Ich musste diesen Helm loswerden. Mein Herz schlug schneller und schneller. Ich bekam Kopfschmerzen. Panisch riss ich an dem Metall herum, doch das Gerät drückte nur stärker auf meine Schädelplatte. Die Lautstärke übertönte jeden meiner Sinne.
Ich schwebte in Leere, überall Dunkelheit. Nur dieser unbeschreibliche Lärm. Dieses Geräusch, das sich mit nichts vergleichen lies. Mein Schädel war kurz vorm Explodieren.Meine Schreie erstickten mit der Zeit. Stattdessen rieben meine Zähne aufeinander und meine Ohren brannten. „Mach das es aufhört!", flehte ich. Doch ich konnte nicht sprechen. Ich konnte mich nur diesem Geräusch ergeben. Jegliche Kraft war aus meinem Körper verschwunden.
Doch kurz bevor ich gänzlich von den Schmerzen verschlungen wurde, erlöste man mich. Mein Oberkörper klappte nach vorne und ich drückte mir die Hände auf die Ohren. Ich zitterte am ganzen Leib.
Der Doktor stellte das Metallding wieder auf dem Tisch und wandte seinen Blick nicht vom Bildschirm ab. Er sagte etwas, das sich wie 'interessant' anhörte. Ich hoffte, falsch zu liegen, denn interessant klang nicht gut, es klang besonders. Es klang anders. War meine Reaktion anders als die der anderen gewesen? Inwiefern?
Ich wollte nachfragen, allerdings brachte ich nur ein Husten hervor. Ich muss so laut geschrien haben. Zum Glück waren die OGPA-Labor immer schalldicht. Dadurch hatte nur der Doktor mein Rumgeschreie mitbekommen.Bevor ich ging, bekam ich ein Glas Wasser gereicht, dessen Inhalt ich mit einem Schluck hinunterschlang. Ich wischte mir die Wassertropfen, die meinen Mundwinkel herunterflossen, mit dem Handrücken weg.
„Sie dürfen jetzt gehen", sagte der Doktor, ohne mich anzuschauen. Sein Blick klebte weiter am Bildschirm.
Auf dem Weg zurück zum Klassenzimmer hörte ich immer noch ein Klingeln, jedoch war es ein ganz normaler Tinnitus. Egal wie sehr ich versuchte, mich an den Klang des Geräusches aus dem Gerät zu erinnern, kam mein Gehirn von selbst nie an das Original ran. Es fühlte sich falsch an, dieses Geräusch gehört zu haben. Es war als wäre es etwas Böses gewesen und mein Gehirn wollte mich davor schützen.
Auch als ich mich wieder an meinen Platz setzte, war ich noch wie benebelt. So unauffällig wie möglich versuchte ich meine Ohren von den lauten Gesprächen um mich herum abzuschotten. Mal stützte ich meinen Kopf mit der Hand und hielt dabei leicht ein Ohr dich, mal streckte ich mich und drückte meine Arme gegen beide. Wenn wirklich niemand vor mir so heftig auf das Geräusch reagiert hatte, musste ich so tun, als ob es mir auch nichts ausgemacht hatte.
Die OGPA unterlag der Schweigepflicht, also musste ich mir keine Sorgen machen, dass der Doktor das Interessante weitererzählte. Und wenn meine Reaktion auf eine Wesensverbindung zurückzuführen war, dann hätte der Doktor mich nicht zurück in den Klassenraum gelassen, oder?
Ich seufzte. Neben mir unterhielt sich Sumiyo unbekümmert mit ihren Freundinnen. Ich war froh, dass sie mir in dem Moment nicht viel Aufmerksamkeit schenkte. Hätte sie genauer hingeschaut, wäre ihr mit Sicherheit aufgefallen, dass bei meinem Test etwas passiert war. So war sie allerdings viel zu sehr ins Lachen und Reden vertieft.
Währenddessen versuchte ich wieder zurück in die Realität zukommen. Diese Angst, die ich gespürt hatte, als ich in der Dunkelheit steckte und stetig das Gefühl von Zeit und Raum verlor. Dazu dieses ohrenbetäubende Geräusch, das ich nicht beschreiben konnte.
Ich konnte nicht nachvollziehen, was gerade mit mir passiert war. Wenigstens hörte mein Tinnitus langsam auf und die Umgebung hörte sich nicht mehr allzu dumpf an. Ich schüttelte meine Hände. Auch der Rest meiner Sinne kehrte langsam wieder vollständig zurück.Doch dann endete meine Erholung. Plötzlich krachte ein schrilles Klingeln durch die Lautsprecher. Mit einem Mal verstummten alle Gespräche. Schlagartig durchschoss ein ziehender Schmerz mein Gehirn. Der Alarm hatte meine Ohren endgültig getötet. Es hörte sich alles an, als wäre ich Unterwasser. Allein meinen Atem konnte ich klar vernehmen.
Ich dachte, es sei ein weiterer Riss, aber niemand verschwand unter den Tischen. Stattdessen eilten alle nach draußen. Rasch packte ich meine Jacke und Rucksack und quetschte mich den anderen hinterher durch die Tür zum Flur. Als ich dann die Nachricht aus den Lautsprechern hörte, war auch mir klar, was los war.
„Dies ist keine Übung. Bitte bewegen Sie sich auf schnellstem Wege nach draußen."
Feueralarm.
Nach dieser Mitteilung war Massenpanik ausgebrochen. Viele rannten an mir vorbei und drängten sich durch die Glastüren. Ich suchte nach Sumiyo, aber ich hatte sie im Chaos im Flur verloren. Ich konnte nur dumpf ihre Stimme in der Ferne wahrnehmen.
„Lewis, ... Schultor! Wir sehen ... !", rief Sumiyo mir zu. Wahrscheinlich hatte sie ganze Sätze formuliert, jedoch konnte ich zwischen Alarm und aufgewühlten Gesprächen nur Satzfetzen verstehen. Ich nahm an, dass ich sie am Schultor treffen sollte, also schrie ich ein 'Okay' zurück, jedoch bezweifelte ich, dass sie es hörte.
Auf mich alleine gestellt ergab ich mich dem Fluss der Masse und wurde Stück für Stück nach draußen gespült. Mit jedem kreuzenden Flur kamen mehr Menschen dazu. Ich wurde zur Wand gedrückt. Wie Wellen trugen mich meine angsterfüllten Mitschüler zu einem Notausgang, an dem eine Lehrerin wartete. Sie leitete uns in Richtung Schultor. Dort angekommen traf ich viele meiner Klassenkameraden wieder.
Allerdings waren sie ruhig. Mit offenen Mündern starrten sie alle gen Himmel.
Auch ich hob meinen Blick und entdeckte die riesige Rauchwolke, die bedrohlich aus dem oberen Stock des Schulgebäudes kroch.
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Death's Eyes
Fantasy"Obwohl braune Augen Wärme ausstrahlten, erkannte ich in diesen nur den Tod." Lewis hat die Chance auf das Leben seiner Träume. Trotz seiner Halluzinationen könnte er ein ganz normales Leben führen. Doch eine mysteriöse Begegnung droht seine ruhige...