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G R A C E

ein Jahr zuvor

Die prächtige Universität ragte vor mir auf, ihre alten Steinmauern schienen in der kalifornischen Morgensonne zu glühen. Ein leichter Wind wehte durch die Bäume des Campus und brachte den Duft von alten Büchern und frischem Kaffee mit sich, während ich durch die Holztüren des Einführungskurses trat.

Die Nervosität zog sich wie ein unsichtbarer Faden durch den Hörsaal, verbunden durch eine Vielzahl von unschuldigen Gesichtern, die alle gespannt auf den Beginn dieses neuen Kapitels in ihrem Leben warteten.

Unter den vielen Kommilitonen bemerkte ich zuerst Simon, einen schmalen Kerl mit großen Augen, der hinter einer dicken Brille hervorlugten, und den ich bereits bei der Campusführung kennen gelernt hatte. Er saß in einer der Stuhlreihen, vertieft in ein Buch, das auf seinem Schoß lag. Mit seinen zerzausten Haaren und dem aufgeweckten Blick hatte er die Aura eines leidenschaftlichen Bücherwurms. Er warf mir ein schüchternes Lächeln zu, als ich mich ihm näherte.

„Hey, Simon", begrüßte ich ihn, als ich den Gang hinunterging. „Was liest du da?"

Er blickte auf und seine Brille rutschte ein Stückchen seine Nase hinunter. „Oh, das ist 'Die unendliche Geschichte'", sagte er und hielt das Buch hoch, so dass ich den Titel sehen konnte. „Ich habe es schon mehrmals gelesen, aber es beruhigt mich irgendwie."

Ich lachte leise und setzte mich neben ihn. „Ein guter Roman kann Wunder bewirken, oder?" Ich sah ihn an und bemerkte, wie seine Finger nervös die Ecken des Buches kneteten. „Aufgeregt?"

Er sah mich an, seine Augen weiteten sich ein bisschen hinter den dicken Brillengläsern. „Ein bisschen. Es ist alles so neu und anders. Ich meine, ich freue mich darauf, aber es ist auch ... beängstigend, weißt du?"

Ich nickte und lächelte ihm zu. „Ich verstehe, was du meinst. Aber schau dich um, Simon. Hier sind alle nervös. Es ist ein großer Schritt, aber ich glaube, wir werden das schaffen werden." Ich zwinkerte. 

Bevor er antworten konnte, wurde unsere Aufmerksamkeit durch die Eingangstür abgelenkt. Zoe, das Mädchen mit den feuerroten Locken, betrat den Saal. Sie strahlte, als ob sie die Sonne selbst eingefangen hätte, und ihre leuchtenden Augen wanderten durch den Raum, bis sie uns entdeckte. Ich winkte ihr zu und ihr Gesicht hellte sich auf, als sie zu uns herüberkam.

„Hey Leute", begrüßte sie uns und ließ sich auf den Platz neben mir fallen. „Was ist das?", fragte sie und nickte in Richtung Simons Buch.

„Die unendliche Geschichte", antwortete Simon und zeigte ihr das Cover.

Zoe lachte herzlich. „Oh, das passt doch perfekt zu uns. Wir stecken mitten in unserer eigenen unendlichen Geschichte, oder? Wer weiß, vielleicht treffen wir auch auf Atreju und Fuchur auf dem Weg zur Mensa."

Simon und ich mussten lachen. Zoes Witz und ihre leichte Art, die Dinge zu sehen, halfen, die Spannung etwas zu lösen. „Also, bist du bereit für das große Abenteuer Universität?", fragte ich sie.

„Absolut", antwortete Zoe und ihre Augen funkelten vor Vorfreude. „Ich kann es kaum erwarten, all die neuen Leute kennenzulernen, die ganzen Kurse zu belegen und all das Wissen zu sammeln. Ich meine, wer braucht Schlaf, wenn man studieren kann, richtig?"

Nach dem Kurs, in dem wir uns mehr als nur einmal in den Labyrinthen von Universitätsprozeduren und -regeln verloren, beschlossen wir, etwas Essen zu gehen.

Die Mensa der Universität war ein großer, modern gestalteter Raum, der den Anschein einer pulsierenden Lebensader hatte. Durch die hohen Decken und große Fensterfronten flutete natürliches Licht den Raum und verlieh ihm eine helle und freundliche Atmosphäre. Bei Betreten der Mensa schlug einem zuerst der Duft von frischem Kaffee entgegen, ein vertrautes Aroma, das jeden Morgen vielen Studierenden ein Stückchen Heimat bietete.

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