesen und war ein Genin gewesen, bis seine Eltern im Krieg umgekommen waren. Da hatte dann niemand mehr seine Ausbildung zahlen können und er war ins Heim gekommen.

Akio hatte sich vor ihm gefürchtet, weil Haru größer und stärker gewesen war. Immer darum bemüht die Schwächeren vor ihm zu schützen. Und somit auch mich. Das war auch den Jonin aufgefallen, die das Heim nach Genin, die ihre Eltern verloren hatten, durchsuchten. Es hatte keine Verabschiedung gegeben nichts. Von einem auf den anderen Tag war er fort gewesen.

Seither war die Einsamkeit mein Begleiter.

Und das hatte sich seit dem Ende des Krieges auch nicht geändert. Haru war nicht zurückgekehrt. Nur die Erinnerung an ihn blieb. Und die verschwamm auch immer mehr. Es gab kein Grab, nichts. Er war tot. Mit Sicherheit. Ob es ihm da wohl besser ging? Ich wusste es nicht.

„Gib mir auch was Akio", riss mich da die Stimme von Ren aus den Gedanken. Er schubste mich so heftig nach hinten, dass ich auf den Hosenboden fiel. Mit glasigem Blick beobachtete ich, wie Akio mein Stückchen Brot aß. Die Augen lagen während all der Zeit auf mir.

Meine Hände ballten sich zu Fäusten. Ich hasste ihn. Ja wirklich, das tat ich. Was bildete er sich eigentlich ein? Dadurch, dass er andere Kinder überfiel und ihnen alles nahm, was sie besaßen, war er zwar noch immer dünn, aber besser ernährt, als jemand wie ich. Es ging ihm gut.

„Willst du irgendetwas sagen, Blindschleiche?", höhnte er. Die anderen Jungen lachten. Während ich dastand und spürte, wie sich das Chakra in mir regte. Ja...ich konnte es fühlen, aber nicht nutzen. Niemand hatte es mir je beigebracht. Das war nicht der erste Moment in dem ich mir wünschte, ich könnte damit umgehen.

„Jetzt siehst du dein Brot wirklich nicht mehr. Ist alles da drin. Oder siehst du nur halbe-halbe? Das interessiert mich jetzt wirklich."

Blindschleiche...

die SchrottsammlerinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt