Wer mit Geckos shoppen geht...

11 1 0
                                    




Eine halbe Stunde später standen wir vor dem Eingang eines hohen, breiten Gebäudes. „Sunny Shopping Center" stand in Leuchtbuchstaben darüber. Zum Glück war dieser Einkaufsschuppen nicht weit weg von Julians Wohnung, sodass wir uns Taxikosten ersparen und unser Ziel bequem zu Fuß erreichen konnten.

„Oh, Keon, diese Idee ist eeecht cool, ich war hier schon ein paar Male, es war eeecht der Hammer, da gibt's sogar 'ne riesige Zoohandlung! Bei der fliegenden Agame, du bist eeecht der Beste!"

Lia strahlte mich an, ich fühlte, wie ich peinlicherweise rot anlief. Wie schön es war, dieses Mädchen glücklich zu machen. Wir betraten das Einkaufszentrum, allerdings bereute ich meinen Einfall nach wenigen Minuten, Lia flitzte von einem Shop zum anderen, rannte das eine Stockwerk hoch, dann wieder ein anderes runter, ich hatte große Mühe ihr zu folgen. Und dann trafen wir in der Zoohandlung (eine Gabe der Geister, endlich Rennpause!) ein.

Meinen Lieblingsgecko fand ich bei den Terrarien. Wie gebannt beobachtete sie eine kleine braune Echse, die gerade ihre blaue Zunge ausstreckte.

„Wie geht's, Kleiner?", fragte sie das Tierchen. Nach einer kurzen Weile sagte sie mir: „Ihm geht es gut, hat nur Hunger, aber bald ist ja Fütterung."

„Äh, du kannst Echsisch?"

Das klang schon etwas komisch, aber ein besseres Wort viel mir nicht ein. „Schon, mein Dad hat's mir beigebracht, übrigens, ich kann auch ein bisschen Vöglisch", gestand mir Lia.

„Wow, du bist ja ein laufendes Tierwörterbuch", zog ich sie auf.

„Jaja, mach nur weiter!" Lia klang eingeschnappt, aber nach höchstens sechs Sekunden war sie so fröhlich wie immer.

„Komm, ich hab hier einen Souvenirshop gesehen, dann könnten wir noch ein Softeis essen, ich lad dich ein, hab immer etwas Geld in der Tasche!"

„Okay, von mir aus", willigte ich ein, denn Softeis hatte ich schon in meiner ersten Zeit als Mensch zu lieben gelernt.

Zwei anstrengende Rennstunden und ein Eis später waren wir endlich wieder auf dem Rückweg. „Wehe, wir gehen noch einmal in dieses Gebäude, dann begehe ich Selbstmord!", drohte ich meiner Freundin. „Das wär aber eeecht schade um dich, findest du nicht?" Ich zuckte mit den Schultern. Wenn sie meinte.

Julian war noch nicht zu Hause, zum Glück hatte er mir eins dieser kleinen Eisendinger gegeben, die man Schlüssel nannte. In der Wohnung roch es wie immer nach Zitronenkaugummi, einer genialen Menschenerfindung, von der mein Freund immer einen Riesenvorrat hatte. Der nächstliegende Kaugummi wurde von Lia geschnappt, der zweite wurde zu meiner Beute.

Als Julian von der Arbeit kam, erzählte Lia ihm übermütig von unserer heutigen Shoppingtour.

Einige Zeit später setzten wir uns gemeinsam an den Fernseher um die News zu schauen. Eine vollgeschminkte Frau stand hinter einem schmalen Tisch und war damit beschäftigt, ihre Kärtchen zu ordnen. Nachdem sie damit fertig war, begann sie, von Geld, Politik und sonstigem Quatsch zu berichten.

Ich begann, mich zu langweilen, doch die Langeweile war von kurzer Dauer.

„...und jetzt eine Sondermeldung", flötete die Frau. „Wieder wurde eine am See campende Gruppe abends von einer vermeintlichen Medusa angegriffen. Zwar gibt es weiterhin keine Fotos des mystischen Fabelwesens, dafür viele Augenzeugen. Wir haben einen der Camper zu uns ins Studio eingeladen, um seine Meinung zu hören. Mr. Nelson, was halten sie davon?"

Ich wurde hellhörig. Ein Mann Mitte vierzig erschien.

„Es war angsteinflößend, das war kein Wesen aus dieser Welt", sagte er. „Statt Beinen ein riesiger Schwanz, diese Maske auf dem Kopf. Es hätte Tote geben können, zum Glück kam es nicht dazu, aber wir hatten trotz allem Todesangst. Die Polizei ist natürlich erst dann gekommen, als alles vorbei war. Heutzutage kann man sich eben nur auf Gott verlassen."

Die Schminketussi ergriff wieder das Wort, aber Julian schaltete den Kasten aus, noch bevor sie ihren letzten Satz zu Ende gesprochen hatte. „Na, das ist ja ein fetter Vorfall", meinte Jul.

„Jep!", stimmte Lia zu, ich setzte noch ein „Krass!" dazu.

Am Sonntag wurden Lia und ich wieder zur Reptil School gefahren. Ich wollte es nicht zugeben, aber es war so. Ich hatte es vermisst, hier zu sein. Benni wartete bereits am Eingang auf uns. Es war typisches australisches Herbstwetter, sonnig und heiß.

„Mensch, da bist du endlich, Keon! Hola und bienvenidos!" Dann sah unser Frosch-Wandler Lia aussteigen und stutzte.

„Wieso...Was macht denn Lia bei dir?", fragte er mich. Weil Benni mein bester Freund war, erfuhr er auf dem Weg zu unserer Hütte 13, die am Strand stand, die ganze Geschichte.

„Ihr kommt euch eben immer näher, wenn's so weiter geht, seid ihr nächste Woche ein Ehepaar", witzelte er.

„Stimmt doch gar nicht!"

Lia, die neben uns lief, war (wie auch die Male davor nur wenige Sekunden lang) beleidigt.

Vor meinem und Bennis trauten Heim nahmen wir Abschied, Lia machte sich auf den Weg zur Hütte 8, die sie sich mit Greta, der Feuersalamander-Wandlerin, teilte. Der Duft der vielen Pflanzen, die Benni hier angepflanzt hatte, füllte meine Nase. Das war unser Revier, ich fühlte mich hier wohl. Es war etwas schwül, wie ein Wald nach dem Regen. Der Schweiß tropfte gefühlt bereits von meinen nahezu weißen Haaren.

„Uff, wir müssten öfter lüften, glaubst du nicht?", keuchte Benni. „Ich öffne mal ein Fenster."

„Mach, was du willst, mich brüllt schon seit 'ner Ewigkeit mein Magen an", rief ich ihm zu.

„Geh von mir aus halt voraus, ich komm nach. Freddy braucht dringend Wasser." Freddy hieß die große, kannenähnliche Pflanze, die ab und an die eine oder andere Fliege fing und verdaute.

Draußen schien die Sonne heiß und gnadenlos auf mich, kein Wölkchen war in Sicht. Nicht gerade das beste Wetter für einen Albino. Als wildes Krokodil würde ich auf die Jagd gehen, so machte ich mich auf den Weg zur Cafeteria.

Ich schaufelte mir gerade den Teller mit Meeresfrüchten voll, als ich sah, wie die Lederschildkröten-Wandlerin Star zitternd und hinkend von Anne und Sitaki gestützt zur Krankenstation lief. „Was ist los?", wollte ich wissen.

„Erneuter Angriff von Mr. T."

Sitaki klang abwesend, während sie es mir kundgab.


Coldbloods - Die WandlerschuleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt