„Lewis?"
Mutter?
Ich hielt mir den Kopf und musterte die Gegend mit halb geöffneten Augen. Doch egal wie lange ich mich umsah, das Mädchen war weg. Schnell richtete ich mich wieder auf. Ich schwankte kurz. Dann klopfte ich mir den Dreck von der Kleidung. Sie war spurlos verschwunden. Das Einzige, was sie zurück gelassen hatte, war Blut auf dem Boden. Das warme Licht der Laternen spiegelte sich in dem dicken Blut.
„Warum kannst du nicht einmal das machen, was man dir sagt?!", brüllte meine Mutter.
Als sie auf mich zu preschte, folgte ihr eine dunkle Wolke voll Wut. Riesige Eckzähne schienen aus ihrem Mund zu wachsen. Spitze Hörner ragten bedrohlich in den Himmel. So spitz wie eine Nadel. Als ich blinzelte, war all das wieder verschwunden. Doch ihr Ärger war nicht zu übersehen. Ich stolperte zurück. Der kalte Sturm ihrer Wörter kratzte an meinem Gesicht.
„Ich habe gesagt, geh nach dem Test zurück ins Auto!"
„Es tut mir —"
Eine Hand fuhr durch mein Gesicht. Hämmernder Schmerz breitete sich auf meiner Wange aus. Er brannte sich bis zu meinen Knochen hinunter. Meine Nägel bohrten sich in meine Handflächen.
„Geh' einfach in den Wagen!", schrie sie und machte kehrt in Richtung Auto. In meinem Kopf wiederholte ich eine Entschuldigung unzählige Male, doch ich konnte sie nicht noch einmal ganz aussprechen.
Meine Hand umfasste den kalten Griff und öffnete die Autotür. Die Fahrt zog sich. Der Mann im Radio schien unendlich lang zu reden. Ich wollte doch nur Musik hören. Währenddessen ratterte der Sprecher eine Nachricht nach der anderen herunter.
„Seien Sie in den nächsten Tagen am besten vorsichtig! Die OGPA hat eine weitere Warnung vor einem Riss ausgesprochen! Suchen Sie wie immer umgehend Schutz, sobald die Sirenen erklingen!"
Der Kopf meiner Mutter fuhr zur Seite. Eine Hand lag auf ihrem Schlüsselbein. Mein Vater umfasste das Lenkrad stärker. Die Luft zitterte unruhig. Dass ihr neues Leben direkt mit einem möglichen Angriff der Wesen beginnt, hatten sie nicht erwartet.
Risse waren Teil des Alltags. Durch sie waren früher fremde Wesen auf die Erde getreten. Es war noch immer nicht geklärt, ob alle Wesen wieder von der Erde verschwunden waren. Jetzt hatte die Organisation gegen paranormale Aktivitäten zwar die Möglichkeiten dazu, die Risse schnellstmöglich wieder zu schließen, jedoch waren sie noch immer gefährlich. Es gab weiterhin das Risiko, dass ihre Methoden nicht mehr funktionierten.
Nach der Ansage spielte weiter Musik. Ich lehnte meinen Kopf zurück. Wahrscheinlich hatte ich mir das alles nur eingebildet. Das Mädchen. Nur eine meiner Wahnvorstellungen ... Bei dem ganzen Umzugsstress war es kein Wunder, dass mein Gehirn verrückt spielte. Als ich mich der Scheibe zuwandte, rieben meine Haare gegen die Kopfstütze. Es ergab keinen Sinn, dass ich ihr Gesicht so genau vor Augen hatte, obwohl es stockdunkel gewesen war. War es wirklich ihr Gesicht? Ja, es musste ihr Gesicht sein. Ich raufte mir die Haare und schloss die Augen. Schon nach einigen Stunden in einem neuen Land schaffte ich es nicht mehr, mich zu beherrschen.
Es war frustrierend.𓇢𓆸
Die Autotür fiel laut zu. Ein großes Haus erstreckte sich vor mir. Die weißen Wände des Hauses waren mit dunklem Holz verstärkt.
Ich machte einige Schritte nach vorne. Rauschen von Wasser drang in meine Ohren. Unter mir befand sich nur eine mit Steinen besetzte Brücke, welche mich von einem Teich trennte. Meine Augen folgten dem Verlauf des Teiches. Er schien das ganze Haus zu umrunden. Ich hockte mich hin und ließ das Wasser durch meine Finger fließen. Kühl schlossen sich die feinen Wellen um meine Hand. Fische schwammen vorbei. Wasserpflanzen schlangen sich um meine Finger.
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Death's Eyes
Fantasy"Obwohl braune Augen Wärme ausstrahlten, erkannte ich in diesen nur den Tod." Lewis hat die Chance auf das Leben seiner Träume. Trotz seiner Halluzinationen könnte er ein ganz normales Leben führen. Doch eine mysteriöse Begegnung droht seine ruhige...