„... und deshalb will ich, dass du auf diese besondere Schule für solche wie dich gehst", beendete Julian seine Rede. Ungläubig schaute ich ihn an, als wäre er ein auferstandenes Stück Fleisch.
„Aber...aber wieso? Hier geht es mir doch ganz gut!", versuchte ich ihn zu überreden, doch vergeblich.
Wir saßen in einem dieser kleinen Restaurants, die auch nachts offen hatten, bis vor zwei Minuten war ich dabei, einen Fischburger mit Chips und Cola zu verschlingen. Doch jetzt war mir der Appetit schlagartig vergangen.
„Du wirst dort lernen, deine Verwandlungen in den Griff zu bekommen, und vieles, was du noch nicht weißt. Besser als ich es dir beibringen kann."
Das konnte nicht sein Ernst sein. Seit Julian mich bei sich aufgenommen hatte, ging es ihm darum, dass ich in seiner Nähe blieb.
Früher, vor vier Monaten, da war es noch anders. Da lebte ich noch in einem Gehege, in der Ausstellung eines stinkreichen Sammlers. Ich, als Albino-Salzwasserkrokodil, war praktisch eine lebende Trophäe für ihn, bis eines Tages Julian kam und meinte, das Schutzprogramm des Sydney Zoo, in dem er arbeitete, würde an einem Umweltprojekt teilnehmen, als Beweis hatte er gefälschte Dokumente und Anweisungen mitgebracht. Damals erfuhr ich auch, dass ich ein wechselwarmer Wandler, ein sogenannter Coldblood, war.
Die nächsten Tage kam er, um mich zu überprüfen, in Wahrheit sprach er zu meinem Erstaunen in meine Gedanken und erklärte mir, was er vorhatte. Mit jeder Menge Geld hatte er mich später abgekauft und mit einem gemieteten Transporter abgeholt. Er hatte mir geholfen, mich zu verwandeln, in einen echten, wahrhaftigen Menschen.
Er brachte mich zu seiner Wohnung, wo er mir durchgehend und intensiv alles Notwendige aus der Menschenwelt zeigte und beibrachte, wie zum Beispiel Lesen, Schreiben oder Rechnen. Er hatte aus einem faulen Ausstellungsstück, also mir, ein Wesen gemacht, dass sogar ein wenig kämpfen kann, auch wenn meine Instinkte manchmal durschlugen. Auch in den Zoo nahm er mich manchmal mit, um mich mit der Welt der Tiere in Bekanntschaft zu bringen. Er erklärte mir auch, dass wir zwischen diesen zwei Welten lagen. Wir konnten uns verwanden. Ich in eines der gefährlichsten Lebewesen Australiens, er in einen großen, grünen Leguan, da er aus einem Ort namens Amerika stammte. Und auch das übten wir nahezu täglich: Verwandlung, zudem noch Gedankensprache und der Umgang mit diesem Geheimnis, von dem kein Mensch wissen sollte. Und als ob all das nicht genug wäre, musste ich auch noch ein Albino sein. Nichts gegen hellblonde Haare und weiße Haut, beziehungsweise Schuppen, aber diesem Phänomen geschuldet fürchten die Leute sich in meinen beiden Gestalten vor mir, vor dem unnormalen, breitschultrigen, rotäugigen, 13-jährigen Keon, der nicht mal zu lange in der Sonne sein konnte, ohne einen Sonnenbrand auf seiner empfindlichen Haut zu kriegen. Allein der junge, gebräunte Julian konnte mich akzeptieren, so wie ich war.
Doch genug Vorgeschichte.
Julian hatte mir mal erzählt, dass alle Kinder auf eine Schule gingen, um dort alles Notwendige fürs Leben zu lernen. Und das war halt 'ne besondere Schule, für kaltblütige Gestaltwandler wie mich. Frösche, Schlangen und sogar noch andere Krokodile sollte es dort geben. Irgendwie freute ich mich doch darauf. Andererseits hatte ich noch nie Kontakt mit anderen Jugendlichen gehabt, was wenn ich zum Außenseiter werden würde? Das wäre das letzte, was ich brauchte. Doch es half ja eh nichts, wenn Julian mich so aus seinen grünen Augen ansah, wusste ich, dass es bestimmt war und damit basta.
Etwas bedrückt verließ ich mit ihm den Burgerschuppen. Durch das nächtliche Treiben hindurch schlurften wir langsam nach Hause, in Richtung Stadtrand.
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Coldbloods - Die Wandlerschule
Fiksi PenggemarViele fürchten Krokodile. Und Keon, der ist auch noch ein Albino. Nur kurze Zeit ist der Wandler in der Welt der Menschen. Nun, wo er auf eine besondere Schule für Gleichartige gehen soll, erwartet ihn schon in den ersten Wochen so einiges. Und so...