L O G A N
Ich trank den letzten Schluck meines Kaffees und blickte aufs Meer. Der Pazifik war heute noch unruhiger als gestern. Der zunehmende Wind baute die Wellen wieder auf, versprach aber gleichzeitig, die Regenwolken des gestrigen Tages endlich weg zu schieben. Man konnte es bereits erahnen. Für August war es an diesem Morgen zwar noch frisch, doch über den Tag würde sich die Sonne zeigen. Ich mochte New Haven im Sommer.
Während ein paar Möwen kreischend Richtung Hafen flogen, atmete ich die salzige Meeresluft ein letztes Mal bewusst ein, ehe ich mich von meinem Ausblick losriss. Bye Marc.
Ich ging zurück in die Werkstatt und Richtung Büro. Als ich die Tür öffnete und eintrat, blieb ich jedoch wie angewurzelt stehen.
Das Erste, was mir auffiel, waren die fehlenden Blätterstapel am Empfangstresen. Das Zweite war das weibliche, zugegeben angenehme Parfum, das ganz zart in der Luft lag. Und das Dritte war ein riesiger schwarzer Hund, der in der Mitte meines Büros lag und bei meinem Anblick freudig mit dem Schwanz wedelte und auf den Boden klopfte. Das „Guten Morgen" einer zarten Stimme aus der Richtung meines Schreibtisches war das Vierte, was an diesem Morgen anders als üblich war.
Entgeistert folgte mein Blick der Stimme und ich erspähte die junge Frau von gestern. Ihr Gesicht kam zwischen zwei Papierstapeln hervor.
„Was zum..." setzte ich an, doch tatsächlich blieb mir das Wort vor Unglaube im Hals stecken. „Ich dachte ich hätte mich gestern klar ausgedrückt?", zischte ich ihr zu und trat näher an den Schreibtisch heran, auf dem ich bereits eine gewisse Ordnung feststellen konnte.
Schlagartig färbte sich die zart wirkende, ansonsten völlig ebenmäßige und eher blasse Haut der jungen Frau rot und als hätte ich sie bei einem Ladendiebstahl erwischt, presste sie kleinlaut ihre Lippen aufeinander. Offenbar war ihr meine Anwesenheit genauso unangenehm, wie mir ihre zuwider war.
Vorsichtig richtete sie sich auf und sah zu mir hoch. „Ich ... ich will wirklich keine Umstände bereiten, aber ich..."
In dem Moment ging die Tür am Eingang des Büros auf und Rob trat ein. Als er uns sah breitete sich ein Lächeln auf seinem alten Gesicht aus.
„Ah, ich sehe, du hast unsere neue Mitarbeiterin schon kennen gelernt?"
Ich schnaube verärgert. „Ich habe überhaupt niemanden eingestellt, Rob!"
„Ich habe sie eingestellt."
„Dazu hattest du aber kein Recht!", stellte ich klar. Immerhin war ich sein Boss, auch wenn das noch nie eine Rolle zwischen uns gespielt hatte. Rob arbeitete schon seit einundreißig Jahren hier, da war ich noch nicht mal geboren. Als ich Dads Werft mit achtzehn übernahm, übernahm ich auch Rob. Zugegeben - diese lange Zeit machte ihn zu einem Mitarbeiter mit einem gewissen Mitspracherecht - trotzdem nervte es mich grade tierisch.
„Grace, das ist Logan, Logan, das ist Grace Sanders. Grace hat gestern bei Sally ein Zimmer gekriegt, bleibt nun eine Weile und macht hier halbtags dein Büro klar Schiff. Prima, nicht war?" Rob klopfte selbstzufrieden seinen Bauch, kam am Tresen vorbei und ging Richtung Werkstatttür.
Entgeistert sah ich ihm nach. Ich hasste es, dass er mich vor vollendete Tatsachen stellte.
Dann räusperte sich die Fremde leise, dann sah sie mich schüchtern an. „Ich ... ich habe Kaffee gemacht."
Ich zog irritiert die Brauen zusammen, dann glitt mein Blick rüber zur Kaffeemaschine neben der Fensterbank. Tatsächlich stand dort eine volle Kanne schwarzen Glücks. Dann sah ich sie wieder an.
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Glück kommt in Wellen | ✔︎
रोमांस( WATTYS 2023 Shortlist ) Nach einer verhängnisvollen Studentenparty, die Grace Sanders' Leben für immer veränderte, ist sie von Schuldgefühlen geplagt, die ihr jede Chance auf ein normales Leben rauben. Ihre einzige Hoffnung auf Besserung - Abbitte...