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Wie jeden Morgen weckte ich meine Eltern und bereitete das Frühstück vor. Das Geschirr klirrte wie jedes Mal. Ich schlich aus dem Schlafzimmer, nachdem ich meine Eltern geweckt hatte. Eigentlich war alles normal. Doch bereits am Morgen hatte ich das Gefühl, dass es nicht so bleiben würde.

Dieses Mal traf ich auf dem Weg zur Schule nicht auf Sumiyo. Ich öffnete die Schultür mit meinem Fingerabdruck und trat in das Gebäude. Ohne Sumiyo an meiner Seite, die nie aufhörte zu reden, fiel mir das unangenehme Quietschen der Tür wieder viel mehr auf. Auch als ich an ihrem Spind vorbeilief, begegnete ich ihr nicht. Ich kannte sie zwar erst ein paar Tage, doch schon jetzt fühlte es sich komisch an, ohne sie in der Schule herumzulaufen.

Dank ihr hatte ich die Hoffnung, dass ein Neustart möglich sei. In den Ländern, wo wir vorher gelebt hatten, verfolgte mich mein Leben in England wie ein Fluch. Überall, wo wir hinzogen, fanden sie irgendwann heraus, dass ich krank war. Dass ich Dinge sah, die nicht da waren.
Umso mehr wollte ich mir einen guten Ruf aufbauen und Sumiyo ließ es für mich so wirken, als wäre es tatsächlich möglich. Ich war ganz in meine Gedanken vertieft, als ich um eine Ecke lief und plötzlich gegen jemanden stieß.

„Oh! Entschuldigung!", rief ich aus Reflex.

Ich sah hinunter auf rabenschwarze Haare. Der silberne Anhänger lag anders als sonst unter ihrer Schuluniform versteckt. Nur die silberne Kette war an ihrem Hals erkennbar. Tanaka sah nur einmal kurz mit ihren eiskalten Augen zu mir und schritt dann ohne ein Wort an mir vorbei.

Ein Schauer lief mir über den Rücken. Ich wusste nicht, wer die richtige Tanaka war. Die, die ihren Vater lachend umarmte oder die, die aussah, als könnte sie mich mit einem Blick töten.

Im Klassenraum packte ich meine Schulsachen auf den Tisch. Ein paar Minuten später kam auch Sumiyo in den Raum. Sie trug eine Sporttasche bei sich. Wollte sie mitschwimmen?
Nachdem mir der Coach erzählt hatte, dass Sumiyo nicht interessiert am Schwimmen war, erwartete ich, dass sie nicht mit ins Wasser gehen würde.

Sie begrüßte mich fröhlich, als sie sich auf ihren Stuhl fallen ließ.

„Tut mir leid, dass ich heute nicht mit dir gelaufen bin", sagte sie leicht außer Atem. „Ich war heute ein bisschen später dran ..."

„Alles gut."

„Aaaber, ich freue mich schon auf später!" Mit geschwollener Brust holte sie ihren Beutel nach vorne.

„Ich mich auch", erwiderte ich.

Der Unterricht war wie im Flug vergangen und wir befanden uns auf dem Weg zur Shizuoka Schwimmhalle. Meine Eltern hatten mich schon kurz vor unserem Umzug dort per Telefon angemeldet. Sie unterstützen mein Hobby sehr. Vor allem nachdem sie gesehen hatten, was für Erfolge ich in Wettkämpfen erzielt hatte. Sumiyo sagte, sie wisse, wo die Schwimmhalle sei, als ich mein Handy herausholen wollte.

Während wir auf die Bahn warteten, zeigte sie mir auf ihrem Handy Bilder von sich und ihren Freundinnen. Ihr Handy war rosa und hinter ihrer glitzernden Handyhülle klemmte eine Karte mit einem Foto von einem Mädchen. Wahrscheinlich ein Idol. Aufmerksam lauschte ich ihren Erzählungen, bis wir in die Bahn stiegen.

„Seien Sie in den nächsten Tagen am besten vorsichtig! Die OGPA hat eine weitere Warnung vor einem Riss -"

Nach einigen Minuten hatten wir die Bahn hinter uns gelassen und mussten den Rest des Wegs gehen. Sie stolzierte neben mir her und ich atmete ihr süßes Parfüm ein. Eine leichte Brise wedelte meine Haare umher. Ich strich mir die Strähnen aus dem Gesicht. Die Sonne strahlte leicht auf uns hinunter und Schmetterlinge flog knapp an uns vorbei.
Wir liefen durch eine Wohngegend mit kleinen aneinandergereihten Häusern. Die Erinnerung traf mich mit einem Schlag, als ich in der Ferne das Haus von Tanaka wiederentdeckte. Die Häuserwände waren weiß. Kein Dreck war zu sehen. Vor dem Haus befand sich eine perfekt zurechtgeschnittene Hecke.

Death's EyesWo Geschichten leben. Entdecke jetzt