Familie und Badespaß

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Nachmittags holte Lia uns ab und führte mich zum Strand, während Benni in die Cafeteria lief, um uns ein paar Häppchen zu besorgen. Das Meer war ruhig, nur wenige Wellen kräuselten am Strand, der so gut wie leer war. Nur eine kleine Schlange hing an einem Baum und eine Kröte kroch ins Gebüsch. Lia packte eine große Picknickdecke aus, die sie in ihrer Tasche verstaut hatte. Als Benni mit dem Essen kam, war ich ziemlich darüber verwundert, was es alles für „Leckereien" gab. Ananasbrötchen, Gemüsespieße mit Garnelen und so weiter.

„Äh, welche verrückten Futterkreationen gibt's hier noch?", fragte ich zweifelnd.

Lia lachte: „Unsere Köchin Fiona ist eeecht nett und ihr Essen schmeckt eeecht super, aber sie ist eine eeecht neugierige Brillenkaiman-Wandlerin und deshalb probiert sie ständig 'ne neue Kombi. Und selbst wenn das Essen nicht so aussieht, es schmeckt eeecht lecker!"

Und sie behielt tatsächlich Recht, es war wirklich fantastisch. Nachdem wir alle satt waren, liefen meine Freunde und ich in Richtung Meer. Lia sprang voller Tatendrang ins Wasser, gefolgt von Benni, der mit einem Sprung die Gischt aufspritzen ließ. Ich zögerte kurz, aber dann folgte ich meinen zwei neuen Freunden.

Erst alberten wir rum und spritzten uns nass, doch dann fragte mich Lia etwas, was ich so gar nicht erwartet hatte, und zwar: „Sag mal, Keon, wieso verwandelst du dich nicht und zeigst uns einige deiner Kunststücke. Wäre das okay für dich?"

Was? Sie fragte mich, ob es okay für mich wäre, das ich mich verwandelte?

„Nichts lieber als das!", sagte ich. Also dachte ich an mein Tier-Ich und verwandelte mich, hier im Wasser ging es schnell und einfach. Schon schwamm ich als vier Meter langes Albinokrokodil um meine Kumpels herum und sperrte mein Maul auf, um meinen Freunden ein bisschen Angst einzujagen. Lachend wichen Benni und Lia vor mir zurück. Dann kam es zum Höhepunkt: Ich sprang gut zwei Meter in die Höhe und tauchte mit einem fabelhaften Bauchplatscher wieder unter. Beim Auftauchen applaudierten mir meine Zuschauer und wäre ich nicht grade ein Tier, hätte ich mich verbeugt.

Danach ritten sie noch vorsichtig Unterwasserrodeo auf meinem breiten weißen Rücken, danach verwandelte ich mich und wir legten uns in den weichen Sand zum Sonnen.

Eine Weile war es vollkommen still, bis mich Lia fragte: „Sag mal, ist es wahr, dass du dein ganzes Leben lang in einem Käfig gelebt hast? Hast du denn keine Eltern?"

Das brachte mich fast automatisch zum Grübeln. Tatsächlich machte ich mir manchmal Gedanken über meine Familie. Julian hatte mir mal erzählt, dass ich als Babykrokodil von Wildtierhändlern an den reichen Tiersammler abgeliefert wurde, über meine Eltern war nichts bekannt. Ich war oft nachdenklich, aber nicht wirklich traurig, drüber, hatte ich sie doch noch nie im Leben gesehen.

„Naja, schon. Ich kenn sie nicht mal. Ich wurde angeblich von einer Art Jägern gefangen, da war ich kaum wenige Wochen alt und angeblich in einem Gebüsch versteckt."

„Du Armer, du tust mir eeecht leid!", entschuldigte sich Lia für ihre Frage.

„Danke, das ist doch nicht nötig!", gab ich ihr zurück.

„Doch, ist es", sagte auch Benni.

„Wie ist es eigentlich mit euch?", fragte ich sie.

Erst erzählte Benni: „Ich lebte mit meinen Eltern und meinen Geschwistern so halb-halb, in Costa Rica. Als ich fünf war, erfuhr ich, dass ich ein Coldblood war, etwas später lernte meine Mutter George kennen, er ist auch ein Frosch-Wandler, erst ließ sie sich von Pa scheiden, dann heirateten sie ihren neuen Freund, dann zogen wir nach Newcastle, in die Nähe von Sydney. George sorgt für uns wie ein richtiger Vater, seine Idee war es auch, dass ich hierher komme."

„Ich schließe daraus, dass du schon durch die halbe Welt gereist bist, stimmt's?"

„Schon, aber eher ein Viertel der Welt."

„Und was ist mit dir, Lia?", wendete ich mich an meine Freundin.

Also, Geschichte Nummer zwei: „Meine Eltern sind Angestellte in einer Firma, sie sitzen im Büro. Mein Vater ist auch ein Gecko, meine Mutter und meine Schwester wissen nichts von unserem Geheimnis. Sie sind eeecht stinknormale Leute. Jeden Abend machten Dad und ich eeecht oft Abendspaziergänge in den Park, wo er mir dann das ganze Wandlerzeug beibrachte. Später trennten sich meine Eltern, ich blieb bei meinem Vater, daraufhin schickte er mich in die Reptil School."

Nach kurzer Zeit fragte mich Benni: „Wie gefällt es dir eigentlich an unserer Schule?"

„Super!", gab ich ehrlich zurück, „Alles wirkt so schön, so sorglos!"

„Nicht wirklich", sagte Lia und wurde plötzlich etwas ernster.

„Hä? Wieso denn das? Was ist hier denn los?"

Jetzt checkte ich genauso viel wie heute bei Mathe. Anders gesagt, ich checkte nichts.

„Ein geheimnisvoller Wandler greift in letzter Zeit vereinzelt Schüler an, und zwar ausschließlich in zweiter Gestalt, die Opfer werden aber nie getötet, nur unter Schock gesetzt. Keiner weiß, wie er aussieht, aber eins ist sicher: Wenn das so weitergeht, muss die Schule schließen. Die Eltern der Angegriffenen haben sich über ‚unzureichende Sicherheitsvorkehrungen' mehrfach beschwert. Das Einzige, was der Unbekannte nach seinen Erscheinungen hinterlässt, ist der Buchstabe ‚T', den er in Bäume oder sogar in Steine einkratzt", klärte Benni mich auf. Was sollte dieser fremde Coldblood mit seinem „T"?

„Wenn die Schule wirklich schließen sollte, wäre das eeecht ein Desaster, viele Wandler haben ja nicht mal ein richtiges Zuhause, weil sie davor als Tiere gelebt haben!", meinte Lia, nun war sie etwas besorgt und traurig, das konnte man sehen, sowohl als auch an ihrer Stimme hören.

„Oje!", war das einzige, was mir einfiel.


Coldbloods - Die WandlerschuleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt