Tamba

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Die nächsten Wochen vergingen langsam und triefend, wie hinter einem dichten Nebelschleier. Alles, was ich zu sagen habe ist, dass ich, die Aufnahmeprüfung mit Ach und Krach bestand, beinahe wäre ich durchgefallen, vor Allem in Mathe. Verwandlungen fielen mir auf einmal deutlich schwerer und mühsamer, ich schaffte es bei weitem nicht jedes Mal. Aus einem stolzen Albinosalzwasserkrokodil war ein Häufchen Elend geworden. Jul machte sich Sorgen. Meine Lehrer machten sich Sorgen. Das Gefühl, beinahe jemanden umgebracht und dann schließlich doch verloren zu haben, ließ nicht nach. Es war, als würde ein Teil aus meinem einst so tollen Leben fehlen. Mein einziger Trost waren die Ausflüge ins Meer, zusammen mit Cleo. So ging es weiter, Woche für Woche, inzwischen war es schon Anfang November, drei Wochen waren vergangen, seit ich das letzte Mal Lia sah. Und immer noch war ich betrübt. An diesem Montag veränderte sich jedoch alles.

In der Englischstunde kam Mr. Redsea mit einem mir unbekannten Jungen in die Klasse. Er war vielleicht zwei Kopf kleiner als ich, schmal gebaut, er hatte unnatürlich schwarze Haare und zudem relativ buschige Augenbrauen. Er war gekleidet in dunkler Hose, grauen Sportschuhen und einem Kapuzenpullover.

Doch das merkwürdige und zugleich erschreckende an ihm waren seine Augen. Sie waren gelb. Klar, viele Wandler hatten gelbe Augen, aber seine waren anders. Sie glühten förmlich, und, wie ich schließlich mit leichtem Entsetzen feststellen musste, seine Pupillen waren ebenfalls gelb, noch dazu leicht verzerrt. Dadurch sah der Unbekannte bedrohlich aus.

„Hallo", sagte Mr. Redsea. „Leute, ich darf euch hiermit Tamba vorstellen."

Tambas Blick schweifte durch die Klasse, jeder, der ihm in die Augen sah, erstarrte auf seinem Platz.

„Er ist euer neuer Mitschüler."

In der Pause entdeckte ich den neuen Wandler auf dem Baum im Schulhof. Er hockte auf dem untersten, dicksten Ast und blickte nachdenklich in die Gegend, seine merkwürdigen Augen glühten wie gelbe Flammen.

„Glaubst du, wir sollten ihm hallo sagen?", fragte Benni und biss in einen Apfel.

„Womöglich sollten wir. Aber er hat noch gar nicht gesprochen.

Und seien demjenigen die Geister gnädig, der ihm in die Augen sehen kann, ohne förmlich einzufrieren. Nur ein Verrückter würde zu ihm gehen." Und genau deshalb standen wir jetzt vor Tamba.

„Hallo", meinte ich zögernd. „Du bist Tamba, oder?"

„Ja."

„Toll, dich kennenzulernen, ich bin Benni", stellte mein Freund uns vor.

„Das ist Keon." Er nickte zu mir.

„Aha."

Schwerer Patient, gut, dann ein etwas schwereres Geschütz aufbauen lassen.

„Wo kommst du denn her?", bohrte ich nach. Der Neue seufzte, sprang vom Ast und richtete sich auf.

„Machen wir es so", wendete er sich zu mir. „Schaffst du es, mir lang genug in die Augen zu schauen, beantworte ich dir deine Fragen. Falls aber nicht, bitte ich dich zu gehen. In Ordnung?" Tambas Stimme klang wie ein Windhauch. Leise, fast ein Flüstern, trotzdem selbstsicher und bestimmt, mit einem Akzent, den ich nicht ganz richtig deuten konnte.

Coldbloods - Die WandlerschuleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt